2Ob220/01v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gottfried K*****, vertreten durch Dr. Ulrich Schwab und Dr. Georg Schwab, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. O*****, und 2. Maria Sch*****, vertreten durch Dr. Otto Holter und andere Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen S 999.623 sA (Revisionsinteresse S 565.000), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 4. Mai 2001, GZ 4 R 31/01h 14, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Landesgerichtes Wels vom 20. Dezember 2000, GZ 6 Cg 155/00a 8, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 26.761,68 (hierin enthalten S 4.460,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Am 20. 4. 1974 ereignete sich auf der B*****straße in Bad Schallerbach, Bezirk Grieskirchen, ein Verkehrsunfall zwischen dem Kläger als Lenker eines Motorfahrrades und der Zweitbeklagten als Lenkerin eines zum Unfallszeitpunkt bei der Rechtsvorgängerin der Erstbeklagten haftpflichtversicherten PKWs, wobei der Kläger schwer verletzt wurde. Die Zweitbeklagte wurde wegen dieses Unfalles vom Bezirksgericht Grieskirchen mit Urteil vom 25. 6. 1974, U 147/74 4, rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Am 19. 3. 1975 hat der damalige Vertreter des Klägers beim (damals) Kreisgericht Wels eine Feststellungsklage gegen die Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Erstbeklagten sowie die Zweitbeklagte (als Lenkerin und Halterin) des Inhalts eingebracht, dass festgestellt werde, dass die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand dem Kläger für alle zukünftigen Schäden, die diesem aus dem Unfall vom 20. April 1974 "auf der B*****straße in Grieskirchen" entstehen, haften und zwar die erstbeklagte Partei lediglich im Umfange des bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages. Auch in der Klagserzählung ist der Unfallort mit "B*****straße in Grieskirchen", welche der Kläger auf der Kreuzung mit der S***** in gerader Richtung überqueren wollte, bezeichnet. Aufgrund eines (vereinbarten) Fernbleibens der beklagten Parteien von der ersten Tagsatzung am 14. 4. 1975 erging über Antrag des Klägers ein Versäumungsurteil im Sinne des wiedergegebenen Klagebegehrens, welches unbekämpft in Rechtskraft erwuchs. Ausgehend von einem Alleinverschulden der Zweitbeklagten hat die Erstbeklagte (bzw deren Rechtsvorgängerin) in der Folge die damals absehbaren Schäden des Klägers liquidiert.
Mit der nunmehr am 1. 8. 2000 eingebrachten Klage begehrt der Kläger unter Berufung auf dieses Versäumungsurteil weitere S 999.623, hievon S 565.000 an weiterem Schmerzengeld, S 464.623 an Verdienstentgang und S 70.000 an Verunstaltungsentschädigung.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Mit dem erwähnten Versäumungsurteil sei ausdrücklich nur eine Haftung der dort beklagten Parteien für künftige Schäden des Klägers aus einem Unfall vom 20. 4. 1974 auf der B*****straße in Grieskirchen festgestellt worden; tatsächlich habe sich am genannten Tag jedoch bloß ein Verkehrsunfall in Bad Schallerbach ereignet. Da eine Feststellungsklage unter Bezugnahme auf einen Verkehrsunfall in Bad Schallerbach nicht eingebracht worden sei, wären alle Ansprüche gemäß § 1489 ABGB verjährt. Selbst wenn man wie vom Kläger in einem weiteren vorbereitenden Schriftsatz ausgeführt davon ausgehe, dass mit seiner Ortsbezeichnung "Grieskirchen" der politische Bezirk Grieskirchen gemeint gewesen sei, sei dem entgegenzuhalten, dass es in diesem politischen Bezirk sowohl in Bad Schallerbach, in Gallspach, Grieskirchen, Peuerbach und in Wallern/Tr. Straßen mit der Bezeichnung "B*****straße" gebe, sodass nicht ersichtlich sei, in welchem Ort sich der Verkehrsunfall ereignet habe; auch unter diesem Gesichtspunkt sei das Klagebegehren daher nicht ausreichend bestimmt und wäre daher abzuweisen.
Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil das Begehren des Klägers insoweit dem Grunde nach zu Recht bestehend, "als jedenfalls nicht schon grundsätzlich eine Verjährung der Klagsansprüche eingetreten ist, weil das Versäumungsurteil des Kreisgerichtes Wels vom 14. 4. 1975, 4 Cg 134/75, keine Wirkung eines Feststellungsurteils in Ansehung der Schadenersatzforderungen des Klägers im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom 20. 4. 1974 auf der B*****straße in Bad Schallerbach hätte."
Das Erstgericht vertrat hiezu in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, dass es sich zwar bei der Formulierung des Urteilsbegehrens im Vorverfahren bezüglich des eigentlichen Unfallortes in Bad Schallerbach um einen ganz offensichtlich unterlaufenen Fehler handle, was aber nichts an der Rechtswirksamkeit des daraufhin (einvernehmlich) erlassenen Versäumungsurteiles auch gegen die beklagten Parteien ändere, hätten doch diese in der Folge auch die Ansprüche aus dem (richtigen) Unfall befriedigt. Eine andere (formalistischere) Sichtweise verstieße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Zwischenurteil hinsichtlich des Schmerzengeldbegehrens als Teil Zwischenurteil dahin, dass das Klagebegehren hinsichtlich der Schmerzengeldforderung von S 565.000 dem Grunde nach zu Recht bestehe. Im Übrigen also hinsichtlich des Begehrens auf Verdienstentgang und Verunstaltungsentschädigung wurde das angefochtene Zwischenurteil hingegen aufgehoben und im Umfang der Aufhebung die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Sowohl die ordentliche Revision gegen das Teil Zwischenurteil als auch der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss wurden zugelassen. Auch das Berufungsgericht erachtete die unrichtige Bezeichnung der Gemeinde (Grieskirchen statt Bad Schallerbach als Unfallort) als eine bloß "unschädliche Fehlbezeichnung"; da sich am 20. 4. 1974 unter Beteiligung des Klägers und der Zweitbeklagten nur ein (einziger) Verkehrsunfall ereignet habe, sei für alle Parteien stets völlig klar gewesen, wo dieser Unfall passiert sei. Daher könne auch das Versäumungsurteil des Kreisgerichtes Wels nur diesen Unfall betreffen. Es habe daher die Verjährung künftiger Ansprüche aus diesem Unfall unterbrochen. Allerdings komme ein Zwischenurteil nur dort in Betracht, wo alle Anspruchsvoraussetzungen geklärt und alle Einwendungen erledigt seien; dies treffe bloß für das Schmerzengeldbegehren, nicht aber auch für die übrigen Anspruchspositionen zu. Diesbezüglich lägen daher die Voraussetzungen für ein Zwischenurteil noch nicht vor.
Die Voraussetzungen der §§ 502 Abs 1, 519 Abs 2 ZPO erachtete das Berufungsgericht deshalb als gegeben, weil "zu den Bestimmtheitserfordernissen eines Feststellungsurteils, soweit überschaubar, eine oberstgerichtliche Judikatur fehlt."
Während der Aufhebungsbeschluss unbekämpft blieb, richtet sich gegen das Teil Zwischenurteil des Berufungsgerichtes die auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, das auf Schmerzengeld gerichtete Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig; an den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 2 ZPO).
Die Revision wendet sich lediglich gegen die Annahme der Bindungswirkung des Feststellungsurteils.
