12Os75/00 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Juli 2000 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. E. Adamovic und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ferenc M***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 27a Vr 3390/00 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Ferenc M***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 17. Mai 2000, AZ 22 Bs 152/00 (= ON 31), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Ferenc M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Der ungarische Staatsangehörige Ferenc M***** befindet sich seit 23. April 2000 wegen Flucht- und Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b StPO) in Untersuchungshaft (ON 5).
Seiner Beschwerde gegen den Haftverlängerungsbeschluss (ON 17) gab das Oberlandesgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge (ON 31).
Es ging nicht nur vom Weiterbestand der Haftgründe aus, sondern bejahte auch den gegen den Beschuldigten gerichteten dringenden Verdacht, einer ungarischen Tätergruppe anzugehören, die auf Diebstähle von Fahrzeugen der Luxusklasse, vorwiegend der Marke Audi und VW-Passat, im Inland spezialisiert ist und deren Mitglieder innerhalb des letzten halben Jahres eine Vielzahl derartiger Autodiebstähle begingen (§ 278 Abs 1 StGB), sowie überdies am 17. April 2000 in Wien gemeinsam zumindest mit dem Bandenmitglied Peter K***** den PKW Marke Audi 100 S 4, polizeiliches Kennzeichen HL-257C, im Wert von ca 160.000 S dem Helmut Ö***** durch Einbruch gestohlen (§§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter Fall StGB) und bei der - durch Österreich führenden - Überstellung des in der Nacht zum 19. April 2000 in München von anderen Bandenmitgliedern zum Nachteil der Gisela G***** gestohlenen PKWs Audi A6 Avant, polizeiliches Kennzeichen DAH-S6 108, im Wert von jedenfalls mehr als 25.000 S in Kenntnis der Herkunft mitgewirkt zu haben (§ 164 Abs 1, Abs 3, Abs 4 erster und zweiter Fall StGB).
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der dagegen gerichteten Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten ist dem Oberlandesgericht bei der Bestätigung dieser Haftvoraussetzungen keinerlei Fehlbeurteilung unterlaufen.
Auf der Basis des dabei verwerteten polizeilichen Erhebungsergebnisses beruht zunächst die Bejahung des dringenden Tatverdachtes ungeachtet der in der Beschwerde erhobenen Einwände auf einer keinesfalls hypothetischen, auch nicht "aktenwidrigen", sondern insgesamt schlüssigen Argumentation, welche zudem die forensische Erfahrung auf dem hier in Rede stehenden Kriminalitätssektor hinreichend berücksichtigt.
Der spezifische Inhalt der vertraulichen Information an die Polizei (61), welcher mit den daraufhin eingeleiteten polizeilichen Nachforschungen - teils exakt (11 iVm 63; 311 iVm 313) - übereinstimmt, das aktenkundige Verhalten des Beschuldigten im Zusammenhang mit den beiden - unmittelbar zuvor - gestohlenen Fahrzeugen der Marke Audi (11 f, 129, 131), die für eine bandenmäßige kriminelle Verbundenheit des Beschuldigten, seines Begleiters Peter K*****, des Gabor K***** und des - vertraulich als Bandenchef bezeichneten (63) und vom Beschuldigten als Auftraggeber genannten (347) - Mihaly G***** sprechenden Umstände (gemeinsame Einreisen ins Inland bei unmittelbar folgender Ausreise in geänderter personeller Zusammensetzung und während dieser Zeit jeweils objektivierten Fahrzeugdiebstählen der bezeichneten Art - 45 f iVm 55, 207, 333) lassen im Kontext eine andere Beurteilung als die Annahme einer erhöhten Wahrscheinlichkeit (§ 180 Abs 1 StPO), dass der Beschuldigte in der oben bezeichneten Weise straffällig wurde, nicht zu.
Daran ändert es auch nichts, dass er (soweit bisher aktenkundig) nur einmal zusammen mit K***** nach Österreich einreiste, bei der gemeinsamen Überstellung mit K***** nicht Lenker des in München gestohlenen Fahrzeuges war (wohl aber Gegenstände daraus bei sich hatte - 131, 149), angeblich (unter anderem) "nur" wegen des Verbrechens der Hehlerei, nicht aber wegen Einbruchsdiebstahls vorbestraft ist (443) und anfänglich in den polizeilichen Berichten als Bandenmitglied nicht genannt wurde (61, 65).
Da dem Beschwerdeführer in Ansehung des deutschen Fahrzeugs nicht Diebstahl, sondern - auch in Österreich - begangene Hehlerei angelastet wird, versagt weiters sein Hinweis auf eine insoweit fehlende inländische Gerichtsbarkeit.
Bei einer gemeinsamen Überstellung eines gestohlenen Fahrzeuges ins Ausland verantwortet im Übrigen keineswegs nur sein Lenker den Tatbestand des § 164 StGB.
Es kann aber auch keine Rede davon sein, dass die Bejahung des dringenden Tatverdachtes hinsichtlich des in Österreich gestohlenen PKWs auf "aktenwidrigen" Prämissen beruht.
Zwar brach der Beschuldigte nach seiner Behauptung am Abend des 18. April 2000 von Budapest aus zur Überstellungsfahrt nach München auf (137), doch kollidiert seine Verantwortung eines bereits zu dieser Zeit entgegengenommenen Auftrags auf Überstellung dieses konkreten Fahrzeuges evidentermaßen mit dem Faktum, dass der betreffende Wagen erst am 19. April zwischen 1.30 Uhr und 3.45 Uhr, somit exakt zu jener Zeit gestohlen wurde, als er ihn seiner Einlassung zufolge in Deutschland übernahm.
Daraus lässt sich im Zusammenhalt mit dem aktenkundigen Aufenthalt des Beschuldigten in Italien am 16. April 2000 (145) jedoch durchaus denkrichtig folgern, dass er den PKW des Helmut Ö*****, dessen vorübergehender Abstellort von ihm und seinem Begleiter K***** während der Überstellungsfahrt am 19. April zielsicher angesteuert wurde, erhöhter Wahrscheinlichkeit bereits am 17. April gestohlen hatte.
Dass die zeitlichen Modalitäten bei Übernahme des deutschen Kraftfahrzeuges überdies für ein minutiös ablaufendes professionelles Zusammenwirken der Bandenmitglieder im Sinne der obergerichtlichen Beurteilung sprechen, ist entgegen der Beschwerde nicht zu bestreiten.
Da sich der Beschuldigte nach der Aktenlage weder in geordneten Lebensverhältnissen befindet noch über einen inländischen Wohnsitz verfügt, wurde angesichts der Art der ihm angelasteten kriminellen Betätigung auch zu Recht der - fallbezogen durch gelindere Mittel nicht substituierbare - Haftgrund der Fluchtgefahr bejaht.
Damit erübrigt es sich, im Zusammenhang mit der behaupteten Grundrechtsverletzung auf den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr näher einzugehen.
Mangels Grundrechtsverletzung war die Beschwerde daher abzuweisen.