12Os94/01 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lehr als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas F***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 141 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 2. August 2001, GZ 13 Vr 646/01-12, sowie über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich gemäß § 494a Abs 4 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbschwerden werden zurückgewiesen.
Aus deren Anlass werden jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, insoweit, als der Angeklagte auch in Bezug auf die Abnötigung von Bargeld wegen vollendeten Raubs nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt wurde, und demgemäß auch im Strafausspruch sowie der gemäß § 494a Abs 3 StPO ergangene Beschluss aufgehoben und es wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihrer Berufung und ihrer Beschwerde wird die Staatsanwaltschaft, mit seiner Berufung auch der Angeklagte auf den kassatorischen Teil dieser Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Thomas F***** wurde "des" Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Demnach hat er "am 10. November 2000 in Klagenfurt nachgenannten Personen durch gegen sie gerichtete Gewalt, nämlich durch Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand, sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) nachangeführte fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:
1. dem Thorsten S***** einen schwarzen Pullover mit Reichsadler und Ritterkreuz sowie ein Butterfly-Messer mit derzeit nicht bekanntem Wert, wobei sein Vorsatz auch auf die Erlangung von Bargeld gerichtet war;
2. dem Ernest S***** einen ""Londsdale-Pullover"" in einem derzeit nicht feststellbaren Wert, wobei sein Vorsatz auch auf die Erlangung von Bargeld gerichtet war,
wobei er den Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an Sachen geringen Wertes beging".
Den dagegen von der Staatsanwaltschaft aus Z 10, vom Angeklagten aus Z 5 und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Nach den den Schuldspruch tragenden erstgerichtlichen Feststellungen fasste der Angeklagte, als er am 10. November 2000 der nach ihrem Erscheinungsbild der Skin-Head-Szene zuzuordnenden Zeugen S***** und S***** ansichtig wurde, den Entschluss, sie zu demütigen und auch zu berauben. Nachdem er sie in eine Holzbude gewiesen hatte, "demütigte" der Angeklagte - so die Urteilsgründe wörtlich - "zunächst Ernest S*****, indem er ihm vorwarf, er sei gar kein richtiger Skin-Head. Gleichzeitig riss er ein Abzeichen von der Jacke des S***** und steckte dieses in den Mund seines Opfers. Dabei versetzte er S***** auch einen Schlag mit der flachen Hand gegen die linke Kopfseite. Dieser mittelstark geführte Schlag wurde wiederholt, nachdem S***** beabsichtigte, das Abzeichen wieder aus dem Mund zu nehmen. Der bereits eingeschüchterte S***** behielt das Abzeichen daraufhin für mehrere Minuten im Mund.
Zu diesem Zeitpunkt forderte der Angeklagte auch S***** auf, in die Holzbude zu kommen. Nunmehr setzte er seine Demütigungen auch gegenüber S***** fort, indem er ihn etwa nach der Bedeutung rechtsradikaler Begriffe fragte. Nachdem S***** nach Ansicht des Angeklagten falsche Antworten gab, erhielt er ebenfalls zwei Schläge mit der flachen Hand gegen die linke Wange. Auch S***** wurde dadurch eingeschüchtert. ...... Unmittelbar nach den angeführten Attacken forderte der Angeklagte S***** und S*****, die beide bereits eingeschüchtert waren und diesen Eindruck dem Angeklagten auch vermittelten, nacheinander auf, die Pullover auszuziehen. S***** trug einen Pullover, auf welchem der Reichsadler und das Ritterkreuz abgebildet waren. S***** trug einen Pullover der Marke ""Londsdale"", der gewöhnlich ebenfalls von Personen mit rechtsradikaler Gesinnung getragen wird.
S***** und S***** leisteten der Aufforderung des Angeklagten sofort
Folge, weil sie mit unmittelbar bevorstehenden weiteren Schlägen des
Letzteren rechneten. Sie zogen ihre Pullover aus und übergaben sie
dem Angeklagten, der sie daraufhin noch nach Waffen und
Wertgegenständen bzw Bargeld fragte. S***** verneinte, dass er
Bargeld bei sich hatte, wenngleich er tatsächlich S 3.000 bei sich
trug. Er übergab dem Angeklagten aber ein Butterfly-Messer, welches
dieser ebenfalls an sich nahm und einsteckte. .......
