JudikaturOGH

3Ob170/01y – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef P***** , vertreten durch Dr. Norbert Grill, Rechtsanwalt in Jenbach, gegen die beklagte Partei Christoph P*****, vertreten durch Dr. Kurt Weinreich, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 14. März 2001, GZ 7 R 375/00b-34, womit infolge Rekurses der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 6. November 2000, GZ 9 C 14/98k-28, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird dahin Folge gegeben, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Republik Österreich hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen und hat der klagenden Partei die mit S 9.135,-- (darin S 1.522,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der am 8. 10. 1980 geborene Beklagte bezog in der Zeit vom 1. 8. 1992 bis zum 31. 7. 1998 Unterhaltsvorschüsse von monatlich S 2.550,--. Mit Beschluss vom 29. 7. 1998 bewilligte das Erstgericht dem damals noch minderjährigen und vom zuständigen Jugendwohlfahrtsträger vertretenen Beklagten gegen den Kläger, seinen Vater, die Forderungsexekution zur Hereinbringung eines vollstreckbaren Unterhaltsrückstandes von S 163.700,-- und des laufenden Unterhaltes von monatlich S 2.550,-- ab 1. 8. 1998.

Mit seiner Oppositionsklage machte der Kläger einerseits Verjährung der Unterhaltsforderungen für die Zeit bis zum 31. 7. 1995 und andererseits das Erlöschen des Anspruches ab diesem Zeitpunkt wegen Selbsterhaltungsfähigkeit geltend.

Mit Beschluss vom 3. 2. 1999 schränkte das Erstgericht auf Antrag des durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretenen Beklagten die Exekution auf den rückständigen Unterhalt ein. Die Zustellung dieses Beschlusses erfolgte teils im Februar, teils im März 1999. Im Zuge des Oppositionsprozesses leistete der Kläger - vom Beklagten unbestritten - S 30.600,-- auf den Unterhaltsrückstand für August 1995 bis Juli 1996. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 1. 4. 1999 schlossen die Parteien des Oppositionsprozesses einen bedingten Vergleich, nach welchem beide Parteien beantragten, die Forderungsexekution einzustellen und der Beklagte erklärte, zukünftig nur mehr S 90.000,-- zu betreiben und auf die Geltendmachung eines darüber hinausgehenden Betrages zu verzichten. Weiters würden ab 1. 8. 1998 keine Unterhaltsbeträge mehr verlangt. Schließlich verpflichtete sich der Beklagte, bis zum 1. 6. 1999 gegen den Kläger keine Exekutionshandlungen zu setzen. Der Vergleich wurde nicht widerrufen.

Mit Beschluss vom 29. 4. 1999 stellte das Erstgericht die Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 6 EO ein. Der Beschluss wurde den Parteien und dem Drittschuldner im Mai 1999 zugestellt. Am 25. 5. 1999 erklärte das Erstgericht diesen Beschluss für rechtskräftig und vollstreckbar. Am 16. 10. 2000 - der Beklagte war inzwischen volljährig geworden - langte ein Antrag der Republik Österreich (Präsident des Oberlandesgerichtes Wien), vertreten durch die Finanzprokuratur beim Erstgericht ein, mit dem diese die Fortsetzung des Oppositionsverfahrens nach Aufhebung der Rechtswirksamkeit des abgeschlossenen Vergleiches beantragte.

Das Erstgericht wies den Fortsetzungsantrag zurück. In der Begründung führte es aus, dass ein Eintrittsrecht des Bundes in den Oppositionsprozess aus dem UVG nicht ableitbar sei. Selbst wenn man aber § 31 UVG extensiv auslege, könne der Bund nur in anhängige Unterhaltsstreitigkeiten eintreten. Da jedoch das Exekutionsverfahren bereits beendet sei, sei der Oppositionsprozess keine anhängige Unterhaltsstreitigkeit mehr. Nach § 214 Abs 2 ABGB bedürfe der Jugendwohlfahrtsträger zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung des Gerichtes. Da im vorliegenden Fall nicht mehr geklärt werden könne, ob objektiv ein Verzicht des damals Minderjährigen vorgelegen sei, könne man nicht von einem Unterhaltsverzicht sprechen. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem gegen den erstgerichtlichen Beschluss erhobenen Rekurs der Republik Österreich Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

In seiner Begründung befasste sich das Rekursgericht ausschließlich mit der Frage, ob ein Antrag auf Einstellung des Exekutionsverfahrens gestützt auf einen Vergleich in die Kompetenz des Jugendwohlfahrtsträgers falle, und verneinte dies. Für diese Rechtsansicht berief sich das Rekursgericht auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ZIK 1996, 139, wonach ein Unterhaltsverzicht auch bei Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedürfe, ohne die ein solcher Vergleich rechtlich bedeutungslos sei (EFSlg 78.110). Dem Vergleich liege aber hier ein Unterhaltsverzicht zugrunde. Da der Einstellungsbeschluss zwar dem Jugendwohlfahrtsträger, nicht jedoch der Rekurswerberin zugestellt worden sei, sei das Exekutionsverfahren noch nicht rechtskräftig eingestellt. Auch habe das Erstgericht eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Vergleiches nicht eingeholt. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, dass zur Frage, ob ein Jugendwohlfahrtsträger zulässigerweise einen Antrag auf Einstellung des Exekutionsverfahrens ohne pflegschaftsbehördliche Genehmigung stellen könne, eine gesicherte Rechtsprechung, soweit überblickbar, nicht vorliege. Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten, mit dem er die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt, hilfsweise aber ein Aufhebungsantrag stellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Im Gegensatz zum Erstgericht, welches den Eintritt der Republik Österreich in den gegenständlichen Oppositionsprozess anstelle des volljährig gewordenen Unterhaltsberechtigten nach § 31 Abs 2 UVG abgelehnt hatte, befasste sich das Rekursgericht mit dieser Frage überhaupt nicht. Nach dieser Gesetzesstelle tritt der Bund von Gesetzes wegen mit der Beendigung der gesetzlichen Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger bis zur Höhe der gewährten Vorschüsse unter anderem in anhängige Exekutionsverfahren und allenfalls anhängige Rechtsstreite gegen die Drittschuldner anstelle des Kindes ein. Klagen nach § 35 EO sind also nicht ausdrücklich genannt. Ob die Bestimmung hierauf analog anzuwenden ist (so Neumayr in Schwimann, ABGB2 I § 31 UVG Rz 1), kann im vorliegenden Fall offen bleiben, weil die Republik nicht einmal behauptet hat, sie hätte einen Versuch unternommen, in das Exekutionsverfahren einzutreten. Ob das im Hinblick auf den Einstellungsbeschluss überhaupt möglich gewesen wäre, ist hier nicht zu prüfen. Ein Eintritt in den Oppositionsprozess, der nur mit der zweckmäßigen Identität der Parteien in beiden Verfahren gerechtfertigt werden könnte, kommt nämlich vor einem wirksamen Eintritt in das Exekutionsverfahren keinesfalls in Betracht.

Somit hat das Erstgericht zu Recht den Fortsetzungsantrag zurückgewiesen. Seine Entscheidung war daher wiederherzustellen. Zufolge Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichtes war auch gemäß §§ 50, 40, 41 ZPO auszusprechen, dass die Republik Österreich die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen und dem Kläger die Kosten des Revisionsrekurses zu ersetzen hat.

Rückverweise