JudikaturOGH

11Os62/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Juni 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Steindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Arijan K***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 7. Februar 2002, GZ 37 Hv 1013/01z-124, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche und einen Schuldspruch des Mitangeklagten C***** enthält, wurde Arian K***** des (richtig:) teilweise als Beteiligter begangenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 3 SMG (A) und des teilweise im Stadium des Versuchs nach § 15 StGB verbliebenen Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 (zu ergänzen:) Z 1 StGB (E) sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG (B) und nach § 50 Abs 1 Z 1 und Z 2 WaffG (C) schuldig erkannt. Danach hat er in Hallein und anderen Orten

A) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) übersteigenden Menge eingeführt, in Verkehr gesetzt "bzw" dazu beigetragen, und zwar

1. zwischen Dezember 1998 und Jänner 1999 mehrmals insgesamt mindestens 300 Gramm Cannabisharz an Robert S***** übergeben,

2. zwischen Frühjahr 1998 und Mai/Juni 1999 in 16 bis 20 Fällen mindestens 300 Gramm Cannabisharz an Mario W***** übergeben,

3. zwischen November 1998 und Februar 1999 mindestens 180 Gramm Cannabisharz an Gerhard B***** überlassen und zur Übergabe von weiteren 150 Gramm Cannabisharz durch bisher unbekannte Mittäter dadurch beigetragen, dass er die Zeit und den Ort der Übergabe organisierte,

4. zwischen Dezember 1998 und Februar 1999 mindestens 500 Gramm Cannabisharz an Alexandra D***** übergeben,

5. zwischen Frühjahr 1998 und Dezember 1998 sowie im Jänner 1999 in vier Angriffen insgesamt ein Kilogamm Cannabisharz an Peter K***** übergeben,

6. im Frühjahr 1999 und Juni 1999 die gesondert verfolgten Astrid C***** und Nicole R***** sowie eine bislang unbekannte Frau durch die Aufforderung, nach Ceuta zu fahren, dort Suchtgift zu übernehmen und dieses mit dem Fahrzeug nach Österreich zu bringen, wobei er die Beschaffung des Suchtgiftes in Ceuta und den Einbau desselben in das Kraftfahrzeug sowie den Transport organisierte, Astrid C*****, Nicole R***** und bislang unbekannte Täter, die Mitte April 1999 mindestens drei Kilogramm Cannabisharz und im Juni 1999 zwischen 7,5 Kilogramm und 10 Kilogramm Cannabisharz nach Österreich einführten, zu diesen strafbaren Handlungen bestimmt und dazu beigetragen, sowie die genannte Suchtgiftmenge durch Weitergabe an einen Abnehmer im Inland in Verkehr gesetzt,

7. zu einem unbekannten Zeitpunkt rund 10 Gramm Cannabisharz an Daniel M***** überlassen,

8. zwischen Februar 1999 und 15. Juli 1999 wiederholt Unbekannten Cannabisharz an die am 19. Dezember 1981 geborene Nadja E***** übergeben,

9. zwischen März 1998 und Juni 1999 in mehreren Angriffen zum Inverkehrsetzen von mindestens fünf Kilogramm Cannabisharz durch den Mitangeklagten Hacimurat C***** und den abgesondert verfolgten Gerhard B***** dadurch beigetragen, dass er das Suchtgift jeweils besorgte und lieferte,

10. zwischen Sommer und Dezember 1998 wiederholt geringe Mengen Heroin und Kokain sowie am 5. Dezember 1998 ein halbes Gramm Heroin an Anja U***** überließ,

11. zwischen 23. Dezember 1998 und 2. Jänner 1999 in mindestens acht Fällen insgesamt neun Gramm Kokain und ein Gramm Speed an Robert S***** übergab und

12. zwischen April und Mai 1999 in vier Angriffen je zehn Gramm Kokain an Bianca V***** übergab;

B) zwischen 26. Juni 1998 und 30. Juni 2000 den bestehenden

Vorschriften zuwider jeweils kleine Mengen verschiedener Suchtgifte, insbesondere 1,5 Gramm Heroin und 1,4 Gramm Kokain erworben und besessen;

