JudikaturOGH

11Os137/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. März 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krische als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Daniel E***** wegen des teils im Stadium des Versuches verbliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft Wien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Juni 2000, GZ 6b Vr 840/00-118, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde (der nach eigenen Angaben sudanesische Staatsangehörige) Daniel E***** des - teils im Stadium des Versuches verbliebenen (I 2) - Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG und § 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu I) den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge, nämlich Heroin und Kokain mit nicht mehr feststellbarem, zumindest aber durchschnittlichem Wirkstoffgehalt (in "Straßenqualität"), teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Clemence D***** als Mittäter, und zwar

zwischen August 1998 und Mitte Juni 1999 insgesamt rund 2.230 Gramm Heroin und Kokain an im Spruch näher bezeichnete, zum Teil unbekannt gebliebene Suchtgiftabnehmer in Verkehr gesetzt (I 1 a bis 1) und

am 19. Juni 1999 eine geringe Menge Heroin und Kokain in Verkehr zu setzen versucht (I 2),

wobei er die Taten als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher strafbaren Handlungen und mit Beziehung auf Suchtgifte beging, deren Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmachte.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Gründe der Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der auch - ebenso wie die Staatsanwaltschaft - den Ausspruch über die Strafe mit Berufung anficht.

Rechtliche Beurteilung

Zur Geltendmachung der Verfahrensrüge (Z 4) ist der Beschwerdeführer, der darin ua gegen die Ablehnung der Einholung von Sachverständigengutachten und der Durchführung von Zeugenvernehmungen remonstriert, schon mangels formell zureichender Antragstellung nicht legitimiert: Voraussetzung für einen auf seine Berechtigung überprüfbaren Beweisantrag ist neben der Angabe des Beweismittels die Bezeichnung des Beweisthemas, sofern sich dieses Thema nicht unmissverständlich aus dem Zusammenhang ergibt. Darüber hinaus ist aber auch - soweit nicht offensichtlich - die Bedeutung der Beweisaufnahme für die Schuldfrage anzuführen und darzulegen, weshalb vom beantragten Beweis tatsächlich das behauptete Ergebnis erwartet werden kann (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 18 ff, 88 ff).

Diesen Erfordernissen werden die in Rede stehenden Anträge nicht gerecht.

Die die Ergebnisse der Video- und Audioüberwachung problematisierende Kritik an der fachlichen Eignung des vom Gericht beigezogenen Dolmetschers und an der Verweigerung des Zugriffs auf Videobänder im Vorverfahren vermag den relevierten Nichtigkeitsgrund mangels eines auf Abhilfe der angeblichen Defizite zielenden Antrags in der Hauptverhandlung von vornherein nicht zu begründen.

Der Antrag auf Durchführung eines Stimmenvergleiches durch das Institut für Schallforschung (gemeint Einholung eines diesbezüglichen Sachverständigengutachtens) wurde vom Schöffengericht (entgegen der Vorschrift des § 238 Abs 2 StPO erst im Urteil: US 27) unter Hinweis auf die Aussage des Zeugen BI L*****, wonach eine irrtümliche oder fehlerhafte Zuordnung ausgeschlossen werden könne, abgewiesen. Die Depositionen dieses Zeugen waren zum Zeitpunkt der Antragstellung (s S 89/VII) ebenso bekannt (S 67 f, 81 ff/VII) wie die ergänzenden Angaben des Gerichts-Dolmetschers (S 69/VII), weshalb der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen wäre, sogleich darzulegen, aufgrund welcher Umstände eine unrichtige Stimmenidentifikation erfolgt sein soll. Durch die Unterlassung der erforderlichen Konkretisierung kommt dem begehrten Beweis nur der Stellenwert eines unzulässigen Erkundungsbeweises zu (vgl Mayerhofer aaO insb E 90j, 90k), durch dessen Ablehnung Verteidigungsrecht nicht beeinträchtigt wurden. Das gesamte diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.

Verfehlt sich auch die Einwendungen gegen die Ablehnung des Antrages auf Einholung eines anthropologisch-gerichtsmedizinischen Gutachtens. Schon das nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls verfolgte Beweisziel, "ob die als Angeklagter bezeichnete Person auf den Videos tatsächlich identisch mit dem Angeklagten" sei (S 89/VII), ist kennzeichnend für den damit beantragten Erkundungsbeweis. Zudem lässt der Beschwerdeführer unbeachtet, dass der Schöffensenat den Angeklagten in den Videoaufnahmen trotz seines veränderten äußeren Erscheinungsbildes eindeutig erkannte (US 27).

Der Antrag auf Vernehmung der Zeugen Y*****, C*****, T*****, "T*****", "B*****" und M***** wiederum lässt nicht erkennen, über welche konkreten Tatumstände diese Personen befragt werden sollen und enthält damit überhaupt kein Beweisthema.

