11Os113/00 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Holzweber, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krische als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing. Josef Sch***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 17. Dezember 1997, GZ 15 Vr 1315/92-817 nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Ing. Josef Sch***** war mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 17. Dezember 1997 (ON 766) des in zahlreichen Fällen begangenen Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt worden. Seine dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde hatte nur zum geringen Teil Erfolg (AZ 11 Os 113/98). Insoweit wurde der Angeklagte nunmehr mit dem angefochtenen Urteil - im zweiten Rechtsgang - erneut des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Ing. Sch***** wurde hiefür und wegen der bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldsprüche gemäß §§ 28, 302 StGB unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten und einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen a 300 S, im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Tagen, verurteilt.
Die Vorhaft vom 27. Jänner 1993 1.40 Uhr bis 20. März 1993 15.15 Uhr wurde gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB - in dieser Beschränkung rechtswidrig - nur auf die verhängte Freiheitsstrafe und nicht auch auf die Geldstrafe angerechnet.
Unter einem wurde gemäß § 260 Abs 2 StPO festgestellt, dass auf die vorsätzlich begangene(n) strafbare(n) Handlung(en) eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe entfällt und die (gemäß § 27 StGB daraus resultierende) Rechtsfolge des Amtsverlustes (insoweit unrichtig: Verlust des Anspruchs auf Ruhegenuss) gemäß § 44 Abs 2 StGB - ohne Bestimmung einer Probezeit (!) - bedingt nachgesehen.
Nach dem aktuellen Schuldspruch liegt dem Angeklagten, zusammengefasst wiedergegeben, zur Last, mit dem Vorsatz, die Republik Österreich an ihrem Recht auf Zulassung von ausschließlich betriebs- und verkehrssicheren, hinsichtlich ihrer Zulassung den Voraussetzungen des KFG 1967 entsprechenden Fahrzeugen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen de Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht zu haben, indem er als gemäß § 125 KFG 1967 bestellter Sachverständiger am 7. April 1992 in Eisenstadt anlässlich einer Überprüfung gemäß § 57 Abs 1 KFG hinsichtlich des LKW der Marke Mercedes, Type Daimler Benz 1638/48, Fahrgestellnummer 620086 14764 286, welcher sich zufolge ungenügender, bereits am überlangen Weg des Radbremszylinders und durch die Kontrollöffnung erkennbarer Stärke der Bremsbeläge an der Vorderachse des Fahrzeuges und wegen von außen erkennbarer, über alle Gummilagen reichender Rissstellen an den Laufflächen sowie wegen nachgeschnittener Reifenprofile der Vorderreifen in einem die Verkehrs- und Betriebssicherheit ausschließenden Zustand befand (Fahrzeug Nr. 87) ein positives Gutachten erstattete, sowie
hiedurch Milo D*****, der am 27. April 1992 im Gemeindegebiet von Königsbrunn als Lenker des genannten LKWs auf der Fahrt nach Krems/Donau zufolge Entlüftung des linken Vorderrades durch Ablösung des Laufflächenbandes vom Reifenunterbau die Herrschaft über das Fahrzeug verlor, ins Schleudern geriet, von der Fahrbahn abkam, gegen einen Baum prallte, sich überschlug und hiedurch ua einen offenen Bruch des rechten Unterschenkels, Rissquetschwunden am linken Unterschenkel, einen Bruch der rechten Schulter und einen Riss der rechten Großzehenstreckensehne erlitt, fahrlässig am Körper schwer verletzt zu haben.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen war Ursache des Unfalls des Milo D***** die Ablösung der Lauffläche am linken Vorderrad des LKW, welche durch ein Nachschneiden des (im Unfallszeitpunkt stark abgenutzten) Reifens bedingt war, der aber bei der Fahrzeugüberprüfung vom 7. April 1992 durch den Angeklagten am LKW montiert war.
