JudikaturOGH

11Os167/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. März 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. März 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lauermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Irene W***** wegen des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB über den Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung ihrer Rechtsmittel nach Anhörung der Generalprokuratur den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Wiedereinsetzung wird bewilligt.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht wurde Irene W***** des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15 Abs 1, 169 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Dieses Urteil wurde der Angeklagten, die innerhalb offener Frist die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung angemeldet hatte (ON 58), zu Handen ihres Wahlverteidigers Mag. Clemens A***** am 4. Juli 2001 zugestellt (RS zu S 388/II). Nachdem dieser das Vollmachtsverhältnis am 16. Juli 2001 gelöst und hievon das Landesgericht Feldkirch mit Schriftsatz vom selben Tag verständigt hatte (ON 60), beantragte Irene W***** am 31. Juli 2001 die Bewilligung der Verfahrenshilfe für das Rechtsmittelverfahren (ON 61). Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 12. September 2001 abgewiesen; zugleich wurde ihr für das Rechtsmittelverfahren gemäß § 41 Abs 3 StPO ein Amtsverteidiger beigegeben (ON 62), der von der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer mit Bescheid vom 4. Oktober 2001 in der Person des Rechtsanwaltes Dr. P***** bestellt wurde (S 409/II).

Der Beschluss ON 62 wurde neben der Staatsanwaltschaft nur der Angeklagten (am 18. September 2001) zugestellt (S 405, 406/II), während Dr. P***** am 9. Oktober 2001 lediglich das Urteil sowie das Hauptverhandlungsprotokoll ON 56 "zur Ausführung der Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Strafberufung binnen vier Wochen" erhielt (S 406/II).

Vom Amtsverteidiger unter Hinweis auf die (daher) bis zum 5. November 2001 auszuführenden Rechtsmittel um Kontaktaufnahme gebeten ersuchte Irene W***** am 17. Oktober 2001 Mag. A***** um die neuerliche Übernahme der Verteidigung, der hierüber Dr. P***** mit dem Bemerken informierte, dass er selbst die Rechtsmittel ausführen werde. Am 29. Oktober 2001 wies die Vorsitzende des erkennenden Schöffensenates den Wahlverteidiger Mag. A***** telefonisch auf den nach § 43a StPO bereits am 18. Oktober 2001 eingetretenen Ablauf der Ausführungsfrist hin, regte aber zugleich wegen der mit der Zustellung des Urteils an den Amtsverteidiger rechtsirrig bekanntgegebenen Ausführungsfrist die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages an (ON 65).

Rechtliche Beurteilung

Der sodann eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag ist begründet. Gemäß § 285 Abs 1 StPO ist die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (und gemäß § 294 Abs 2 StPO die Ausführung der Berufung) binnen vier Wochen nach Zustellung des Urteils zu überreichen. Beantragt der Angeklagte innerhalb dieser Frist die Beigabe eines Verteidigers nach § 41 Abs 2 StPO, so beginnt diese Frist (...) gemäß § 43a erster Satz StPO mit der Zustellung des diesen Antrag abweisenden Beschlusses an den Beschuldigten von neuem zu laufen. Vorliegendenfalls endete sie daher mit Ablauf des 18. Oktober 2001, weshalb die am 2. November 2001 zur Post gegebene Rechtsmittelausführung (ON 66) verspätet eingebracht wurde.

Gegen die Versäumung dieser Frist ist gemäß § 364 Abs 1 Z 1 StPO (idF BGBl 1993/526) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn nachgewiesen wird, dass es aufgrund eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses unmöglich war, die Verfahrenshandlung vorzunehmen, es sei dann, dass dem Beschuldigten oder seinem Vertreter ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt.

Der zur Diskussion stehende Wiedereinsetzungsantrag wird damit begründet - und durch entsprechende Erklärungen (S 422/II, Beilagen zu ON 66) auch nachgewiesen -, dass weder dem Wahl- noch dem Amtsverteidiger die Zustellung des den Antrag der Angeklagten auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers abweisenden Beschlusses bekannt war und die Angeklagte selbst auf die Richtigkeit der ihr vom Amtsverteidiger mitgeteilten Frist zur Ausführung der Rechtsmittel (bis zum 5. November 2001) vertraut hatte.

Da die dem Gesetz nicht entsprechende Berechnung der Ausführungsfrist auf einer Fehlinformation des Gerichtes beruht - welche nach ständiger Judikatur einem unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignis gleichzuhalten ist (Mayerhofer StPO4 § 364 E 58, 64) - liegt der wahre Grund der Versäumnis der Ausführungsfrist darin, dass die Angeklagte den Wahlverteidiger über die Ablehnung ihres Antrages nicht informierte. Dies ist aber nach Lage des Falles nur als minderer Grad des Versehens der rechtsunkundigen Angeklagten zu beurteilen, welches der Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages, mit dem auch die versäumte Prozesshandlung nachgeholt wurde, nicht entgegensteht (§ 364 Abs 1 Z 1 StPO).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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