Auch die gegen die auf § 170 Abs 1 StPO gestützte Ablehnung des Antrags auf Beeidigung der Belastungszeugin Regina J***** (S 529/VII) vorgebrachte Kritik ist unbegründet. Der Beschwerdeführer übersieht, dass die Annahme eines Eideshindernisses, welches das Erstgericht zufolge des sich aus dem Akteninhalt ergebenden Tatverdachtes gegen diese Zeugin als vorliegend erachtete, als Akt freier Beweiswürdigung nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden kann (Mayerhofer StPO4 § 170 E 25 bis 27). Der unter einem erhobene Vorwurf der Unrichtigkeit der Ergebnisse der Video- und Audioüberwachung sowie der vorliegenden Übersetzungen ist nicht zielführend, weil es an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung, demnach an einer für die Geltendmachung des relevierten Nichtigkeitsgrundes unabdingbaren Voraussetzung fehlt.

Mit dem (sinngemäßen) Einwand unzureichender Begründung (Z 5) der zum Schuldspruchfaktum I 1 1 (Inverkehrsetzung von rund 2 kg Suchtgift) getroffene Feststellungen (US 4,9) übergeht der Beschwerdeführer eine Vielzahl ihn belastender Verfahrensresultate (so die Ergebnisse der polizeilichen Überwachung des Chinarestaurants "W*****" [US 14 bis 17], die dort vom Angeklagten geführten Gespräche [US 16, 23 f] sowie die Aussagen der Zeugen Matthias H***** [S 32 ff/VII], Gabriele Sch***** [S 47 ff/VII] und Tibor M***** [S 553 ff/VII] sowie die Aussage der Zeugin Regina J*****, wonach der Angeklagte über einen großen Kundenstock verfügte, S 531 ff/VII) und die daran geknüpften beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichtes, womit auch die Übergabe bzw der Verkauf von Suchtgift an "I*****", "D*****", "T*****", "B*****" ua und die Suchtgiftmenge von rund zwei Kilogramm auf Basis eines nachvollziehbar angenommenen Tagesquantums von mindestens acht Gramm Suchtgift (US 24) logisch und empirisch einwandfrei begründet wurde.

Aus dem aktenkundigen Umstand, dass der Angeklagte nach seiner Festnahme Suchtgiftverpackungsreste ausschied, konnte schließlich der denkrichtige Schluss auf eine versuchte Inverkehrsetzung am 19. Juni 1999 gezogen werden (Faktum I 2).

Entgegen dem Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5a) hat der Schöffensenat seine Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung keineswegs verletzt. Die Grundlage für die Täterschaft des Angeklagten waren die aus der Überwachung herrührenden Video- und Audioaufnahmen, die eine eindeutige und zweifelsfrei Identifizierung zulassen (US 12, 18, 23, 27). Weder aus den Beschwerdeausführungen noch aus der Aktenlage geht hervor, aus welchen konkreten Gründen die Einholung eines Gutachtens zur Stimmenidentifizierung geeignet sein konnte, die auch durch andere Verfahrensergebnisse erwiesene Täterschaft des Angeklagten ernsthaft in Zweifel zu ziehen, Demnach bestand in dieser Hinsicht für eine amtswegige Beweisaufnahme kein Anlass. Im Übrigen liegen die vom Beschwerdeführer geäußerten Bedenken im Sinne des gelten gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht vor.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht die zur subjektiven Tatseite getroffenen Konstatierungen (US 11) und lässt demzufolge eine prozessordnungsgemäße Ausführung vermissen.

Den im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) gegen die Annahme der Mitgliedschaft an einer Großbande vorgebrachten Bedenken, kommt keine Berechtigung zu. Denn der Angeklagte übergeht die Feststellung, wonach er im Chinarestaurant "W*****", dem zentralen Treffpunkt einer vorwiegend aus nigerianischen Suchtgifthändlern zum Zweck der laufenden Begehung von Delikten mit Beziehung auf Suchtgift tätig war (US 9). Sie wie jene zur subjektiven Tatseite, welche das Schöffengericht aus der objektiv festgestellten Vorgangsweise (US 25) mängelfrei erschließen konnte, reichen im Hinblick darauf, dass eine bestimmte Organisationsform (anders als bei einer kriminellen Organisation iSd § 278a StGB) nicht nötig ist (vgl LSK 1978, 301), sowohl für die Annahme einer Verbindung im Sinne des § 28 Abs 4 Z 2 SMG als auch mit Rücksicht darauf, dass Mitglied auch ist, wer in Kenntnis des Umstandes, damit die Ziele der Verbindung zu fördern, fallweise an einzelnen Straftaten teilnimmt (vgl Foregger/Fabrizy StGB7 § 278 Rz 1), für die der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers hin.

Soferne der Angeklagte damit auch den Nichtigkeitsgrund des § 281 (1) Z 9 lit a (sachlich Z 10) StPO releviert, übergeht er prozessordnungswidrig die eben angeführten Urteilskonstatierungen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus sich die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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