JudikaturOGH

3Ob200/01k – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Marktgemeinde B*****, vertreten durch DDr. Ingrid Stoiber-Adler, emeritierte Rechtsanwältin in Bad Hofgastein, wider die verpflichtete Partei Dr. Otto A*****, vertreten durch Dr. Gerhard Othmar Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 88.986,50 S (= 6.466,90 EUR) sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 13. Juni 2001, GZ 22 R 109/01k, 110/01g-45, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gastein vom 8. Februar 2001, GZ 1 E 612/00g-37, teils bestätigt und teils aufgehoben und der Beschluss des Bezirksgerichts Gastein vom 1. März 2001, GZ 1 E 612/00g-41, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Antrags auf Unpfändbarerklärung von Aufwendungen (§ 290 Abs 1 Z 1 EO) wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs gegen die Abweisung des in diesem Zusammenhang gestellten Aufschiebungsantrags wird zurückgewiesen. Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der betreibenden Gemeinde wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 11. Oktober 2000 aufgrund eines vollstreckbaren Rückstandsausweises und weiterer Kostentitel zur Hereinbringung einer Forderung von 88.986,50 S (= 6.466,90 EUR) sA die Exekution auf Geldforderungen (Arbeitseinkommen oder sonstige Bezüge gemäß § 290a EO) des Verpflichteten gegen die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten und die Exekution auf Geldforderungen des Verpflichteten gegen mehrere näher genannte Krankenkassen als Drittschuldner bewilligt. Die betreibende Partei brachte (bei Verbesserung des Exekutionsantrags) vor, der Verpflichtete sei Vertragsarzt näher genannter Krankenkassen.

Der Beschluss über die Zusammenrechnung dieser Bezüge gemäß § 292 Abs 2 EO und die Reihenfolge der vorrangigen Gewährung des unpfändbaren Grundbetrags (§ 291a Abs 1 Z 2 EO) erwuchs in Rechtskraft. Der Verpflichtete hatte weiters beantragt, seine gepfändeten Forderungen als Kassenarzt gegen mehrere Krankenkassen als unpfändbar iSd § 290 EO zu erklären, weiters den unpfändbaren Betrag gemäß § 292a Z 3 EO wegen besonderer Aufwendungen, die im sachlichen Zusammenhang mit seiner Berufsausübung stünden, zu erhöhen, ohne einen bestimmten Erhöhungsbetrag zu nennen; er führte seine in diesem Zusammenhang geltend gemachten Aufwendungen im Einzelnen an. Das Erstgericht entschied über diese Anträge mit Beschluss ON 37, wobei es über den Antrag auf die Unpfändbarerklärung von Aufwendungen nicht im Spruch absprach. In der Begründung führte es aus, da aus den von den Drittschuldnern zu zahlenden Honoraren eine Aufwandsentschädigung nicht herausrechenbar sei bzw eine solche tatsächlich nicht geleistet werde, handle es sich nicht um gemäß § 290 Abs 1 Z 1 EO unpfändbare Bezüge; deshalb müsse auf § 292a Z 3 EO zurückgegriffen werden, wonach eine Erhöhung des unpfändbaren Betrags vorzunehmen sei, wenn der Verpflichtete besondere Aufwendungen tätige, die im sachlichen Zusammenhang mit seiner Berufsausübung stünden. In analoger Anwendung des § 273 ZPO erhöhte das Erstgericht - insoweit rechtskräftig - den unpfändbaren Freibetrag um 5.000 S, ohne den darüber hinausgehenden Antrag des Verpflichteten ausdrücklich abzuweisen.

Mit dem weiteren Beschluss ON 41 wies das Erstgericht den neuerlichen Antrag des Verpflichteten auf Unpfändbarerklärung von Aufwendungen (§ 290 Abs 1 Z 1 EO) und den Antrag des Verpflichteten auf Aufschiebung der Exekution ab und erkannte seinem Rekurs gegen den Beschluss ON 37 hemmende Wirkung zu.

