14Os65/01 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juli 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Werner M***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 9. März 2001, GZ 26 Vr 1.422/00-42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, und des Verteidigers Dr. Kasseroler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden - Urteil wurde der Angeklagte Werner M***** des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er Ende April 1999 in Innsbruck außer den Fällen des § 201 StGB die Doris Sch***** dadurch, dass er sie im Schulter-Nackenbereich erfasste, so fest drückte, dass sie den Kopf nicht mehr bewegen konnte und schließlich ihre Brüste intensiv abgriff, mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung, nämlich des Betastens ihrer Brüste, genötigt.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte aus den Z 5, 5a, 9 lit a, 10 und 10a des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde. Keiner der behaupteten Nichtigkeitsgründe liegt indes vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Feststellung, "der Angeklagte hielt es zumindest ernstlich für möglich und fand sich damit ab, Doris Sch***** durch gewaltsames Erfassen und Zudrücken im Schulter-Nackenbereich zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung, nämlich dem Betasten ihrer Brüste, zu nötigen" (US 6 zweiter Absatz), haftet der behauptete Begründungsmangel einer Undeutlichkeit (Z 5) nicht an, bringt sie doch klar zum Ausdruck, dass die Gewaltanwendung mit (wenigstens) bedingtem Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) auf Erzwingung einer geschlechtlichen Handlung erfolgt ist. Ein derartiger Tatvorsatz schließt nach den Denkgesetzen eine gleichzeitige Annahme des Täters, die von ihm zur Duldung der geschlechtlichen Handlung genötigte Person sei ohnehin mit seinem Tun einverstanden, aus, weshalb sich auch der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf fehlender Klärung, ob sich der Vorsatz des Angeklagten auch auf die Ernstlichkeit des widerstrebenden Willens seines Opfers bezog, als haltlos erweist.
Dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge zuwider hat das Erstgericht die Feststellung zur subjektiven Tatseite auch nicht an sich unzureichend begründet. Vielmehr hat es zutreffend im Einklang mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung aus seinem Tatverhalten (wonach Werner M***** trotz entschiedener Ablehnung seines Anbots auf Vornahme eines Oralverkehrs seine Zudringlichkeiten nicht nur verbal weiter fortsetzte, sondern gegen seine am Schreibtisch sitzende Arbeitskollegin Sch***** nunmehr auch tätlich vorging, wobei er sie unter Befragen, ob sie vor ihm Angst habe, von hinten derart fest im Schulter-Nackenbereich erfasste, dass sie danach dort noch tagelang Schmerzen verspürte, und hierauf intensiv an den Brüsten abgriff) auf den Vorsatz des Angeklagten geschlossen.
Auch hat das Erstgericht die leugnende Verantwortung des Angeklagten nicht "völlig unerörtert gelassen", sondern sich im Gegenteil mit ihr ausführlich auseinandergesetzt, sie aber dann als unglaubwürdig verworfen (US 9 f).
Soweit der Angeklagte die - im Übrigen ausführlich begründete (US 8) - Überlegung des Erstgerichtes, die in jeder Hinsicht glaubhafte Aussage der Zeugin Doris Sch***** stimme in den wesentlichen Punkten mit den Angaben jener Zeugen überein, denen sie von dem Vorfall berichtet habe, bloß in Abrede stellt, führt er die Beschwerde nicht dem Gesetz gemäß aus. Dazu hätte es der Angabe jener konkreten Tatsachen bedurft, die von diesen Zeugen in der Hauptverhandlung abweichend von den Angaben der Zeugin Sch***** behauptet worden seien und die das Urteil mit Stillschweigen übergangen haben soll (Mayerhofer StPO4 § 281 Abs 1 Z 5 E 74).
Die Feststellung des "intensiven Abgreifens" ihrer Brüste durch den Angeklagten (US 5) konnte das Erstgericht sehr wohl auf die Aussage der Zeugin Doris Sch***** stützen. Denn zum einen hat die Zeugin im Vorverfahren die Dauer dieses Zugriffes noch mit ca 1 bis 2 Minuten geschätzt (S 165/I). Zum anderen hat sie in der Hauptverhandlung diese Zeitangabe wohl nicht mehr aufrechterhalten, jedoch weiterhin angegeben, vom Angeklagten "richtig abgegriffen" worden zu sein (S 61/II).
Fehl geht letztlich auch der Vorwurf, das Erstgericht habe vollkommen offen gelassen, auf welches Beweismittel es die Feststellung stützt, dass der Angeklagte die Duldung einer geschlechtlichen Handlung erzwungen hat (US 13), gründet sich doch auch diese Konstatierung auf die Aussage der Zeugin Doris Sch***** (vgl US 8). Die daran anschließende rechtliche Beurteilung jedoch, wonach die erzwungene geschlechtliche Handlung sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer "erheblich" war, ist der Sanktion der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht unterworfen.
