JudikaturOGH

15Os128/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Emsenhuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing. Wolfgang K***** wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, Abs 2 lit a und 13 FinstrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 5. Juli 2001, GZ 8 Vr 1673/99-59, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Prikoszovits zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 5. Juli 2001, GZ 8 Vr 1673/99-59, verletzt § 15 StPO.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 4. Dezember 2000, GZ 8 Vr 1673/99-50, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch und einen Freispruch eines anderen Angeklagten enthält, wurde Ing. Wolfgang K***** der Finanzvergehen der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, Abs 2 lit a und 13 FinStrG sowie der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

Gegen diese Entscheidung meldete der Angeklagte unmittelbar nach deren Verkündung "Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe" (S 66 III), mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2000 "Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wegen Schuld und Strafe" (ON 51) an.

Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Verteidiger stellte dieser den "Antrag auf Erstreckung der Berufungsfrist" (ON 56), welchen er mit dem großen Umfang und der Komplexität der Materie begründete. Diesen wies die Vorsitzende des Schöffensenates mit Beschluss vom 19. Juni 2001 (ON 57) ab, weil der im Urteilszeitpunkt aus drei Aktenbänden und vier Beilagenordnern bestehende Akt und das nach fünf zwischen 28. September und 4. Dezember 2000 durchgeführten Verhandlungstagen (rund 250 Seiten Hauptverhandlungsprotokoll) gefällte samt Beilagen 202 Seiten umfassende Urteil keinesfalls jenen vom § 285 Abs 2 StPO vorausgesetzten extremen Umfang des Verfahrens erreicht, der eine Verlängerung der für die schriftliche Ausführung der Beschwerdegründe sonst zustehenden Frist rechtfertigt.

Die dagegen vom Verteidiger erhobene, nach § 285 Abs 3 StPO unzulässige Beschwerde (ON 58) wies die Vorsitzende des Schöffengerichtes mit Beschluss vom 5. Juli 2001 (ON 59) selbst zurück.

Rechtliche Beurteilung

Die (angemeldete, jedoch nicht schriftlich ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und seine Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld wurden mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 20. September 2001, GZ 15 Os 107/01-7, zurückgewiesen.

Über die Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe wird demnach der Gerichtshof zweiter Instanz zu entscheiden haben.

In seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zeigt der Generalprokurator zutreffend auf, dass dadurch § 15 StPO verletzt wurde. Nach dieser Bestimmung steht nämlich die Entscheidung über Beschwerden gegen Beschlüsse des Gerichtshofes erster Instanz dem Gerichtshof zweiter Instanz unabhängig davon zu, ob die Beschwerde zulässig ist oder nicht (Mayerhofer StPO4 § 15 E 4, 6, 6a). Die vom Grundsatz, dass auch offenbar verfehlte Rechtsmittel dem übergeordneten Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen sind, abweichenden Fälle des § 285a StPO liegen nicht vor. Demgemäß war die Vorsitzende des Schöffensenates zur Entscheidung über die - zutreffend als unzulässig erkannte - Beschwerde gegen den von ihr gefassten Beschluss vom 19. Juni 2001, GZ 8 Vr 1673/99-57, nicht zuständig.

Diese Gesetzesverletzung war festzustellen.

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