11Os37/01 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. März 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krische als Schriftführerin, in der Auslieferungssache gegen Marcela M*****, AZ 17 Vr 2254/00 des Landesgerichtes Linz, über die Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 29. Jänner 2001, AZ 8 Bs 26/01 (ON 31 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Marcela M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Marcela M***** befindet sich seit 15. Dezember 2000 beim Landesgericht Linz in Auslieferungshaft. Sie war am selben Tag in Wullowitz bei ihrer Einreise nach Österreich wegen eines vom Landesgericht Strassburg am 15. Februar 2000 erlassenen Haftbefehls festgenommen worden. Nach diesem ist sie verdächtig im Jahr 1999, insbesondere ab 20. August 1999 bis 8. Februar 2000 als (führendes) Mitglied einer hierarchisch strukturierten Ringes von Prostituierten tschechischer Herkunft in Strassburg/Frankreich und von Kehl/Deutschland aus, mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht tschechischer Prostituierter eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diesen die Bedingungen der Ausübung der Unzucht vorgeschrieben und sie ausgenützt zu haben.
Die französischen Behörden haben bereits die Auslieferung begehrt und fristgerecht die hiefür notwendigen Unterlagen übermittelt.
Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Linz der - gegen den Beschluss auf neuerliche Verlängerung der Auslieferungshaft gerichteten - Beschwerde der Beschuldigten nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Auslieferungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 1 und 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO in Verbindung mit § 20 Abs 1 ARHG bis längstens 29. März 2001 an.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde der Marcela M*****, mit welcher sie ausschließlich das Vorliegen der Haftgründe bekämpft. Sie ist nicht im Recht.
Der Gerichtshof zweiter Instanz hat den weiterhin bestehenden, durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gesetzeskonform beurteilt.
Die nach eigenen Angaben (S 27) wegen Beihilfe zum Verbrechen des Mordes vorbestrafte Beschuldigte steht in dringendem Verdacht, zumindest über rund sechs Monate als führendes Mitglied einer internationalen organisierten und auch länderüberschreitend handelnden Bande andere Frauen in fremden Ländern der Prostitution zugeführt und sie ausgenützt zu haben. Obwohl sie vom Verfahren in Frankreich und ihrer Ausschreibung Kenntnis hatte (S 29), ist sie - ohne auch nur irgendeinen rechtlichen Schritt im Verfahren versucht zu haben - aus ihrem Heimatland aus- und nach Österreich eingereist. Sie ist vermögenslos und verfügt außer über eine geringfügige Sozialunterstützung über kein Einkommen. Sie war selbst als Prostituierte tätig und hat daher intensive Kenntnisse dieses Milieus. Diese Tatsachen lassen tatsächlich befürchten, Marcela M***** werde ungeachtet des gegen sie geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit schweren oder nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist, wie die ihr angelasteten wiederholten und fortgesetzten Handlungen. Auf Grund der bezeichneten Umstände ist der Haftgrund derart gravierend, dass er durch gelindere Mittel nicht ersetzt werden kann. Im Hinblick auf ihre internationalen Beziehungen ist eine Verminderung der Intensität der Tatbegehungsgefahr auch durch die von ihr angegebenen Änderungen in den Lebensverhältnissen seit der Anlasstat nicht eingetreten.
Da - wie dargelegt - der Haftgrund nach § 180 Abs 1 und 2 Z 3 lit a und b StPO in Verbindung mit § 29 Abs 1 ARHG zu Recht angenommen wurde, erübrigt sich die Prüfung, ob darüberhinaus der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO gegeben ist, zu deren Beseitigung eine Kaution angeboten wird.
Da somit Marcela M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.