Entgegen der Tatsachenrüge (Z 5a) vermag der Umstand, dass Doris Sch***** unmittelbar oder relativ bald nach dem inkriminierten Vorfall ihrem Ehegatten, Bürokollegen und anderen Bekannten wohl von der mit Tätlichkeiten verbundenen Zudringlichkeit des Angeklagten, nicht aber vom "Abgreifen" ihrer Brüste berichtet habe, erhebliche Bedenken an der Richtigkeit der (auf den späteren gerichtlichen Angaben dieser Zeugin beruhenden) Feststellungen des Erstgerichtes nicht zu erwecken. So hat Doris Sch***** auch hievon - was die Beschwerde verschweigt - jedenfalls ihrer Arbeitskollegin Claudia A***** schon am nächsten Tag Mitteilung gemacht (S 111/II). Weiters wollte sie nach eigener Aussage damals durch Verschweigen bestimmter Details der Tathandlung verhindern, dass Werner M***** seinen Arbeitsplatz verliert (S 61/II). Demgegenüber stellt die Behauptung, einer guten Freundin (wie Sieglinde W*****) gegenüber hätte Doris Sch***** jedenfalls vom Abgreifen ihrer Brüste berichtet, wenn sich dieser Vorfall tatsächlich so zutragen hätte, eine haltlose, durch den Akteninhalt nicht gedeckte bloße Spekulation dar. Dass (selbst reflexartige) Abwehrhandlungen der Doris Sch***** gegen den Angeklagten unterblieben sind, ist auf Grund der von hinten gegen die an ihrem Schreibtisch sitzende Zeugin erfolgenden Angriffshandlung des Angeklagten keineswegs ungewöhnlich.
Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) versagt.
Mit dem Einwand, sein vom Erstgericht festgestelltes Verhalten (Zudrücken im Nackenbereich, sodass Doris Sch***** ihren Kopf nicht mehr bewegen konnte) falle nicht unter den Gewaltbegriff des § 202 StGB, geht der Beschwerdeführer bei Behauptung eines Rechtsirrtums nicht vom Gesamtinhalt der Feststellungen aus und bringt demgemäß insofern die Beschwerde nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung. Er übergeht nämlich nicht nur die besondere Intensität des Festhaltegriffes, der mehrtägige Schmerzen im Schulter-Nackenbereich der Zeugin Sch***** zur Folge hatte (US 6), sondern auch, dass er seine Angriffshandlung im Stehen von hinten gegen die an ihrem Schreibtisch sitzende Doris Sch***** richtete, wodurch erfolgversprechende Abwehr- und Ausweichbewegungen der Angegriffenen von vornherein praktisch unterbunden waren.
Dem Urteil lässt sich nicht entnehmen, ob der Angeklagte die Brüste der Doris Sch***** auf nackter Haut oder oberhalb ihrer Kleidung (wie dies der Beschwerdeführer unterstellt) "intensiv abgegriffen" hat. Gleichwohl haften dem Urteil Feststellungsmängel über die genaue Zeitdauer sowie die "Art und Weise" dieses Zugriffes nicht an.
Eine - den Begriffen der "Unzucht" und der "unzüchtigen Handlung" im Sinn des § 207 Abs 1 StGB aF entsprechende - geschlechtliche Handlung im Sinn des § 202 Abs 1 StGB liegt vor, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit dem männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartien des Opfers (hier: die weibliche Brust) oder des Täters mit dem Körper des anderen in eine nicht bloß flüchtige, sexualbezogene Berührung gebracht werden (Foregger/Fabrizy StGB7 § 202 Rz 3). Hiebei ist es nicht erheblich, ob die miteinander in Kontakt gebrachten Körperteile des Täters und des Opfers bekleidet waren oder nicht und ob es daher zu einem unmittelbaren Hautkontakt kam. Auch die Dauer des körperlichen Kontaktes ist an sich nicht von Bedeutung, sofern nur eine mehr als ganz flüchtige Berührung erfolgte (Mayerhofer, StGB5 § 207 Rz 7 mwN; vgl auch EvBl 1999, 215; 15 Os 50/95). Ausgeschlossen von der Tatbestandsverwirklichung sind somit bloß flüchtige Berührungen, womit die Judikatur den in verschiedenen Lebensbereichen anzutreffenden, immer wieder ungewollten Berührungskontakten zwischen Menschen Rechnung trägt, welche von so geringer Intensität und Dauer sind, dass darin eine Beziehung zum Geschlechtsleben oder doch eine einem geschlechtlichen Missbrauch entsprechende Betätigung zum Nachteil der geschützten Sexualsphäre einer Person nicht zum Ausdruck kommt (ÖJZ-LSK 1996/355). Von einem derartigen ungewollten, flüchtigen (und somit nicht tatbestandsmäßigen) Körperkontakt kann bei dem hier festgestellten "intensiven Abgreifen" der Brüste einer sitzenden Frau durch einen hinter ihr stehenden Mann keine Rede sein.
Keiner näheren Erörterung bedarf die Subsumtionsrüge (Z 10), welche die Urteilsannahme (vorsätzlicher) geschlechtlicher Nötigung schlechthin negiert und statt dessen - prozessordnungswidrig - eine Beurteilung des Tatgeschehens unter dem (angesichts des Schuldspruches wegen § 202 Abs 1 StGB unbeachtlichen, vgl Leukauf/Steininger StGB3 § 202 Rz 16) Gesichtspunkt (fahrlässiger) leichter Körperverletzung anstrebt.
Eine diversionelle Erledigung, deren Unterbleiben der Beschwerdeführer schließlich noch aus der Z 10a des § 281 Abs 1 StPO rügt, war schon deshalb ausgeschlossen, weil das Vergehen der geschlechtlichen Nötigung in die Zuständigkeit des Schöffengerichtes fällt (§§ 90a Abs 2 Z 1 StPO).
Die unbegründete, teils nicht dem Gesetz gemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.