C) Waffen, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt besessen, und zwar

1. im Juli 1999 eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, nämlich die durch Auswechslung des Laufes einschließlich Patronenlagers auf eine scharfe Schusswaffe adaptierte Gaspistole der Marke FEG PA - 63, Kaliber 9 mm,

2. am 5. Juni 2000 eine Stahlrute, sohin eine verbotene Waffe;

E) zwischen April und 15. Juli 1999 wiederholt Anja U***** durch die Äußerung, sie umzubringen, sie heimzudrehen, sie niederzuschießen, wenn sie Anzeige gegen ihn erstatte, wobei sie am 15. Juli 1999 tatsächlich Anzeige erstattete, zu einer Handlung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige genötigt bzw zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist nicht begründet.

Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund (Z 2) macht der Beschwerdeführer geltend, die Aussagen der Zeugen Nadja E*****, Gerhard B*****, Mario W*****, Peter K***** und Bianca V***** vor Gendarmeriebeamten und im Vorverfahren seien zu Unrecht in der Hauptverhandlung verlesen worden, obwohl er sich dagegen verwehrt habe. Ebenso sei ein Protokoll über ein mit Tonband aufgenommenes Gespräch zwischen Revierinspektor S***** und den Zeuginnen Astrid C***** und Nicole R***** in unzulässiger Weise verlesen worden. Warum es sich bei den Protokollen über die Vernehmung der Zeugen und bei der Tonbandaufnahme über die Befragung von zwei Personen um einen nichtigen Vorerhebungsakt handeln sollte, wird in der Beschwerde nicht dargetan und ist aus den Akten auch nicht zu erkennen. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt daher nicht vor. Soweit der Rechtsmittelwerber durch diese Ausführungen den Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO geltend macht, ist er nicht im Recht.

Die Zeugin Nadja E***** wurde von Kriminalbeamten und der Untersuchungsrichterin im Vorverfahren mehrmals vernommen. Am 30. August 2001 wurde sie in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers befragt. Dabei gab sie an, zum Angeklagten "fremd" zu sein. Dann legte sie ihre Aussage ab (S 40 ff/VIII). In einer fortgesetzten Hauptverhandlung am 22. November 2001 sollte sie neuerlich vernommen werden. Sie bezeichnete sich jedoch als Lebensgefährtin des Angeklagten und entschlug sich gemäß § 152 Abs 1 Z 2 StPO der Aussage. Vom Schöffensenat wurde der Entschlagungsgrund nicht anerkannt. Im folgenden Verfahren sowie im Urteil wurde davon ausgegangen, dass zwischen der Zeugin E***** und dem Angeklagten keine Lebensgemeinschaft bestand (S 454 ff/VIII). Daher wurden auch ihre Aussagen vor Polizeibeamten und der Untersuchungsrichterin (gegen den Widerspruch des Verteidigers) in der Hauptverhandlung vom 20. Dezember 2001 verlesen (S 14, 16, 18, 20 f, 23 f, jeweils IX) und im Urteil zu Lasten des Angeklagten verwertet.

Nach dem zu keiner Berichtigung Anlass gebenden Protokoll über die Hauptverhandlung vom 30. August 2001, das vollen Beweis macht, hat sich die Zeugin Nadja E***** als "fremd" zum Angeklagten bezeichnet. Damit bestand für das Gericht kein Grund, sie gemäß § 152 StPO zu belehren. Auch der Angeklagte und sein rechtskundiger Vertreter haben keine Veranlassung für eine entsprechende Antragstellung gesehen. Nadja E***** wurde daher an diesem Tag in Anwesenheit der Parteien vernommen; diese hatten Gelegenheit, sich an der gerichtlichen Vernehmung zu beteiligen. Von ihrem Fragerecht haben sowohl die Staatsanwältin (S 44 f/VIII) als auch der Verteidiger (S 45 f/VIII) Gebrauch gemacht.

