11Os181/01 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lokay als Schriftführer, im Verfahren zur Unterbringung des Christian K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. Oktober 2001, GZ 13 Hv 1044/01g-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, des Betroffenen Christian K***** sowie dessen Verteidiger Dr. Rohracher zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Christian K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil er in der Nacht zum 8. März 2001 in Grafendorf bei Hartberg unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht (desorganisierte Schizophrenie), seiner Großmutter Maria G***** durch Versetzen mehrerer gezielter Schläge mit einer Holzhacke, die neben einer Hackverletzung am linken Handrücken und zahlreichen Blutergüssen sowie Prellungen am gesamten Körper auch einen Bruch des Grundgliedes des linken Zeigefingers zur Folge hatten, eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt und somit eine Tat begangen hat, die ihm außer diesem Zustand als das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB zuzurechnen gewesen wäre.
Dieses Urteil bekämpft der Betroffene mit auf die Gründe der Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, welcher jedoch keine Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Die als Verfahrensmangel (Z 4) reklamierte Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugin Dr. Z***** zum Beweis dafür, dass “unter psychosozialer Betreuung” die Begehung einer Prognosetat iSd § 21 Abs 1 StGB nicht zu befürchten sei, betrifft die Gefährlichkeitsprognose, somit eine Ermessensentscheidung, und kann daher nur mit Berufung geltend gemacht werden (vgl Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 21 - 25 Rz 11). Die entgegen der - nicht nichtigkeitsbewehrten - Vorschrift des § 431 Abs 1 StPO unterbliebene Zustellung des Einweisungsantrages und sämtlicher anderer gerichtlicher Entscheidungen und Ladungen an die Sachwalterin des Betroffenen wiederum stellt weder den angerufenen (Z 4) noch einen anderen Nichtigkeitsgrund dar.
Die Absicht des Beschwerdeführers, das Tatopfer schwer zu verletzen, ergibt sich hinreichend deutlich aus der Tathandlung selbst, nämlich dem Führen wuchtiger und gezielter Schläge mit einer Hacke gegen den Körper einer mehr als siebzigjährigen Frau, weshalb es der Mängelrüge (Z 5) zuwider keiner zusätzlichen Begründung der subjektiven Tatseite bedurfte, zumal die Verantwortung des Betroffenen, er habe seiner Großmutter nur Angst einjagen wollen, von den Tatrichtern in ihre beweiswürdigenden Erwägungen mit einbezogen wurde (US 4). Mit dem in der Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) weiters erhobene Einwand fehlender Begründung der konstatierten Verletzungen des Tatopfers übergeht die Beschwerde die Verletzungsanzeige des Landeskrankenhauses Hartberg (S 113), auf welche sich das Schöffengericht ausdrücklich bezog (US 4). In der Bezeichnung der darin als “Rissquetschwunde” beschriebenen Verletzung am linken Handrücken als “Hackverletzung” aber liegt keine sinnentstellte (und nur dann aktenwidrige) Wiedergabe eines Beweisergebnisses und begründet daher weder einen Mangel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO noch Bedenken gegen die Richtigkeit entscheidungsrelevanter Tatsachen (Z 5a).
Die formell ebenfalls auf die beiden letztgenannten Nichtigkeitsgründe gestützte, der Sache nach aber der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO zuzuordnende Subsumtionsrüge, mit welcher die Beurteilung des Bruches des Grundgliedes des Zeigefingers als an sich schwere Verletzung kritisiert wird, geht fehl: Nach gefestigter Rechtsprechung sind Knochenbrüche im Allgemeinen immer als an sich schwere Verletzungen anzusehen, es sei denn, es handle sich nur um einen kleinen Knochen von geringer Bedeutung, wie etwa beim Bruch des Grundgliedes der dritten Zehe (ZVR 1977/49) oder bei einem einfachen Nasenbeinbruch ohne Dislokation (EvBl 1977/224). Dagegen wurde der Bruch des Mittelgliedes des Zeigefingers ebenso als an sich schwere Verletzung gewertet (Mayerhofer StGB5 § 84 E 11) wie der Bruch der großen Zehe (ZVR 1995/148). Insgesamt ergibt sich hieraus, dass die bestrittene Qualifikation vom Schöffengericht irrtumsfrei bejaht wurde.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Die in der (unrichtig als “Schuldberufung” bezeichneten) Berufung erhobenen Einwendungen gegen die Gefährlichkeitsprognose sind im Ergebnis ebenfalls unbegründet.
Nach § 21 Abs 1 StGB ist der für die Anlasstat mangels Zurechnungsfähigkeit nicht verantwortliche Betroffene in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wenn nach seiner Person, seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, dass er sonst unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.
Determinanten für die Erstellung der Gefährlichkeitsprognose sind demnach die Persönlichkeit des Täters, sein Zustand und die Anlasstat. Die hiezu erforderlichen Feststellungen wurden vom Erstgericht getroffen und insbesondere unter Hinweis (US 6) auf die Gutachten der beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen Dr. Ho***** (ON 24 und S 323 ff) und Dr. Hu***** (ON 14 und S 328 ff) mängelfrei begründet. Auf deren Ausführungen (S 324 und 330) stützt das Schöffengericht (US 6) auch die Annahme der “großen Gefährlichkeit” und der Befürchtung, dass der Betroffene unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abnormität eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde (US 7). Die vom Berufungswerber vermisste Konkretisierung der Prognosetat ergibt sich aus dem Verweis auf die Anlasstat (US 7 oben) und die Gutachten der Sachverständigen, aus denen diese Schlussfolgerung unmissverständlich hervorgeht.
Damit war auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.