4Ob36/02a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des ***** mj. Phillip D*****, vertreten durch die Mutter Mag. Daniela D*****, diese vertreten durch Dr. Peter Zawodsky, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses des Vaters Gunther P*****, vertreten durch Dr. Klaus Estl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 20. Dezember 2001, GZ 21 R 365/01z 38, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 5. Oktober 2001, GZ 21 P 19/00h 35, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.
Text
Begründung:
Der mj. Phillip D***** ist der uneheliche Sohn von Mag. Daniela D***** und Gunther P*****, der die Vaterschaft am 13. 4. 1988 anerkannt hat. Die Obsorge kommt der Mutter alleine zu (§ 166 ABGB). Der Vater war seit 1997 bis 1. 2. 2000 bei einem Unternehmen in Anthering mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 24.885 S zuzüglich zweier Sonderzahlungen berufstätig. Im September 1998 erhielt er eine Abfertigungszahlung von 287.026 S netto. Vom 1. 2. 2000 bis 28. 8. 2000 bezog er Arbeitslosengeld einschließlich eines Familienzuschlags für den mj. Phillip von 510,60 S täglich. Dieser Leistungsbezug des Arbeitsmarktservices Salzburg wurde ab 29. 8. 2000 wegen Abreise des Vaters ins Ausland eingestellt. Seit 13. 11. 2000 ist der Vater in einer OEG mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt und verdient dort monatlich netto 8.658 S, dies 14 mal jährlich. Außer für den mj. Phillip trifft ihn keine weitere Sorgepflicht.
Der minderjährige Phillip, der auch in psychotherapeutischer Behandlung steht (deren Kosten von der Mutter als Sonderbedarf geltend gemacht wurden, über deren Antrag die Vorinstanzen rechtskräftig entschieden haben), wird im Haushalt der Mutter betreut.
Der Vater wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 29. 3. 2000 ab 1. 3. 2000 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 3.200 S verpflichtet. Am 13. 4. 2000 beantragte der Minderjährige die rückwirkende Erhöhung der monatlichen Unterhaltsleistung des Vaters vom 1. 5. 1997 bis 1. 2. 2000 auf 5.000 S.
Der Vater sprach sich gegen diesen Antrag aus.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater, zum rückwirkenden Unterhalt des Minderjährigen vom 1. 5. 1997 bis 31. 1. 2000 insgesamt 46.200 S (das sind monatlich 5.000 S abzüglich bereits geleisteter Unterhaltszahlungen von monatlich 3.600 S) zu zahlen. Unter Einbeziehung der auf insgesamt drei Jahre aufzuteilenden Sonderzahlung habe sich das monatliche Nettoeinkommen des Vaters ab 1. 10. 1998 jeweils um 7.972,94 S erhöht. Damit sei der Vater in der Lage, den begehrten rückwirkenden Unterhalt für den Mj zu zahlen. Der festgesetzte Unterhaltsbetrag liege zwar über dem Durchschnittsbedarf von gleichaltrigen Kindern, jedoch noch unter dem (von der Rechtsprechung angewandten) Prozentsatz. Der Minderjährige habe das Recht, an den guten wirtschaftlichen Verhältnissen des Vaters in diesem Zeitraum entsprechend teilzuhaben.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte weiters aus, der Argumentation des Vaters, in Anknüpfung an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, sei die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe teilweise auf den Unterhaltsanspruch des Minderjährigen anzurechnen, sei nicht zu folgen. Es erscheine schon im Ansatz verfehlt, steuerrechtliche Entlastungseffekte mit den Mitteln des Unterhaltsrechts zu Lasten des Kindes herbeiführen zu wollen, zumal "als eigene Einkünfte" im Sinne des § 140 Abs 3 ABGB grundsätzlich nur das angesehen werden könne, was dem Kind - sei es als Naturalleistung, etwa aufgrund eines Nießbrauchs oder an Geldleistungen, welcher Art immer - aufgrund eines eigenen Rechtstitels zukomme; es werde in der Diskussion zu den zitierten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs (vgl VfGH B 1340/00), soweit diese für das Rekursgericht überblickbar sei, gar nicht behauptet, dass die Familienbeihilfe dem Kind kraft eigenen Rechts zustünde. Das unterhaltsberechtigte Kind könne folgerichtig auch die Herausgabe der Familienbeihilfe nicht verlangen. Aufgrund dieser Rechtslage scheine die Bestimmung des § 12a FLAG im Gegensatz etwa zur Rechtslage bei der einen eigenen Anspruch des Kindes bildenden Studienbeihilfe, die kraft Gesetzes kein den Unterhaltsanspruch minderndes Eigeneinkommens des unterhaltsberechtigten Kindes sei (§ 1 Abs 4 StudFG), bloß deklarativ zu sein, weil es einer ausdrücklichen Nichtanrechnungsvorschrift auf den Kindesunterhalt im Hinblick auf § 140 Abs 3 ABGB wohl nur bedurft hätte, wenn die Familienbeihilfe als eigener Anspruch des Kindes anzusehen wäre. Das Rekursgericht sehe weiterhin keine Veranlassung dafür, die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe für den Minderjährigen auf dessen Unterhaltsanspruch auch nur teilweise anzurechnen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters. Er ficht die Entscheidung insoweit an, als dem Antrag auf rückwirkende Unterhaltserhöhung stattgegeben wurde. Er macht geltend, dass die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe - wie nach der deutschen Rechtslage und Judikatur - zumindest zur Hälfte auf den Kindesunterhalt anzurechnen sei, wie dies im Grunde auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, zu erkennen gegeben habe.
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B VG (Art 140 B VG) beantragt, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind bereits weitere Anträge gefolgt, so dass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts in der weitaus überwiegenden Zahl der Unterhaltsbemessungsverfahren auswirkt.
Der Verfassungsgerichtshof hat in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B VG ausgesprochen, dass die angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (s VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre ein unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof - sollte er § 12a FLAG aufheben - nicht auch in bereits anhängigen Verfahren aussprechen, dass die Bestimmung nicht bloß im jeweiligen Anlassfall, sondern auch in allen übrigen Fällen nicht mehr anzuwenden ist. Mit Beschluss vom 9. März 2002, G 7/02 6, hat der Verfassungsgerichtshof in Fall einer Aufhebung des § 12a FLAG bei der Entscheidung über die Anlassfallwirkung in Aussicht genommen, die Anlassfallwirkung auf die rechtlich gleichgelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren zu erstrecken.
Ist nun davon auszugehen, dass der Verfassungsgerichtshof im Fall der Aufhebung des § 12a FLAG die Anlassfallwirkung auf die anderen Verfahren erstrecken wird, sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren präjudiziell für das vorliegende Verfahren, weil sich bei einer Aufhebung des § 12a FLAG der Unterhaltsbeitrag durch Berücksichtigung der Familienbeihilfe entsprechend vermindern wird.
Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung, widersprechende Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern, auch im vorliegenden Fall zutrifft.
Das Verfahren war daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung des § 12a FLAG zu unterbrechen.