Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Jänner 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hermann W***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 10. Mai 2000, GZ 11 Vr 580/97-42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, des Angeklagten und seines Verteidigers, Dr. Posch, zu Recht erkannt:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hermann W***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe als Beamter des Finanzamtes Wels in seiner Funktion als Sachbearbeiter des Referates 04, U/E/K mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich und ihre Steuerschuldner an ihrem konkreten Recht auf gleichmäßige rechtzeitige Erfassung, Festsetzung und Einhebung bundesrechtlich geregelter öffentlicher Abgaben durch die hiezu auf Grund bestehender Dienstvorschriften zuständigen, fachlich qualifizierten, unvoreingenommenen und unparteilich handelnden Organe gemäß den geltenden materiell- und formellrechtlichen Abgabenvorschriften unter Beachtung vorgesehener Kontroll- und Approbationsmechanismen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er
I./ im Veranlagungsverfahren Dr. Gottfried F*****, St.Nr. 252/4517-04, unter Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 43 Abs 1 und 2 und 47 BDG, § 76 BAO sowie Punkt 1.5 des Approbationserlasses des BMF vom 26. April. 1988, GZ 020420/2-IV/2/88 und Abschnitt 26.5.1 DVL
a./ die von ihm selbst erstellte Steuerklärung 1991 unter Umgehung der vorgesehenen exakten inhaltlichen Kontrolle selbst bearbeitete und abschließend zeichnete,
b./ die erforderlichen Beilagen für die von ihm selbst erstellten Erklärungen für 1992 bis 1995 verspätet einreichte, die Erklärungen verspätet bearbeitete (Gewinnermittlung 1992 wurde erst im November 1995 erstellt und der bereits im Mai 1993 abgegebenen Umsatzsteuererklärung angefügt) und die Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen verhinderte bzw verzögerte, wobei er in den zu Zwecken der Dienstaufsicht angelegten EDV-Listen (NVLIST = Liste der offenen Veranlagungsfälle) unrichtige Vermerk anbrachte;
II./ im Veranlagungsverfahren Pauline L*****, St.Nr. 252/2388-09, unter Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 43 Abs 1 und 2 und 47 BDG, § 76 BAO sowie Punkt 1.5 des Approbationserlasses des BMF vom 26. April 1988, GZ 020420/2-IV/2/88, und Abschnitt 26.5.1 DVL, die von ihm selbst erstellten Steuererklärungen für 1988 bis 1991 unter Umgehung der vorgesehenen exakten inhaltlichen Kontrolle verspätet, nämlich erst am 8. Mai 1991 und am 14. September 1992, selbst bearbeitete und abschließend zeichnete, wobei er in den, zu Zwecken der Dienstaufsicht angelegten EDV-Listen (NVLIST = Liste der offenen Veranlagungsfälle) unrichtige Vermerke anbrachte;
III./ im Veranlagungsverfahren Dr. Alfred K*****, St.Nr. 252/4921-04, unter Verstoß gegen die Bestimmungen des § 43 Abs 1 und 2 BDG, die erforderlichen Beilagen für die von ihm selbst erstellten Erklärungen für 1993 bis 1995 verspätet einreichte, die Erklärungen verspätet bearbeitete und die Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen verhinderte bzw verzögerte,
und hiedurch das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Diesen Freispruch bekämpft die Anklagebehörde mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.
Nach den maßgeblichen Urteilsannahmen hat Franz W***** zwar objektiv gegen die die Befangenheit regelnden Bestimmungen der §§ 47 BDG, 76 (zu ergänzen: Abs 1 lit c) BAO und des Punktes 1.5 des Approbationserlasses des BMF vom 26. April 1988, GZ 020420/2-IV/2/88 verstoßen, weil er in den im Urteilstenor aufgelisteten Veranlagungsverfahren die von ihm selbst (bzw unter seiner Mitwirkung) erstellten Steuererklärungen bearbeitete, anstatt seine Befangenheit zu erklären und seine Vertretung zu veranlassen (US 2, 3, 7). Hingegen gelangten die Tatrichter zum Ergebnis, dass dem Angeklagten auf Grund seiner glaubwürdigen und durch die Zeugenaussagen nicht widerlegten Verantwortung weder Wissentlichkeit in Hinsicht des Befugnismissbrauches noch ein auf Schädigung der Republik Österreich an ihrem Recht auf (objektive) Überprüfung der in den Abgabenerklärungen enthaltenen Angaben gerichtet Vorsatz nachgewiesen werden konnte (US 7, 9 f).
Dabei hat aber der Schöffensenat - wie die Mängelrüge im Ergebnis zutreffend aufzeigt - den Inhalt der Aussagen des Angeklagten nicht vollständig erörtert. Insbesondere haben die Erstrichter mit Stillschweigen übergangen, dass W***** laut eigener Darstellung den Approbationserlass (zumindest im hier relevanten Bereich) gekannt hat, weiters gewusst hat, dass er als Veranlager (nur die) Besteuerungsgrundlagen erheben durfte und in Fällen seiner Mitwirkung an der Abgabenerklärung zur (nachfolgenden) Approbation nicht befugt war (S 342 f und 491).
In Zusammenhang mit der Aussage des (dem Angeklagten unmittelbar vorgesetzten) Gruppenleiters, Peter Z*****, wonach die Mitwirkung an den Abgabenerklärungen des Steuerpflichtigen die Befangenheit (des Sachbearbeiters) zur Weiterbearbeitung (des Steuerfalles) nach sich zieht (S 509 f), und den Angaben der Zeugin Elfriede J***** über die (behördenintern bekannten) Grenzen der zulässigen "Hilfeleistung" (S 513 ff), kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass das Erstgericht bei gebotener Erörterung diese außer Acht gelassenen Verfahrensergebnisse zu einer anderen Beurteilung der - die Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs und den Schädigungsvorsatz leugnenden - Verantwortung des Angeklagten gekommen wäre und (möglicherweise auch) das Vorliegen der subjektiven Tatbestandskomponenten des § 302 StGB bejaht hätte.
Aufgrund dieser unvollständigen Auseinandersetzung mit entscheidungsrelevanten Verfahrensergebnissen erweist sich daher - in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und Übereinstimmung mit der Ansicht der Generalprokuratur - die Aufhebung des Ersturteils und Anordnung einer neuen Hauptverhandlung in erster Instanz als unumgänglich, woran auch die - für den Angeklagten sprechende andere Verfahrensergebnisse aufzeigende - Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde und die Stellungnahme gemäß § 35 Abs 2 StPO nichts zu ändern vermögen.
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