Hatten aber die Parteien Gelegenheit sich an der gerichtlichen Vernehmung einer Person zu beteiligen, durften früher aufgenommene Protokolle gemäß § 152 Abs 1 Z 2a StPO auch dann verlesen werden, wenn sich die Zeugin der Aussage in der Hauptverhandlung, wie vom Rechtsmittel behauptet, berechtigt entschlägt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 232), sodass die Beschwerde ins Leere geht. Damit schlägt aber auch die weitere Argumentation in allen Punkten fehl, welche die angebliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Angeklagten und der Zeugin E***** betreffen, weil es sich bei diesem Umstand um keinen für die Klärung der Schuldfrage wesentlichen handelt. Daher wurde der Antrag auf Vernehmung der Zeugin Sadja E***** zum Beweis dafür, dass eine Lebensgemeinschaft bestand, zu Recht abgewiesen (Z 4) und betreffen die diesbezüglichen Einwände in der Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) keinen entscheidungsrelevanten Umstand.

Die schriftliche Übertragung einer Tonbandaufzeichnung eines Telefongespräches zwischen Revierinspektor S***** und den Zeuginnen Astrid C***** und Nicole R***** wurde zwar in der Hauptverhandlung verlesen (S 20/IX), die dabei gemachten Angaben wurden aber im Urteil ausdrücklich nicht verwertet (US 49 und 53), was sogar den Freispruch in einem Anklagefaktum zur Folge hatte. Die Verlesung hatte daher ohne Zweifel keine nachteilige Wirkung für den Angeklagten (§ 281 Abs 3 StPO).

Auch der weitere Einwand, die Aussagen der Zeugen Gerhard B*****, Mario W*****, Peter K***** und Bianca V***** vor der Polizei und im Vorverfahren seien zu Unrecht verlesen worden, weil sie in der Hauptverhandlung von diesen Aussagen nicht abgewichen seien, sondern nur "Richtigstellungen" dahin gemacht hätten, dass der Angeklagte nicht der von ihnen früher bezeichnete Täter sei, versagt. Die Bezeichnung einer anderen Person als Täter stellt nämlich eine Abweichung in einem wesentlichen Punkt dar, sodass deren frühere Aussagen zu Recht verlesen und dann auch in der Entscheidung verwertet wurden.

In der Mängelrüge (Z 5) macht der Beschwerdeführer geltend, die Zeugen Robert S*****, Mario W*****, Gerhard B*****, Alexandra D*****, Peter K*****, Daniel M*****, Anja U***** und Bianca V***** hätten in der Hauptverhandlung ihre ursprünglich belastenden Aussagen revidiert. Mit ihren neuen Angaben hätte sich das Gericht nicht ausreichend auseinandergesetzt.

In Wahrheit haben aber die Tatrichter die Darstellungen der Zeugen ausführlich gewürdigt und dargetan, warum sie den ursprünglichen, den Angeklagten belastenden Aussagen vor der Gendarmerie gefolgt sind (US 46 bis 52). Gegen diese den Gesetzen logischen Denkens nicht widersprechende Beweiswürdigung vermag der Nichtigkeitswerber keine Argumente vorzubringen. Daher stellen die Beschwerdeausführungen nur den unzulässigen Versuch dar, die Beweiswürdigung des Schöffensenates nach Art einer Schuldberufung in Frage zu stellen.

Das Vergehen nach dem Waffengesetz wurde zum Schuldspruch C verurteilt. Das Gericht hat seine Begründung richtig unter dieser Faktenbezeichnung gegeben und nicht unter jener Nummerierung, wie sie von der Anklageschrift gebraucht wurde. Auch zu diesem Faktum hat sich das Erstgericht ausreichend mit allen wesentlichen Beweismitteln auseinandergesetzt und daraus den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechende, den Denkgesetzen nicht widerstreitende Schlüsse gezogen.

Insgesamt liegt demnach ein formeller Begründungsmangel nicht vor. Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) versagt. Der Beschwerdeführer versucht nämlich nur neuerlich unter Hinweis auf die geänderten Aussagen von Zeugen und einzelnen aus dem Zusammenhang gelösten Beweismitteln seiner eigenen leugnenden Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen. Er bekämpft damit wiederum nur unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, zeigt jedoch keine Umstände aus den Akten auf, die nach den Denkgesetzen und nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit als offenbar unbegründet in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.

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