Unstrittig ist, dass sich am 20. 4. 1974 "in Bad Schallerbach, Bezirk Grieskirchen, Oberösterreich, B*****straße bei Haus Nr 24" (so die Unfallortbezeichnung in der seinerzeitigen Verkehrsunfallanzeige des Gendarmeriepostenkommandos Bad Schallerbach vom 29. 4. 1974 an das Bezirksgericht Grieskirchen) ein Verkehrsunfall zwischen dem Kläger als Mopedlenker und der Zweitbeklagten als PKW Lenkerin ereignete, bei dem der Erstgenannte schwer verletzt wurde. Wegen dieses Unfalles wurde die Zweitbeklagte in der Folge auch rechtskräftig mit Strafurteil des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 25. 6. 1974 wegen (damals) Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG (nunmehr: Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB) rechtskräftig verurteilt. In diesem Strafurteil wurde der Unfallort "wie ON. 1" (also mit der eingangs wiedergegebenen Umschreibung in der Gendarmerieanzeige) bezeichnet. Dass es an diesem Tag einen weiteren Unfall zwischen denselben Beteiligten außerhalb von Bad Schallerbach, etwa im Ort Grieskirchen oder auf einer (anderen) B*****straße in einer der anderen im Schriftsatz ON 6 genannten oberösterreichischen Orte gegeben habe, behaupten nicht einmal die beklagten Parteien.
Der Umstand, dass in der dem späteren Versäumungsurteil zugrunde liegenden Klageerzählung samt darauf fußendem Feststellungsbegehren (so wie übrigens auch in der nunmehrigen Leistungsklage) der Unfallort als "B*****straße in Grieskirchen" bzw "4710 Grieskirchen, B*****straße" bezeichnet wurde, vermag an der Eindeutigkeit des damit gemeinten Unfallortes nicht zu rütteln. Schon bei Erlassung des (in Absprache der Streitteile erflossenen) seinerzeitigen Versäumungsurteils war die Grundlage des erhobenen Anspruches, nämlich der Unfall vom 20. 4. 1974 hinsichtlich des (jedenfalls) im Bezirk Grieskirchen gelegenen Unfallortes nie strittig. Der Kläger hat insoweit auch den Erfordernissen des § 226 ZPO entsprechend die Tatsache, auf welche sich sein (im fortgesetzten Rechtsgang noch näher zu prüfender) Anspruch gründet, ausreichend klar und genau angegeben. Mag auch durch die Namensgleichheit "Grieskirchen" sowohl für den politischen Bezirk als auch eine in demselben liegende Stadtgemeinde (vgl Österreichischer Amtskalender 2000/2001, Seite 1413) eine Verwechslung im Grundsätzlichen möglich sein, so ist eine solche doch im vorliegenden Fall durch die weitere Individualisierung der Straße, des Unfalltages sowie die Nennung der Unfallsbeteiligten geradezu ausgeschlossen. Auch die beklagten Parteien selbst haben im Übrigen den Schadensfall im Vorverfahren richtig zugeordnet und anstandslos Zahlungen (im damals gegebenen und überschaubaren Umfang) geleistet. Ihre nunmehrige Bestreitung, zur angeführten Zeit habe es "auf der B*****straße in Grieskirchen, überhaupt in Grieskirchen, keinerlei Verkehrsunfall gegeben, an dem der Kläger und die beklagten Parteien beteiligt gewesen wären," sodass "hieraus auch keinerlei Ersatzansprüche geltend gemacht werden können" (Punkt 2.a der Klagebeantwortung), kann unter den vorliegenden Umständen keinerlei Berechtigung zukommen.
Die Auslegung des Inhaltes von Prozessbehauptungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine Frage des Einzelfalles, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob ein erstattetes Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw wieweit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalles (RIS Justiz RS0042828). Zumal der Unfallort Bad Schallerbach sowohl im Gerichtsbezirk als auch im politischen Bezirk Grieskirchen gelegen ist (vgl nochmals Amtskalender aaO), fehlte es auch dem seinerzeitigen Feststellungs (Versäumungs )urteil nicht an irgendwelchen, die Durchsetzung weiterer Leistungsansprüche hindernden Bestimmtheitserfordernissen, welche erst durch oberstgerichtliche Judikatur geklärt werden müssten.
Die Revision der beklagten Parteien erweist sich damit mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig. Sie war daher spruchgemäß zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision gleich im Einleitungsabsatz ihrer Revisionsbeantwortung (zutreffend) hingewiesen.