Damals bestätigte der Angeklagte unter wissentlichem Missbrauch seiner Befugnis als gemäß § 125 KFG bestellter Sachverständiger des Amtes der Burgenländischen Landesregierung die Zulassungstauglichkeit des Fahrzeuges, obgleich ihm aufgefallen war, dass die Reifenprofile der Vorderreifen nachgeschnitten waren und ihm die Bestimmung des § 4 Abs 6 KDV, wonach die Verwendung nachgeschnittener Reifen auf lenkbaren Rädern von Kraftfahrzeugen verboten ist, bekannt war. Darüber hinaus hatte er die pflichtgemäße Kontrolle der Bremsbeläge unterlassen und dadurch nicht erkannt, dass diese an der linken Vorderachse eine Stärke von nur 1 mm und an der rechten Vorderachse eine solche von 0 mm aufwiesen, wodurch das Fahrzeug auch deshalb nicht mehr verkehrs- und betriebssicher war.
Nach den Konstatierungen des Schöffensenates zur subjektiven Tatseite wusste der Angeklagte zudem, dass er bei der Überprüfung des LKW seinen Obliegenheiten zuwider handelte und hielt einen Schaden der Republik Österreich an ihrem Recht auf Zulassung lediglich betriebs- und verkehrssicherer Fahrzeuge ernstlich für möglich und fand sich damit ab (vgl US 2, 3, 9 bis 13).
Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf die Gründe der Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der indes keine Berechtigung zukommt:
Die in der Beschwerde zunächst behaupteten Begründungsmängel (Z 5) liegen nicht vor:
Rechtliche Beurteilung
Dass der nachgeschnittene linke Vorderreifen des Unfalls-LKW schon im Zeitpunkt der Überprüfung dieses LKW durch den Beschwerdeführer am Fahrzeug montiert war, ergibt sich aus dem vom Erstgericht zur Stützung dieser Feststellung (US 14) herangezogenen Gutachten des Sachverständigen Prof. DI Dr. Stumpf (S 7/LXXVIII iVm ON 676 bis 678 in Band LXXIII und S 819 ff/LXXIV). Entgegen der Mängelrüge setzte sich das Schöffengericht mit der Möglichkeit einer Nachlackierung allfälliger durch einen Reifenwechsel verursachter Lackschäden sehr wohl auseinander, schloß diese Möglichkeit jedoch mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung aus (US 15). Mit dem Hinweis auf das Fehlen einer Lackanalyse macht die Beschwerde keinen Begründungsmangel, sondern den gegebenenfalls nur aus der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO anfechtbaren Verfahrensmangel der unvollständigen Ausschöpfung möglicher Beweisquellen geltend, welcher aber dann nicht gegeben ist, wenn der Beschwerdeführer, wie hier, lediglich durch die Aktenlage nicht gestützte spekulative Überlegungen anstellt (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5a E 11).
Die Angaben des Zeugen Karl M***** wiederum, wonach bei der (einige Tage vor der Fahrzeugkontrolle durch den Angeklagten bei der Fa Z***** vorgenommenen) Überprüfung des Tachographen (vgl US 9) sich am LKW noch ein anderer linker Vorderreifen befunden habe, wurden von den Tatrichtern mit zureichender Begründung als objektiv unrichtig abgelehnt (US 14 ff). Soweit sich die gegen die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Stumpf vorgetragene Beschwerdeargumentation auf das im Strafakt U 3/93 des Bezirksgerichtes Kirchberg am Wagram erstattete Gutachten des Sachverständigen Rauchecker (wonach auch andere Ursachen als das Nachschneiden für den Reifenschaden verantwortlich sein könnten) bezieht, ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass zur Begründung, weshalb das Erstgericht vom Gutachten des Sachverständigen Dr. Stumpf und nicht jenem des Sachverständigen Rauchecker ausging, der Hinweis auf das besondere sachverständige Wissen des SV Prof. Stumpf als "Kapazität unter den Reifensachverständigen" (US 14) hinreicht. Die in der Beschwerde zur Annahme der besonderen Sachkunde dieses Sachverständigen behaupteten Begründungsmängel betreffen nur diese beweiswürdigende Erwägung des Schöffensenates, nicht aber entscheidungswesentliche (aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Stumpf abgeleitete) Feststellungen des Erstgerichtes.
