JudikaturOGH

11Os77/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. September 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. September 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Emsenhuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wilhelmus Johannes D***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 19. April 2001, GZ 35 Vr 333/01-95, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wilhelmus Johannes D***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG schuldig erkannt, weil er vom Dezember 1999 bis März 2000 in Kitzbühel den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (Abs 6), nämlich insgesamt ca 1 bis 1 1/2 kg Marihuana durch gewerbsmäßigen Verkauf an den gesondert verfolgten Peter S***** in Verkehr gesetzt hat.

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

In der Mängelrüge (Z 5) versucht der Beschwerdeführer durch Anführung verschiedener isoliert betrachteter Beweisdetails und mit eigenständigen Beweiserwägungen zu anderen (ihm genehmen) Feststellungen, insbesondere hinsichtlich des Zeitpunktes der ersten Suchtgiftlieferung zu gelangen und die dem Zeugen Peter S***** zuerkannte Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Damit bekämpft er aber in Wahrheit die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung (wie dies auch aus dem behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" hervorgeht) und übergeht die im Urteil ausführlich vorgenommene Gesamtbetrachtung der Verfahrensergebnisse (US 7 bis 18). Darin haben die Erkenntnisrichter den vom Angeklagten und von den vernommenen Zeugen gewonnenen persönlichen Eindruck sorgfältig niedergelegt und mängelfrei begründet, weshalb sie trotz diverser Ungereimtheiten vor allem den belastenden Angaben des Zeugen Peter S***** im maßgeblichen Kernbereich gefolgt sind. Zu einer weitergehenden Erörterung einzelner Ergebnisse des Beweisverfahrens war das Erstgericht im Sinne des Gebotes zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verpflichtet (Mayrhofer StPO4 § 270 E 105; § 281 Z 5 E 7, 8).

Der Beschwerde zuwider war auch die nähere Befassung mit dem Akteninhalt des gegen Peter S***** gesondert geführten Verfahrens zum AZ 35 Hv 111/00 des Landesgerichtes Innsbruck angesichts der autonom zu beurteilenden Beweisgrundlagen weder geboten noch zulässig (Mayrhofer StPO4 § 3 E 55f; § 258 E 13f). Der relevierte Zeitpunkt der ersten Suchtgiftlieferung im Oktober 1999 betrifft überdies für das vorliegende Verfahren keine entscheidende Tatsache, weil diesbezüglich gar kein Schuldspruch gefällt wurde.

Zur Kritik an der beweiswürdigenden Verwertung der Stellungnahme des Psychiaters Dr. Johannes W***** vom 17. April 2001 fehlt dem Nichtigkeitswerber schon in Anbetracht der Einverständlichkeit der Verlesung (S. 353, 359/III) die erforderliche Beschwerdelegitimation (13 Os 153/99 ua).

Der Einwand (der Sache nach Z 3), wonach dem Zeugen Peter S***** zu Unrecht das Entschlagungsrecht gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StPO nicht zugebilligt worden sei, geht ebenfalls fehl; hat doch der Genannte in seinem eigenen Strafverfahren wegen Inverkehrsetzen von ca. 2 kg Marihuana auch im Umfang des (wegen Verschweigung nicht mehr verfolgbaren) Erwerbes des tatverfangenen Suchtgifts ein volles Geständnis abgelegt (ON 15), weshalb keine Selbstbelastungsgefahr bestand (EvBl 1994/138; 15 Os 18/99 ua).

Die von der Beschwerde relevierte Frage, ob Peter S***** in dieser Zeit auch von unbekannten Schweizern Marihuana erhalten hat, ist für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Der Nichtigkeitswerber übergeht vielmehr neuerlich, dass der genannte Zeuge den Erwerb einer insgesamt großen Suchtgiftmenge vom Angeklagten in vier Teillieferungen zu je einem halben Kilogramm zum Preis von jeweils 37.000 S bestätigt hat (S. 339, 345/III).

