12Os101/01 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Jänner 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lauermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef F***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. Juni 2001, GZ 23 Vr 3432/00-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die beiderseitigen Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Josef F***** wurde der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I. 1 bis 3), der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II. 1 und 2), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB (II. 3), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (III. 1 bis 3), der wiederholt begangenen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (IV. 1 und 2) und der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 und Z 2 WaffG (V.) schuldig erkannt.
Demnach hat er Michaela R*****
I. vorsätzlich am Körper verletzt und an der Gesundheit geschädigt, und zwar:
1) am 9. 3. 2000 in Graz durch Schläge gegen den Hinterkopf, die Arme und Beine und gegen den Rücken (Hämatome, Prellungen und Schwellungen),
2) Ende März 2000 zwischen Krieglach und Weißenkirchen durch Schläge mit der Faust gegen den Hinterkopf und insbesondere auf die Schulterblätter (Hämatome, Schwellungen und Prellungen),
3) von Anfang April 2000 bis Mitte November 2000 in Graz und anderen Orten in zahlreichen Tatbegehungen durch Schläge und Tritte gegen den Kopf, Rumpf und Extremitäten, was massive Schwellungen, Prellungen und Hämatome nach sich zog,
II. durch gefährliche Drohungen zu folgenden Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen genötigt:
1) Ende März 2000 zwischen Krieglach und Weißkirchen, nachdem er ein Messer geholt und zum Einsatz gegen Michaela R***** bereit gelegt hatte, durch die Ankündigung, wenn sie noch einmal etwas Falsches sage, werde er ihr in den Oberschenkel stechen, zu der Unterlassung, Kritik an ihm zu äußern und über ihre Angst vor ihm zu sprechen,
2) zwischen März 2000 und Mitte November 2000 in Graz und anderen Orts wiederholt durch die Ankündigungen, ihrer Mutter, jemandem aus ihrer Familie oder ihr selbst werde etwas passieren, wenn sie der Familie vom Verhalten des Josef F***** ihr gegenüber Mitteilung mache, zur geforderten Unterlassung,
3) Ende Oktober/Anfang November 2000 in Graz und auf der Fahrt Richtung Judenburg durch die Ankündigung, er werde sie verdreschen und wenn sie einen Fehler mache, werde sie die dreifache Menge an Schlägen erhalten, dazu, sich wie eine Prostituierte zu kleiden, und mit ihm im PKW von Graz in Richtung Judenburg zu fahren und einzuwilligen, künftig für ihn als Prostituierte zu arbeiten, wobei er sie längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte und mit der Vernichtung ihrer gesellschaftlichen Stellung drohte,
III. gefährlich mit dem Tod oder einer erheblichen Verstümmelung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen und die Bedrohte durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt, und zwar:
1) zwischen Anfang April und Mitte November 2000 in Graz durch die wiederholten Ankündigungen, er werde ihr mit einem Buschmesser den Kopf abschneiden, wobei er teilweise auch mit einer Machete gegen ihren Hals zeigte, und die Ankündigungen, er werde mit einem Baseballschläger ihre Kniescheiben zertrümmern, wobei er mit einem Baseballschläger hantierte,
2) im Sommer 2000 auf der Fahrt von Graz nach Klagenfurt durch die Ankündigung, er werde sie nun erschießen, wobei er eine Schusswaffe mit sich führte,
3) vermutlich im Oktober 2000 in Graz durch die Frage, ob er ihr den Schädel an der Mauer zertrümmern solle, wobei er zur Verstärkung der Drohung an ihren Haaren und einem Ohr zerrte,
IV. zwischen Sommer und Mitte November 2000 wiederholt in Graz und anderenorts im Hinblick auf die wiederholt grundlos geäußerten Todesdrohungen und seine stets bekundete Gewaltbereitschaft, daher durch Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben und mit Gewalt durch das Verabreichen von Schlägen gegen den Körper, zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich zur Duldung der analen und vaginalen Penetration und zur Vornahme von Oralverkehren genötigt,
V. wenn auch nur fahrlässig:
1) von 1995 bis 5. 12. 2000 in Graz und anderenorts unbefugt eine genehmigungspflichtige Schusswaffe besessen und geführt, nämlich eine Pistole MAB, Modell D, Kaliber 9 mm, Nummer A 99152,