Als der Angeklagte seine Opfer schlug, beabsichtigte er, sie soweit
einzuschüchtern, dass sie ihm Kleidungsstücke, Wertgegenstände oder
auch Bargeld übergeben würden. Durch die gezielte Einschüchterung in
der Verkaufsbude und in Kenntnis, dass S***** und S***** auch durch
die Präsenz seiner Freundin und seines Freundes, die unmittelbar vor
der Hütte waren, in einem engen Raum mit ihm mehr oder weniger
gefangen waren, wollte der Angeklagte zudem gegenüber S***** und
S***** zum Ausdruck bringen, dass er sie sofort weiter attackieren
würde, sollten sie ihm nicht die begehrten Gegenstände übergeben.
................. Der Angeklagte handelte zudem in der Absicht, sich
durch die Zueignung dieser Gegenstände unrechtmäßig zu bereichern.
....................
Im Zweifel lässt sich nicht feststellen, dass die beiden Pullover und das Butterfly-Messer sowie die vom Angeklagten erwartete Bargeldbeute insgesamt mehr als S 1.000 wert waren" (US 6 ff).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die die - mängelfrei begründete - erstgerichtliche Annahme der Geringwertigkeit (Eder-Rieder WK2 § 142 Rz 5 mwN) der geraubten Sachen problematisierende und auf dieser Grundlage eine Tatbeurteilung (allein) nach § 142 Abs 1 StGB anstrebende Subsumtionsrüge verfehlt eine prozessordnungsgemäße Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, weil sie zunächst die erstinstanzliche Sachbewertung bloß als "mit Zweifeln behaftet" rügt und ihr sodann die eigene Position, wonach die Raubobjekte "keine Sachen geringen Wertes" darstellen - ohne jede einer sachlichen Erörterung zugängliche Substantiierung - bloß gegenüberstellt. Im Hinblick auf den festgestellten geringen Gesamtwert der Raubbeute konnte das darüber hinausgehende Beschwerdevorbringen zur Frage der Zusammenrechnung der Werte raubverfangener Sachen auf sich beruhen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Entscheidende Bedeutung kommt nur solchen Tatsachen zu, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind und entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben. Dies bedeutet fallbezogen, dass die erstgerichtliche Annahme, wonach der Angeklagte den Raubentschluss fasste, weil sich die Zeugen S***** und S***** "nicht wie richtige Skin-Heads verhielten", als (nur in Ausnahmekonstellationen relevantes) Tätermotiv nicht als im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO entscheidende Tatsache zu beurteilen ist. Das dazu erstattete Beschwerdevorbringen hat daher schon deshalb auf sich zu beruhen.
Insoweit die Mängelrüge ferner die schwerpunktmäßig auf die als verlässlich erachteten, im Kern übereinstimmenden und widerspruchsfreien Aussagen der tatbetroffenen Zeugen gegründeten erstinstanzliche Annahmen zur Tatanbahnung und zu den Tatmodalitäten sowie die Erörterung der dazu gewählten, von den Tatrichtern abgelehnten Verantwortung des Angeklagten jeweils als "Scheinbegründung" kritisiert, erschöpft sie sich in Wahrheit im Versuch, die Lösung der Beweisfrage durch den Schöffensenat nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen.
Gleiches gilt für die Wertung der von den Tatrichtern als verlässlich beurteilten Angaben des Zeugen S*****, wonach der Angeklagte - der Sache nach - Geld gefordert hat, und der - der Beschwerde zuwider dazu keineswegs widersprüchlichen - Aussage des Zeugen S*****, dem dies nicht mehr erinnerlich war (US 8). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers setzte sich der erkennende Senat auch mit - vermeintlich die subjektiven Tatbestandserfordernisse berührenden - Umständen, wie dem vom Angeklagten an die Raubopfer gerichteten Vorwurf, keine richtigen Skin-Heads zu sein, aber auch mit dessen Verantwortung, Gewalt lediglich mit Demütigungsvorsatz eingesetzt und den Zeugen S***** nach der Bedeutung rechtsradikaler Begriffe befragt zu haben, auseinander, weshalb die Beschwerde auch in diesem Umfang eine gesetzmäßige Ausführung vermissen verfehlt.
