JudikaturOGH

11Os183/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lokay als Schriftführer, in der Strafsache gegen Arnold Erwin L***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12, dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Arnold Erwin L***** und Walter Werner S***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagter gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 24. August 2001, GZ 6 Vr 2352/00-236, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Mag. Holzleithner, des Angeklagten S***** sowie der Verteidiger Mag. Scsibrany und Dr. Trautmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten L*****, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Mitangeklagten Rudolf K***** enthält, wurden

Walter S***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A 1) und des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB (C 1) sowie der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (B 2), des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (C 2.1.) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (C 2.2.) sowie

Arnold L***** des Verbrechens des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A 2) sowie der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 und Z 5 WaffG (B 1) schuldig erkannt.

Danach haben in Graz

A) am 11. August 2000

1. Walter S***** Berechtigten der Volksbank ***** eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld in der Gesamthöhe von 774.740 S, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe mit dem Vorsatz teils weggenommen, teils abgenötigt, sich sowie seinen Komplizen Arnold L***** durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er den Kundenraum maskiert und ein ca 50 cm langes Kleinkaliber-Repetiergewehr der Marke Tosche mit abgesägtem Lauf in Anschlag haltend betrat, die Waffe auf die Bankangestellte Helga A***** richtete und rief:

"Überfall-Geld her!" und "Wo ist das Geld-Geld her!", dann auch die weiteren im Kundenraum anwesenden Bankangestellten Heide W***** und Helmut W***** durch das deutlich sichtbar gehaltene Gewehr bedrohte und teils selbst Banknoten aus der Valutenkasse und einer weiteren Geldlade in einen Plastikeinkaufssack stopfte und teils den Bankangestellten Helmut W***** mit den Worten: "Ich brauche Schilling und kein ausländisches Geld!" zur Herausgabe des Geldes zwang;

2. Arnold L***** zur Ausführung des zu Punkt A 1 beschriebenen bewaffneten Banküberfalls vorsätzlich beigetragen, indem er Walter S***** die Tatwaffe zur Verfügung stellte, sie das Tatvorhaben gemeinsam besprachen und im Detail planten, er Walter S***** im Wissen um den geplanten unmittelbar bevorstehenden Überfall mit seinem Personenkraftwagen in die unmittelbare Tatortnähe brachte und nach der Tat von dort wegführte, wobei er das Fahrzeug lenkte;

B) wenn auch nur fahrlässig unbefugt eine genehmigungspflichtige

Schusswaffe, nämlich das auf eine Lauflänge von 22,5 cm gekürzte und somit nicht die vorgeschriebene Gesamtlänge von 60 cm erreichende Kleinkalibergewehr der Marke Tosche

1. Arnold L*****

1.1. von Anfang bis 13. August 2000 besessen und 1.2. am 11. August 2000 dem (richtig:) Walter S***** überlassen, der zu deren Besitz nicht befugt war;

2. (richtig:) Walter S***** am 11. August 2000 bei dem zu Punkt A) 1 beschriebenen Banküberfall geführt;

C) Walter S*****

1. dem Gregor R***** als Berechtigten einer Tankstelle fremde bewegliche Sachen im Gesamtwert von (richtig:) 5.030,30 S durch Einsteigen in das Tankstellengebäude nach Einschlagen einer Fensterscheibe mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen, wobei er die Diebstähle durch Einbruch in der Absicht vornahm, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1.1. in der Nacht zum 30. Juni 2000 Telefonwertkarten, Zigaretten und Bargeld im Gesamtwert von 2.642,30 S,

1.2. in der Nacht zum 9. August 2000 zwei Packungen Zigaretten und Bargeld im Gesamtwert von 1.938 S,

1.3. in der Nacht zum 10. August 2000 450 S Bargeld;

2. am 7. September 2000

2.1. den Justizwachebeamten Revierinspektor Gerhard G***** mit Gewalt an der Amtshandlung seiner Vorführung zu einer Schöffenverhandlung zu hindern versucht, indem er mit dem vor seinem Körper mit Handschellen gefesselten Händen gegen den Kopf des Beamten schlug und Richtung Haupteingang flüchtete, wobei die Tatvollendung auf Grund der Verfolgung und Überwältigung scheiterte;

2.2. durch die zu C) 2.1. beschriebene Tat den Justizwachebeamten Revierinspektor Gerhard G***** während der Vollziehung seiner Aufgaben vorsätzlich am Körper verletzt, nämlich ihm eine Prellung des Kehlkopfes, eine Verstauchung der Halswirbelsäule und eine Hautabschürfung am dritten Finger der rechten Hand zugefügt. Die Geschworenen hatten die Walter S***** und Arnold L***** betreffenden Hauptfragen (I, II und V bis X des Fragenschemas) bejaht und dabei in Ansehung der nach dem Beitrag des L***** zum bewaffneten Raub gestellten Hauptfrage II, die anklagekonform unter anderem auf eine Besprechung des Tatvorhabens "mit Rudolf K***** und Walter S*****" gerichtet war, die Einschränkung vorgenommen, "ja aber ohne Beteiligung von Rudolf K*****". Die zu dieser Hauptfrage gestellte Eventualfrage nach dem Verbrechen der Hehlerei (III) blieb folgerichtig unbeantwortet. Die den Angeklagten Rudolf K***** betreffende Hauptfrage nach Beitrag zum bewaffneten Raub (IV) war verneint worden.

Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden des Walter S***** gestützt auf Z 4, 6, 8, 9 und 13 sowie des Arnold L***** aus der Z 4 jeweils des § 345 Abs 1 StPO.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Walter S*****:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) ist das im Akt erliegende, über die Hauptverhandlung vom 26. Juni 2001 angefertigte Protokoll (auch) von der Schriftführerin unterschrieben (S 479/IV), sodass die Beschwerde schon aus diesem Grund ins Leere geht. Im Übrigen wäre aber nur die gänzliche Unterlassung der Protokollierung nicht aber das Vorliegen von behebbaren Formfehlern mit Nichtigkeit bedroht (Mayerhofer StPO4 § 271 E 22, 24, 24a).

Unter den Nichtigkeitsgründen der Z 6, 8 und 9 (der Sache nach auch Z 4) des § 345 Abs 1 StPO macht der Angeklagte geltend, die Fragestellung widerspreche § 317 Abs 1 StPO, nach Auftauchen von Zweifeln bei den Geschworenen über die Beantwortung der Fragen sei die Verhandlung entgegen § 328 StPO nicht wieder eröffnet und die Fragen nicht neu abgefasst worden. Ferner hätte der Vorsitzende den Laienrichtern eine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt, "indem er diesen eine Ergänzung bzw Berichtigung des Wahrspruches auftrug". Nachdem bei den Geschworenen während der Beratung Zweifel aufgetreten waren, ob für den Fall des Freispruches von Rudolf K***** bei Bejahung der Hauptfrage II dieser Angeklagte nicht doch mitverurteilt werde, wurde ihnen von dem ins Beratungszimmer gerufenen Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes erläutert, dass im Falle der Verneinung der Hauptfrage IV und der Bejahung der Hauptfrage II es nur notwendig wäre, Rudolf K***** aus der Hauptfrage II zu streichen und in der Begründung anzuführen: "Ja, aber ohne Beteiligung des K*****" (S 139/V). Daraus folgert der Beschwerdeführer, dass auch in der Hauptfrage I die Anführung des Namens von Rudolf K***** zu Unrecht erfolgt sei und daher die Fragestellung zu ändern gewesen wäre. Hiezu ist zunächst anzumerken, dass in der schriftlichen Urteilsausfertigung sowohl (entgegen § 342 StPO) bei der Wiedergabe der Fragen als auch im Schuldspruch die geplante Bereicherung des Rudolf K***** nicht aufscheint.

Dessen ungeachtet ist - ausgehend vom ursprünglichen Fragenschema - dem Rechtsmittelwerber zunächst entgegenzuhalten, dass eine Verletzung des § 328 StPO keinen Nichtigkeitsgrund bildet. Sie kann allerdings § 345 Abs 1 Z 6 StPO verwirklichen, wenn hiedurch die allgemeinen Vorschriften über die Fragestellung verletzt wurden (Mayerhofer StPO4 § 328 E 5). Eine solche wird nicht behauptet und es wird auch nicht angeführt, welche (weiteren) Fragen überhaupt vermisst werden, zumal die Hauptfrage gemäß § 312 Abs 1 StPO immer anklagekonform zu stellen ist. Soweit sich die Beschwerde gegen die eingeschränkt bejahte Hauptfrage II richtet, ist der Angeklagte nicht rechtsmittellegitimiert, weil die Frage nicht ihn sondern seinen Mitangeklagten betrifft. Im Übrigen ist die Antwort der Geschworenen auf diese weder undeutlich noch unvollständig noch in sich widersprechend. Die Vorgangsweise der einschränkenden Bejahung einer Frage entspricht vielmehr dem Gesetz (§ 330 Abs 2 StPO). Die den Laienrichtern erteilte ergänzende mündliche Belehrung orientiert sich an dieser Bestimmung der Strafprozessordnung. Überdies ist eine mündliche Erläuterung nicht unter der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO bekämpfbar, weil Gegenstand einer darauf gestützten Nichtigkeitsbeschwerde nur die schriftlich erteilte Instruktion sein kann (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 2).