2) seit einem unbekannten Zeitpunkt bis 5. 12. 2000 eine verbotene Waffe unbefugt besessen, und zwar eine Manrikigusari. Der allein gegen die Schuldspruchfakten (richtig:) II. 3, III. 1 bis 3 und IV. aus § 281 Abs 1 Z 5, "9" und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Da das Erstgericht zu den Fakten II. und III. jeweils mit tragfähiger Fundierung feststellte, dass der Angeklagte die Bedeutungsinhalte der gegen Michaela R***** gerichteten Drohungen durch Ansetzen, Ergreifen oder bloßes Bereitlegen der für den angedrohten Gewalteinsatz in Betracht kommenden Mittel und durch begleitende Anwendung von - gegenüber der angedrohten geringerwertiger - Gewalt, unterstrich (II. 1, III. 1 bis 3 iVm US 8, 10 f, 17 f), war die von der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt vermeintlich bloß milieubedingter Unmutsäußerung relevierte Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen, wonach es "teilweise glaubhaft" sei, dass der Angeklagte "den drohenden Gehalt seiner Worte und Gesten weit weniger gravierend empfand" als deren Adressat, sowie zur Verrohung des Wortschatzes des Angeklagten und seiner Tendenz zur "Verniedlichung von Verhaltensweisen" (Z 5) nicht erörterungsbedürftig. Entgegen der Beschwerde haben die Tatrichter die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Beschwerdeführers, die Zeugin R***** durch die gefährliche Bedrohung nachhaltig in Furcht und Unruhe zu versetzen (III.), insgesamt unmissverständlich, insbesondere auch durch die Hinweise auf den drohungsaggravierenden partiellen Einsatz der zur Opfereinschüchterung bezogenen Mittel bzw auf die gezielte Dosierung der teilweise auch tatsächlich begonnenen Verwirklichung der angedrohten Gewalt (US 18), zum Ausdruck gebracht, weshalb die auf einen dazu behaupteten Feststellungsmangel gegründeten weiteren Rechtsmittelausführungen auf sich zu beruhen haben. Die zur inneren Tatseite konstatierte Ernsthaftigkeit der Drohungen mit dem Tod kann - als dem Tatsachenbereich zugeordnet - im Rahmen einer Rechtsrüge (hier nominell "Z 9", sachlich Z 10) nicht in Richtung einer Drohung mit bloßer Misshandlung oder Körperverletzung umgedeutet werden (12 Os 148/00).
Auch die Beschwerdeeinwände, das angefochtene Urteil bringe "keinen direkten Bezug zwischen den angenommenen Verletzungshandlungen, Nötigungen und gefährlichen Drohungen mit den vorgenommenen Vergewaltigungen" zur Darstellung und lasse dazu ferner hinreichende Feststellungen zu den subjektiven Tatbestandserfordernissen nicht erkennen, übergehen die konträren Urteilsannahmen (US 12 f). Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Faktum II. 3 ausreichende Tatkomponenten zur Qualifikation nach § 106 Abs 1 Z 1 StGB vermisst, weil die als Mittel der Nötigung zur Prostitution eingesetzte gefährliche Drohung nur dann als Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung gewertet werden könne, wenn sie mit der Ankündigung der Information des sozialen Umfeldes von dieser Tätigkeit des Tatopfers zusammentreffe, lässt die (auch) diesen Qualifikationsaspekt beinhaltenden erstinstanzlichen Feststellungen unberücksichtigt, wonach die Zeugin R***** in Judenburg wohnhaft war und der Beschuldigte ankündigte, er werde sie in ein Bordell in dieser Stadt bringen (US 6, 10).
Gleiches gilt für die Problematisierung der Annahme der Versetzung der Bedrohten in einen längere Zeit hindurch anhaltenden qualvollen Zustand (§ 106 Abs 1 Z 2 StGB), die - unsubstantiiert - auf ein (bloß) demütigendes Verhalten des Angeklagten abstellt, jene vom Schöffengericht konstatierten Tatmodalitäten, die über die im Urteilssatz individualisierten hinausgehen, jedoch ebenso unberücksichtigt lässt, wie die Dauer der inkriminierten Einwirkung des Angeklagten auf die Zeugin (PKW-Fahrt von Graz bis kurz vor Judenburg).
Eine gesetzmäßige Darstellung verfehlen letztlich auch die Einwände vermeintlich mangelnder Feststellungen als Drohung mit schwerer Gefahr für Leib oder Leben im Sinn des § 201 Abs 1 StGB (IV.) geeigneter "direkter bloßer (verbaler) Äußerungen", und zum entsprechenden Tatvorsatz, die jeweils nicht am gesamten Urteilssachverhalt festhalten:
Denn zum einen leitete das Erstgericht aus den Verfahrensergebnissen ab, dass die Bedrohungssituation für die Zeugin durch die unter I. bis III. zur Verurteilung gelangten Tathandlungen des Angeklagten, aber auch durch dessen darüber hinausgehendes gewalttätiges und -bereites Verhalten so eklatant war, dass sich auch bei mangelnder Verknüpfung einzelner Nötigungs- mit einzelnen Vergewaltigungsakten bei jedem der erzwungenen dreißig Vergewaltigungen eine gegenwärtige schwere Gefahr für Leib und Leben der Zeugin manifestierte(US 18), zum andern stellte es fest, dass der Angeklagte die tatbestandsessentielle vorsätzliche Beugung des Willens der Zeugin R***** dadurch gezielt effektuierte, dass er sein zu den Schuldspruchfakten I. bis III. beschriebenes Verhalten intensivierte und solcherart im Tatzeitraum aus Opfersicht ein permanentes Klima umfassender Angst und Einschüchterung schuf (US 12 f). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285a, 285d StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.