Die Behauptung, das Erstgericht habe gegen den Spezialitätsgrundsatz des § 70 Abs 1 ARHG verstoßen, indem es über eine (erste) Suchtgiftlieferung im Oktober 1999, auf die sich die Auslieferungsbewilligung nicht erstreckt, ein Beweisverfahren abgeführt und diese Ergebnisse als Schuldindiz für die weiteren Tathandlungen herangezogen hat, trifft nicht zu. Denn der Schöffensenat hat bloß zulässiger Weise die auf einen (bestrittenen) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Oktober 1999 in Kaprun und Kitzbühel bezogenen Beweise zur Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit aufgenommen und verwertet, nicht aber den Angeklagten wegen einer nicht von der Auslieferungsbewilligung umfassten Tat verfolgt, bestraft oder in seiner persönlichen Freiheit beschränkt.

In der Tatsachenrüge (Z 5a) vermag der Nichtigkeitswerber mit dem Hinweis auf die von den Tatrichtern abgelehnte Verleumdungsvariante (US 13) und dem neuerlichen Bemühen, die zuerkannte Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Peter S***** in Zweifel zu ziehen, aus dem Akteninhalt keine erheblichen Bedenken an der Richtigkeit schuldspruchrelevanter Tatsachen zu erwecken.

Der in der Rechtsrüge (Z 9 lit a, inhaltlich Z 5) monierte (vermeintliche) Widerspruch zwischen der im Urteilstenor angenommenen Menge von 1 bis 1 1/2 kg Marihuana und jener in den Gründen von insgesamt 1 1/2 bis 2 kg liegt in Wahrheit nicht vor. Der Beschwerdeführer übergeht nämlich die in den Entscheidungsgründen ohnedies enthaltene Klarstellung, wonach sich der Schuldspruch infolge Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes (§ 70 Abs 1 ARHG) nur auf den von der Auslieferungsbewilligung umfassten Zeitraum von Dezember 1999 bis März 2000 bezieht und demnach eine Teilmenge von einem halben Kilogramm (= erste Lieferung vom Oktober 1999) nicht zur Verurteilung gelangt ist (US 19 f). Im Übrigen ist die subsumtionsrelevante große Menge (§ 28 Abs 6 SMG) selbst beim geringsten Quantum von 1 kg Marihuana bei einem durchschnittlichen THC-Gehalt von zumindest 5 % eindeutig überschritten.

Inwiefern die vom Schuldspruch umfasste Suchtgiftmenge Nichtigkeit der Annahme der Gewerbsmäßigkeit bewirken soll (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10), wird in der diesbezüglich unsubstantiiert gebliebenen Beschwerde nicht deutlich und bestimmt dargelegt (§§ 285 Abs 1; 285a Z 2 StPO).

Einen Verstoß gegen die Spezialität der Auslieferung erblickt der Nichtigkeitswerber im in der Anklage genannten Tatzeitraum. Indem er aber die maßgebliche Einschränkung im Urteil negiert, bringt er den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit b) mangels strikten Festhaltens am gesamten Urteilssubstrat nicht zu gesetzesgemäßer Darstellung. Mit dem weiteren Einwand, der Anklagevorwurf (und demnach auch der Schuldspruch) beziehe sich entgegen der Auslieferungsbewilligung nicht auf das Inverkehrsetzen von Haschisch, sondern von Marihuana, wird wiederum nicht deutlich und bestimmt vorgebracht, weshalb die in den Auslieferungsunterlagen bezeichnete strafbare Handlung des gewerbsmäßigen Verkaufs einer großen Suchtgiftmenge (ON 68 in Verbindung mit ON 27) nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG angesichts des sowohl in Haschisch als auch in Marihuana enthaltenen maßgeblichen Wirkstoffs THC nicht mit der Urteilstat ident sein soll.

Zusammenfassend war daher die teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus sich die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Der Ausspruch über die Verpflichtung zum Kostenersatz beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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