Dass der Sachverständige Dr. Stumpf sein Gutachten zum Teil auch auf vom Privatsachverständigen DI P***** für sein Gutachten (erliegt nicht einjournalisiert als Beilage ./C im Band LXXI) erhobene Befunde stützt (vgl S 9/LXXVIII) stellt ebensowenig einen Begründungsmangel dar wie der (angeblich "beredte") Umstand, dass der Halter des LKW nach dem Unfall von sich aus auf das vermutliche Nachschneiden des defekten linken Vorderreifen am erst kürzlich angekauften LKW hingewiesen hat.
Auch die Feststellung über die schon im Zeitpunkt der Kontrolle durch den Angeklagten gegebene mangelnde Betriebs- und Verkehrssicherheit des LKW infolge nicht mehr vorhandener oder zu geringer Bremsbeläge auf den Vorderachsen wurde vom Schöffengericht zureichend mit dem Hinweis auf das Gutachten des Sachverständigen DI Walter Nissler (vgl S 5 ff/LXXVIII iVm S 713 ff/LXXIV) begründet (US 18). Erneut bekämpft der Beschwerdeführer hier nur unzulässigerweise die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, indem er die Richtigkeit dieses Gutachtens unter Zugrundelegung einer - nach Ansicht dieses Sachverständigen unwahrscheinlich langen - Fahrtstrecke von 6.000 km im Zeitraum von 20 Tagen (zwischen Begutachtung des LKW durch den Angeklagten und dem Unfallzeitpunkt) in Frage stellt.
Auch die Tatsachenrüge (Z 5a), die sich in der Wiederholung des Vorbringens zur Mängelrüge erschöpft, geht fehl, bekämpft doch der Beschwerdeführer darin abermals nur unzulässig die schöffengerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.
Die Rechts- und Strafzumessungsrügen (Z 9 lit a und Z 11) bringt der Angeklagte mangels Vergleiches der tatsächlich getroffenen Feststellungen mit dem darauf angewendeten Gesetz nicht der Prozessordnung gemäß zur Darstellung.
Mit dem gegen den Schuldspruch nach § 302 Abs 1 StGB erhobenen Einwand, es fehle für die Annahme des wissentlichen Befugnismissbrauches an entsprechenden Beweisergebnissen bzw "einem hinreichenden Tatsachensubstrat", macht der Angeklagte in Wahrheit nur unsubstantiiert einen Begründungsmangel der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (vgl US 13) geltend.
Die Bekämpfung des Schuldspruchs nach § 88 StGB stützt der Beschwerdeführer wiederum auf die den Feststellungen (vgl US 12) zuwiderlaufende Behauptung, die von ihm nicht beanstandete Verwendung eines nachgeschnittenen Reifens auf der Vorderachse sei für den Unfall nicht kausal gewesen.
Entgegen dem Vorbringen in der Strafzumessungsrüge (Z 11) hat das Schöffengericht nunmehr keine strengere Strafe verhängt als im ersten Rechtsgang, sodass der Angeklagte seiner Behauptung, es läge ein Verstoß gegen das Verschlimmerungsverbot vor, nicht den gebotenen Vergleich der tatsächlich im ersten und zweiten Rechtsgang über ihn ausgesprochenen Sanktionen zu Grunde legt.
Die teils nicht gesetzmäßig ausgeführte, teils offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus ergibt sich die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung, welches dabei auch eine korrekte Anrechnung der Vorhaft vorzunehmen und - analog zu § 43 Abs 1 erster Satz StGB - für die bedingt nachgesehene Rechtsfolge des Amtsverlustes eine Probezeit zu bestimmen haben wird.
Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.