JudikaturOGH

6Ob237/00x – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kurt H*****, vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Marie Luise H*****, vertreten durch Dr. Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in Linz, wegen 96.500 S und Feststellung (Streitwert 5.000 S), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 12. Mai 2000, GZ 4 R 59/00z-68, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Parteien wurde 1994 geschieden, der Kläger hatte jedoch bis Ende Oktober 1995 ein Wohnrecht im vormals gemeinsamen Haus. Am 22. 6. 1995 verletzte die Beklagte den Kläger anlässlich eines Streites vorsätzlich am Körper. Der Kläger erlitt Rippenbrüche. Die Beklagte wurde deswegen rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Bei dem Vorfall war auch sie verletzt worden. Bei zwei vorangegangenen Streitigkeiten hatte der Kläger die Beklagte verletzt.

Der Kläger begehrt Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden auf Grund des Vorfalls vom 22. 6. 1995. Die Beklagte wandte wegen der ihr zugefügten Verletzungen Schmerzengeldansprüche als Gegenforderungen ein.

Die Vorinstanzen gingen bei allen Vorfällen von einem gleichteiligen Verschulden der Parteien aus und erkannten sowohl über die Klageforderung als auch über die Gegenforderungen. Das Berufungsgericht erachtete im Gegensatz zum Erstgericht auch das Feststellungsbegehren des Klägers im Ausmaß von 50 % für berechtigt.

Mit seiner außerordentlichen Revision releviert der Kläger ein Aufrechnungsverbot analog § 1440 ABGB im Wesentlichen aus dem Grund, dass er vorsätzlich am Körper verletzt worden sei, selbst aber nur eine fahrlässige Körperverletzung zu verantworten habe.

Rechtliche Beurteilung

Wohl wurde eine solche Rechtsansicht an den Obersten Gerichtshof noch nicht herangetragen. Es liegt aber dennoch keine die Zulässigkeit der Revision begründende erhebliche Rechtsfrage vor, weil das Berufungsgericht ein Aufrechnungsverbot im Einklang mit der bestehenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit einer analogen Anwendung des gesetzlichen Aufrechnungsverbots nach § 1440 zweiter Satz ABGB verneint hat.

Analogie setzt einen dem gesetzlichen Tatbild vergleichbaren Sachverhalt voraus, der auf eine unbewusste Gesetzeslücke schließen lässt. § 1440 zweiter Satz ABGB normiert das Verbot der Zurückbehaltung oder der Kompensation bei eigenmächtig oder listig entzogenen, entlehnten, in Verwahrung oder in Bestand genommenen Sachen. Vor Bejahung einer Analogie ist stets Zurückhaltung geboten. Der Oberste Gerichtshof vertritt die Auffassung, dass über die ausdrücklichen gesetzlichen Aufrechnungsverbote hinaus eine Interpretation der schuldbegründenden Norm ergeben kann, dass wegen schutzwürdiger Interessen an einer effektiven Leistung im Einzelfall die Aufrechnung deshalb ausgeschlossen ist, weil der Missbrauch des Aufrechnungs- oder Retentionsrechtes geradezu als Vertrauensbruch zu werten ist (SZ 62/45 ua; RIS-Justiz RS0033960). § 1440 ABGB dient vor allem der Hintanhaltung unerlaubter Selbsthilfe (SZ 65/21 mwN). Bei Schmerzengeldansprüchen auf Grund wechselseitiger Verletzungen fehlt schon die Vergleichbarkeit mit dem gesetzlich geregelten Tatbestand der Entziehung von Sachen. Dazu führt die Revision auch ebenso wenig aus wie zu den Umständen, die als Vertrauensbruch oder Rechtsmissbrauch gewertet werden könnten. Dem Klageanspruch wurde ein gleichartiger Gegenanspruch entgegengesetzt, auch wenn einer vorsätzlichen Verletzung des Klägers nur fahrlässig herbeigeführte Verletzungen der Beklagten gegenüberstehen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass alle Verletzungen im Zuge von nachehelichen handgreiflichen Streitigkeiten entstanden sind und dass der vorsätzlich herbeigeführten Verletzung des Klägers eine festgestellte massive Provokation durch ihn vorausging. § 1325 ABGB normiert einen Schmerzengeldanspruch unabhängig von der Verschuldensform. Der Schmerzengeldanspruch ist ein Schadenersatzanspruch. Dass aus dem Gesetzeszweck des § 1325 ABGB ein Aufrechnungsverbot ableitbar wäre, wird in der Revision nicht ausgeführt. Die Frage ist nach der schon zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu verneinen.

Auch der weiters bekämpften, von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Gewichtung der Verschuldenskomponenten kommt keine erhebliche Bedeutung zu. Eine vom Obersten Gerichtshof aufgreifbare rechtliche Fehlbeurteilung der zweiten Instanz liegt nicht vor.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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