Das Rekursgericht hob über Rekurs des Verpflichteten den Beschluss ON 37 in seiner Entscheidung über den Antrag des Verpflichteten auf Erhöhung des unpfändbaren Freibetrags - soweit er nicht in Ansehung der Erhöhung um 5.000 S pro Monat in Rechtskraft erwachsen ist - auf und trug dem Erstgericht - unangefochten - die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss in der Abweisung des Antrags des Verpflichteten, die Bezüge als Vertragsarzt "im Umfang der Aufwendungen für die Ordinationsführung" gemäß § 290 Abs 1 Z 1 EO für unpfändbar zu erklären; das Rekursgericht sprach aus, es seien im bestätigenden Teil dieser Entscheidung der ordentliche Revisionsrekurs und im aufhebenden Teil der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig, weil Rsp des Obersten Gerichtshofs zu den behandelten Fragen der Voraussetzungen der Unpfändbarkeit von Bezügen oder Bezugsteilen als Aufwandsentschädigung iSd § 290 Abs 1 Z 1 EO ebenso wie zu den weiteren Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 292a EO fehle.

Weiters hob das Rekursgericht über Rekurs des Verpflichteten den Beschluss ON 41 - unangefochten - insoweit auf, als damit auch der Antrag gemäß § 292a Z 3 EO abgewiesen wurde, und trug dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; den Beschluss auf Abweisung des Antrags auf Unpfändbarerklärung von Aufwendungen nach § 290 Abs 1 Z 1 EO bestätigte das Rekursgericht mit der Maßgabe, dass dieser neuerliche Antrag zurückgewiesen werde; es schob - in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses - die Exekution bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag des Verpflichteten auf Erhöhung des unpfändbaren Freibetrags gemäß § 292a Z 3 EO um monatlich weitere 21.000 S auf, wies hingegen den darüber hinausgehenden Aufschiebungsantrag sowie den im Zusammenhang mit dem Antrag auf Unpfändbarerklärung von Aufwendungen (§ 290 Abs 1 Z 1 EO) ab; es sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung zulässig, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof im aufhebenden Teil; auch die Frage der Aufschiebung in diesem Zusammenhang sei nämlich bisher vom Obersten Gerichtshof nicht behandelt worden.

Die zweite Instanz führte in rechtlicher Hinsicht aus, nach § 290 Abs 1 Z 1 EO seien Aufwandsentschädigungen, soweit sie den in Ausübung der Berufstätigkeit tatsächlich erwachsenden Mehraufwand abgelten, unpfändbar. Diese Bestimmung stelle also auf Forderungen ab, die aufgrund ihrer Zweckwidmung nur "Durchgangsposten" seien. Im Zusammenhang mit den von Sozialversicherungsträgern quartalsmäßig abgerechneten Honoraren für Kassenärzte bestehe die Schwierigkeit darin, dass mit diesen Honoraren neben der persönlichen Tätigkeit des Arztes im Rahmen bestimmter Behandlungen auch sonstige Aufwendungen pauschal abgegolten werden. Um Aufwandsentschädigungen als unpfändbar behandeln zu können, komme es jedoch wesentlich darauf an, dass tatsächlich eine gesonderte Auszahlung der Aufwandsentschädigung erfolge. Wenn dem Arbeitnehmer (oder einem Gleichgestellten) keine Aufwandsentschädigung, sondern nur ein höheres Gehalt bzw sonstiges Entgelt zustehe, das auch die betreffenden Auslagen abdecken solle, so sei dieses nicht abzugsfähig. Damit sei aber der Rechtsauffassung des Erstgerichts beizutreten, dass berufsbedingte Aufwendungen des Verpflichteten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Vertragsarzt nur im Rahmen des § 292a Z 3 EO Berücksichtigung finden könnten. Zur Entscheidung über diesen ebenfalls gestellten Antrag sei jedoch eine Ergänzung des Verfahrens erforderlich.