Im Übrigen ist die in der Hauptfrage I erwähnte Willensausrichtung des Angeklagten, auch Rudolf K***** zu bereichern, mit der Verneinung von dessen (Beitrags )Täterschaft keineswegs unvereinbar. Der Einwand in der Strafzumessungsrüge (Z 13), die Tatsache, es sei teilweise beim Versuch geblieben, stelle keinen Erschwerungs- sondern einen Milderungsgrund dar, ist durch die Urteilsberichtigung vom 19. Oktober 2001 obsolet geworden.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Arnold L*****:

In seiner Verfahrensrüge (Z 4) behauptet er einen Verstoß gegen § 252 StPO, weil im Zuge der Darstellung von einzelnen (Vor )Strafakten unter anderem ein "vor 20 Jahren erstelltes Gutachten eines Sachverständigen für Psychiatrie verlesen wurde", welches nicht mehr dem aktuellen Stand der Persönlichkeit entspreche. Dabei sei der Grundsatz der Unmittelbarkeit verletzt worden. Es hätte ein neues Gutachten eingeholt werden, jedenfalls aber der seinerzeitige Gutachter befragt werden müssen. Auch sei dem Angeklagten keine Gelegenheit geboten worden, zu dieser Expertise Stellung zu nehmen. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Beschwerde nicht anführt, welches Gutachten aus welchem der zahlreichen Vorstrafakten verlesen worden sein soll. Nach dem über die Hauptverhandlung vom 24. August 2001 verfassten Protokoll, das vollen Beweis macht und dessen Berichtigung nicht einmal begehrt wurde, fand eine Verlesung eines vor 20 Jahren erstellten Gutachtens überhaupt nicht statt. Die Anfechtung geht daher ins Leere. Die Einholung einer Expertise aus dem Fachgebiet der Psychiatrie wurde nicht beantragt. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Geschworenengericht verhängte unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB über beide Angeklagte eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren, wobei es bei Walter S***** auch § 39 Abs 1 StGB anwendete (US 14) und gemäß §§ 31, 40 StGB auf ein Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7. September 2000, AZ 12 Vr 2389/00, Bedacht nahm.

Bei der Strafzumessung wertete es bei Walter S***** als erschwerend das durch elf einschlägige Vorstrafen getrübte Vorleben, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen- mit drei Vergehenstatbeständen, die mehrfache Begehung von Einbruchsdiebstählen sowie den raschen Rückfall, als mildernd das Teilgeständnis und die Tatsache, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist; bei Arnold L***** als erschwerend das durch achtzehn einschlägige Vorstrafen getrübte Vorleben und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd keinen Umstand.

Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufungen beider Angeklagter und der Staatsanwaltschaft, wobei Erstere eine Herabsetzung der Strafe beantragen, die Anklagebehörde jedoch deren Erhöhung. Beide Begehren sind nicht im Recht.

Dem Einwand des Angeklagten S*****, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, sei zu Unrecht als erschwerend gewertet worden, wurde durch die bereits angeführte Berichtigung des Urteils der Boden entzogen.

Im Sinne der Berufung des Arnold L***** ist bei ihm das Tatsachengeständnis zum Besitz einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe als mildernd zu werten, bei beiden Angeklagten die teilweise objektive Schadensgutmachung durch Sicherstellung der Beute.

Dem steht jedoch - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend aufzeigt - gegenüber, dass der Raubüberfall sorgfältig vorbereitet und rücksichtslos ausgeführt wurde, wobei Walter S***** drei Bankangestellte mit einer schussbereiten Waffe bedrohte. Neben den vom Geschworenengericht herangezogenen generalpräventiven Gesichtspunkten kommt vorliegend insbesondere der Spezialprävention besonderes Gewicht zu. Beide Angeklagten sind mehrfach massiv einschlägig vorbestraft, sie haben langjährige Freiheitsstrafen verbüßt und sind dessen ungeachtet rasch wieder rückfällig geworden. Auch der Angeklagte L***** hat sich seit seiner letzten Entlassung aus dem Strafvollzug im Jahr 1997 nicht straffrei gehalten, sondern wurde er bereits im Jahr 1998 wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt, welche erst im Jahr 2000 vollzogen wurde. Von einem längeren Wohlverhalten kann daher auch bei ihm nicht die Rede sein. Aus dem Vorleben der Angeklagten ergibt sich jeweils eine besondere Gefährlichkeit, welcher nur durch eine relativ hohe Freiheitsstrafe begegnet werden kann. Für eine Herabsetzung der Strafe besteht daher kein Anlass.

Die vom Geschworenengericht ausgemessenen Strafen werden aber insgesamt der hohen persönlichen Täterschuld und dem Unrechtsgehalt der Taten gerecht, sodass auch für eine Erhöhung der Freiheitsstrafen kein Grund besteht.

Es war somit auch den Berufungen ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.

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