JudikaturOGH

11Os5/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eichinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Martin S***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. November 1999, GZ 9 Vr 1876/99-18 und den gleichzeitig gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 StGB, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Beck zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, der Angeklagte habe durch die ihm zur Last liegende Tat Daniela K***** längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt sowie in der rechtlichen Unterstellung dieser Tat auch unter § 202 Abs 2 zweiter Fall StGB und demnach im Strafausspruch (unter Einschluss der Widerrufsentscheidung) aufgehoben und über Martin S***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB nach dieser Gesetzesstelle eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten, wovon ein Teil von zehn Monaten gemäß § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird, verhängt.

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wird von einem Widerruf der im Verfahren AZ 4 EVr 473/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz gewährten bedingten Nachsicht unter gleichzeitiger Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre abgesehen.

Mit seiner Strafzumessungsrüge, der Berufung und der implizierten Beschwerde wird der Angeklagte, dem auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last fallen, auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin S***** abweichend von der wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB erhobenen Anklage des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er

"in der Nacht zum 29. Mai 1999 in Weiz Daniela K***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt und sie dadurch für längere Zeit in einen qualvollen Zustand versetzt hat, indem er sie gegen ihren Widerstand in die WC-Kabine des Lokales "L*****" schob, sich dort mit ihr einschloss, ihren Kopf an den Haaren zurückriss, der um Hilfe Rufenden mit der Hand den Mund zuhielt und gleichzeitig äußerte "Halt den Mund, sonst passiert dir was", ihr die Oberkleidung auszuziehen versuchte, ihre Brüste betastete und sein rechtes Bein zwischen ihre Oberschenkel zwängte".

Der Beschwerdeführer bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Gründe des § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 10 und 11 gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Mit den das ausgefertigte an das verkündete Urteil angleichenden Beschlüssen vom 21. Juli 2000 (ON 25) und 11. Dezember 2000 (ON 29) hat das Erstgericht den vom Beschwerdeführer unter verschiedenen Gesichtspunkten (Z 3, 5, 5a, 10) gegen die Annahme eines auf Nötigung zum Beischlaf abzielenden Vorsatzes ins Treffen geführten Einwänden insoweit voll Rechnung getragen, als der Angeklagte tatsächlich (ua) des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt wurde; damit wird das den vermeintlichen Schuldspruch wegen §§ 15, 201 Abs 2 StGB betreffende Beschwerdevorbringen gegenstandslos.

Berechtigung kommt der Subsumtionsrüge (Z 10) zu, soweit sie sich gegen die Annahme einer im Sinn des zweiten Falls des § 202 Abs 2 StGB qualifizierten geschlechtlichen Nötigung richtet.

Zutreffend verweist der Beschwerdeführer darauf, dass die (im Urteilsspruch zusammengefassten) inkriminierten Angriffe gegen das Opfer nach den tatrichterlichen Feststellungen lediglich einige Minuten dauerten (US 6, 12), welche Zeitspanne dem Begriff der "längeren Zeit" im Sinne des zweiten Falles des § 202 Abs 2 StGB unter Berücksichtigung des realen Tatgeschehens nicht gerecht wird; schon unter diesem Gesichtspunkt erübrigt sich die Prüfung, ob die festgestellte Belastungssituation des Opfers überhaupt die Intensität eines "qualvollen Zustands" erreicht hat.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hat, im Ausspruch, der Angeklagte habe durch die ihm zur Last liegende Tat Daniela K***** längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt sowie in der rechtlichen Unterstellung dieser Tat auch unter § 202 Abs 2 zweiter Fall StGB und demnach auch im Strafausspruch aufzuheben und die Strafe nach § 202 Abs 1 StGB neu zu bemessen:

Dabei war als erschwerend nichts, als mildernd hingegen seine bereits Krankheitswert aufweisende narzistische Persönlichkeitsstruktur (ON 15) in Verbindung mit der erheblichen, die Zurechnungsfähigkeit jedenfalls herabsetzenden Alkoholisierung zur Tatzeit (§ 35 StGB), das Geständnis und sein Reueverhalten zu werten.

In Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erscheint bei dem bis zu drei Jahre reichenden Strafrahmen des § 202 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten auch im Hinblick darauf tat- und tätergerecht, dass zwar der vollständigen Gewährung bedingter Strafnachsicht die Vorstrafenbelastung und eine nicht ausreichend begründbare positive Verhaltensprognose (s ON 15) entgegensteht, eine teilweise (zudem durch das Verschlimmerungsverbot bedungene) Nachsicht gemäß § 43a Abs 3 StGB jedoch aus präventiven Erwägungen vertretbar ist.

Diese Sanktion rechtfertigt es auch, vom Widerruf der vom Landesgericht für Strafsachen Graz zum AZ 4 EVr 473/98 gewährten bedingten Nachsicht unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre abzusehen. Damit war der Angeklagte mit seiner Strafzumessungsrüge, der Berufung und der implizierten Beschwerde auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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