Der Aufschiebungsantrag des Verpflichteten im Zusammenhang mit dem Antrag auf Unpfändbarerklärung von Bezugsteilen als Aufwandsentschädigung iSd § 290 Abs 1 Z 1 EO sei abzuweisen, weil eine derartige Unpfändbarkeit hier nicht in Betracht komme. Selbst bei einer gegenteiligen Rechtsauffassung wäre eine Gefährdung des Aufschiebungswerbers nicht gegeben. Ein Beschluss nach § 292k Abs 1 Z 2 EO über die Pfändbarkeit von Aufwendungen wirke grundsätzlich zurück, wobei die Krankenkassen als Drittschuldner nach dem eigenen Vorbringen des Verpflichteten ohnedies von ihrem Zurückbehaltungsrecht nach § 292k Abs 2 EO Gebrauch gemacht hätten.

Rechtliche Beurteilung

a) Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist, soweit er sich gegen die Abweisung seines Antrags, die Aufwandsentschädigungen als unpfändbar zu erklären, richtet, zulässig, jedoch nicht berechtigt. Bei den Ansprüchen der Vertragsärzte gegen Sozialversicherungsträger handelt es sich um Einkünfte nach dem Auffangtatbestand des § 290a Abs 1 Z 2 EO, der sich auf Einkünfte aus laufenden, wiederkehrenden Leistungen bezieht, denen kein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Verpflichteten zugrunde liegt (Zechner, Forderungsexekution, § 290a EO Rz 4; Oberhammer in Angst, EO, § 290a Rz 3; Resch in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 290a Rz 7, alle mit Hinweis auf die RV zur EO-Nov 1991, 181 BlgNR 18. GP, 26).

Das Erstgericht hat gemäß § 292k Abs 1 Z 2 EO auf Antrag - bei freier Überzeugung iSd § 273 ZPO - zu entscheiden, ob und inwieweit ein Bezug oder Bezugsteil pfändbar ist, insbesondere auch, ob die Entschädigungen nach § 290 Abs 1 Z 1 EO dem tatsächlich erwachsenden Mehraufwand entsprechen.

Die Vorinstanzen haben den hier vom Verpflichteten gestellten Antrag zutreffend abgewiesen.

Die quartalsweise erhaltenen Bezüge des Verpflichteten als Vertragsarzt der Sozialversicherungsträger stellen keine gemäß § 290 Abs 1 Z 1 EO unpfändbaren Aufwandsentschädigungen dar. Aufwandsentschädigungen müssen als solche bezahlt werden, um unpfändbar zu sein. Ein höheres Entgelt, mit dem der Arbeitnehmer selbst alle zur Erzielung des Arbeitserfolgs notwendigen Auslagen zu decken hat, ist daher auch nicht teilweise als Aufwandsentschädigung im gesetzlichen Sinn zu qualifizieren; diesfalls können derartige Auslagen nur nach einem Antrag gemäß § 292a Z 3 EO zugunsten des Verpflichteten berücksichtigt werden (Zechner aaO § 290 Rz 6; vgl auch Fink/Schmidt/Kurzböck, Handbuch zur Lohnpfändung3 32 f). Zutreffend führte die zweite Instanz aus, § 290 Abs 1 EO stelle auf Bezüge oder Bezugsbestandteile ab, deren Zuordnung schon auf Grund ihrer Widmung und Rechtsgrundlage möglich sei. Auf die nach Auffassung des Verpflichteten (rein) wirtschaftliche Betrachtungsweise kommt es dagegen nicht an.

Über den vom Verpflichteten gestellten Antrag gemäß § 292a Z 3 EO wird - soweit nicht bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt - vom Erstgericht nach der vom Rekursgericht mit nicht angefochtenem Beschluss aufgetragenen Verfahrensergänzung zu entscheiden sein.

b) Der Revisionsrekurs des Verpflichteten gegen die Entscheidung über seinen Aufschiebungsantrag ist nicht zulässig.

Der Antrag des Verpflichteten, dem im Übrigen ohnehin Aufschiebung der Exekution bis zur Entscheidung über seinen Antrag gemäß § 292a Z 3 EO gewährt wurde, seine gepfändeten Forderungen als Kassenarzt für unpfändbar zu erklären, wurde zu a) abgewiesen. Er ist daher durch die Abweisung seines weiteren Aufschiebungsantrags nicht beschwert. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO, §§ 40, 50 ZPO.

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