12Os134/00 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30. November 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krauss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zlatko L***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 28. April 2000, GZ 10 E Vr 1046/99-28, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Verteidigers Dr. Jesser, jedoch in Abwesenheit des Bschuldigten, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 28. April 2000, GZ 10 E Vr 1046/99-28, verletzt das Gesetz
1. im Schuldspruch wegen des Vergehens der dauernden Sachentziehung (Schuldspruchfaktum I./3.) in der Bestimmung des § 135 Abs 1 StGB und
2. in der gesonderten rechtlichen Beurteilung des im Urteilsspruch zu
II. und IV. bezeichneten Verhaltens in der Bestimmung des § 29 StGB. Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den bezeichneten Teilen des Schuldspruchs und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird gemäß den §§ 292, 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Zlatko L***** wird von der Anklage, am 6. August 1999 in Leoben Thomas R***** dadurch geschädigt zu haben, dass er dessen Sozialversicherungskarte in einen Werkskanal warf, sie so aus dem Gewahrsam des Berechtigten dauernd entzog, ohne sie sich zuzueignen, und dadurch das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Zlatko L***** hat durch die unter Punkt II. und IV. des Urteilssatzes erfassten Tathandlungen das Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB begangen.
Zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung über den Strafausspruch wird die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Zlatko L***** wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 28. April 2000, GZ 10 E Vr 1046/99-28, unter anderem wegen des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (I. 3.), des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB (II.) und des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (IV.) schuldig erkannt.
Darnach hat er
I/3. am 6. August 1999 in Leoben Thomas R***** dadurch geschädigt, dass er dessen Sozialversicherungskarte in einen Werkskanal warf und sie so aus dem Gewahrsam des Berechtigten dauernd entzog, ohne sich die Sache zuzueignen, und
jeweils mit Täuschungs- und unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz andere zu Handlungen verleitet, die diese am Vermögen schädigten, und zwar
II. am 9. August 1999 in Graz Verantwortliche der Bank für Arbeit und Wirtschaft durch die Vorgabe für das Konto des Thomas R***** zeichnungsberechtigt zu sein, zur Auszahlung von 10.000 S, indem er die Scheckkarte des Kontoinhabers vorwies und dessen Unterschrift auf einem Barauszahlungsbeleg nachmachte, sowie
IV. am 11. Juni, 26. Oktober und 1. November 1999 in Mixnitz, Röthelstein und Leoben in insgesamt drei Angriffen, indem er jeweils vorgab, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Kunde zu sein, Tankstellenbetreiber zum Betanken seines Fahrzeuges veranlasst und dadurch einen Gesamtschaden von 2.105,20 S herbeigeführt. Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, verletzt dieses Urteil das Gesetz zum Nachteil des Verurteilten in zweifacher Hinsicht.
Rechtliche Beurteilung
Der Sachbegriff des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 StGB ist nach gefestigter Judikatur mit jenem des § 127 StGB ident (Mayerhofer StGB5 § 135 RN 15). Die vom (anklagekonformen) Schuldspruch zu I. 3. erfasste Sozialversicherungskarte erfüllt diese Voraussetzungen mangels Sach- oder Tauschwertes nicht und scheidet somit als Tatobjekt aus. Auch eine Subsumtion des Sachverhaltes nach § 229 Abs 1 StGB oder § 295 StGB scheitert an der Urkunden- bzw Beweismitteleigenschaft einer Sozialversicherungskarte (Mayerhofer aaO § 74 RN 66). Das dem Verurteilten im Schuldspruchfaktum I. 3. angelastete Tatverhalten ist somit gerichtlich nicht strafbar, weshalb der auf § 135 Abs 1 StGB gegründete Schuldspruch des Verurteilten aufzuheben und in diesem Umfang mit einem Freispruch vorzugehen war.
Das bezeichnete Urteil verstößt ferner im Ausspruch über die rechtliche Unterstellung der im Schuldspruch zu II. und IV. angeführten Taten durch deren - qualifikationsorientiert - getrennte Subsumtion jeweils als Vergehen des Betruges gegen das Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB. Denn nach herrschender Rechtsprechung (Steininger Komm3 § 29 RN 5 und 6 mwN) sind nach dieser Bestimmung alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Betrugshandlungen, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jede für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung zu einer Subsumtionseinheit zusammenzufassen.
Da "das Zusammentreffen" des Vergehens des schweren Betruges mit dem Vergehen unqualifizierten Betruges bei der Strafbemessung als erschwerend gewertet wurde (191), hat sich der Gesetzesverstoß zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt, weshalb insgesamt spruchgemäß zu entscheiden war.