Die von der Rüge betonte Einlassung des Angeklagten, "es störe ihn, wenn junge Typen noch jüngere zusammenschlagen wollen", vermag mangels in diese Richtung weisender Verfahrensergebnisse für sich allein keine taugliche Grundlage für dessen "Interesse" an den Tatopfern zu bieten und bedurfte sinnfällig keiner gesonderten urteilsmäßigen Erörterung, weil selbst ein entsprechener "Unwillen" des Angeklagten vorweg nicht geeignet war, eine zusätzliche von Raubvorsatz geleitete Tatbegehung auszuschließen.
Auch die Subsumtionsrüge Z 10) verfehlt, indem sie auf einen ausschließlich von Demütigungstendenz geleiteten Gewalteinsatz abstellt, die Orientierung am gesamten Urteilssachverhalt und damit (einmal mehr) eine prozessordnungsgemäße Darstellung. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§§ 285a, 285d StPO). Aus deren Anlass hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, dass das Strafgesetz insoweit zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet wurde (§ 290 Abs 1 StPO), als der Schuldspruch wegen (zur Gänze) vollendeten Raubs mit den Urteilshinweisen unvereinbar ist, wonach die angestrebte Abnötigung (auch) von Bargeld nicht gelungen und die Tat teilweise beim Versuch geblieben sei. Die Verschiedenartigkeit des Angriffsobjekts "Bargeld" von den Sachen, deren vollendete Abnötigung samt Urteilsgründen eindeutig feststeht, hätte eine spruchmäßige Subsumtionsdifferenzierung dahin erfordert, dass ein Teil der abgeurteilten Tat im Versuchsstadium geblieben ist (SSt 46/36; Hager/Massauer in WK2 § 15 Rz 240), weshalb die Annahme insgesamt vollendeten Raubes auf eine rechtswidrige Beschwer des Angeklagten hinausläuft, die nach ständiger Judikatur als Nichtigkeit gemäß Z 10 des § 281 Abs 1 StPO auch von Amts wegen aufzugreifen ist. Dem Ersturteil kann nicht entnommen werden, inwieweit Sachverhaltsüberlegungen das Schöffengericht unbeschadet der Verfahrenshinweise auf eine solche Versuchskonstellation zur Annahme der Tatvollendung veranlasst haben könnten, weshalb im betroffenen Umfang eine Teilkassierung des angefochenen Urteils und die Anordnung einer partiellen Verfahrenserneuerung nicht zu vermeiden ist (§ 285e StPO).
Die teilweise Kassation des Schuldspruchs bedingt auch die Aufhebung des Sanktionsausspruches einschließlich des gemäß § 494a Abs 4 StPO ergangenen Beschlusses. Bei der diesbezüglichen Verfahrenserneuerung wird - im Hinblick auf die von der Staatsanwaltschaft ergriffenen Rechtsmittel grundsätzlich ohne Bindung an das Verbot der reformatio in peius (§§ 293 Abs 3, 290 Abs 2 StPO) - zu beachten sein, dass sich die Strafdrohung nicht allein nach § 142 Abs 2 StGB (in Verbindung mit dem vom Erstgericht am Rande erwähnten § 39 StGB) bestimmt, sondern auch § 36 StGB (BGBl I 2001/19) wirksam wird. Ferner wäre abweichend vom Ersturteil davon auszugehen, dass nicht ein Raubverbrechen an zwei Personen vorliegt, sondern im Sinne des § 33 Z 1 StGB zwei strafbare Handlungen des Raubes (zum Nachteil je eines Alleingewahrsamsträgers) verübt wurden.