JudikaturOGH

12Os40/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing. Franz S***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. Jänner 2000, GZ 6 Vr 1691/99-72, sowie über seine Beschwerde gemäß §§ 494a Abs 4, 498 Abs 3 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche beinhaltenden Urteil wurde Ing. Franz S***** des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (1), des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (2), des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB (3) und des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB (4) schuldig erkannt, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Zu 1) des Schuldspruchs liegt ihm zur Last, am 15. Juni 1999 in Leutschach an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst verursacht zu haben, indem er das Wohnhaus seines Schwiegervaters Alwin S***** in Brand setzte.

Rechtliche Beurteilung

Der (allein) gegen diesen Schuldspruch und die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Schon die Verfahrensrüge (Z 4) erweist sich als nicht zielführend:

Der Sachverständige für Brandursachenermittlung Ing. K*****, dessen von den Tatrichtern als schlüssig beurteilte Ausführungen dem bekämpften Schuldspruch mitzugrundegelegt wurden (US 25 f), nahm in Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens ON 35 in der Hauptverhandlung am 20. Jänner 2000 zu den vom Angeklagten relevierten spezifischen Konstruktionsmerkmalen des Dachbodens des durch den aktuellen Brand zerstörten Hauses - ohne dass dagegen seitens des Beschwerdeführers Einwände geltend gemacht worden wären - ausführlich Stellung (266 ff/II) und legte einen von ihm verfassten Zeitplan (Blg A) vor, der mit der Verantwortung des Beschwerdeführers, wonach er auf dem Dachboden mit einer brennenden Zigarre eingeschlafen sei oder diese ausgedämpft und weggeworfen habe, nicht in Einklang zu bringen ist (267 ff/II). Insbesondere führte der Sachverständige mit Bezugnahme auf das Lichtbild 511/I aus, dass es je nach Konstruktion möglich wäre, dass die darauf abgebildeten "herabhängenden Deckenbretter auch die Oberseite der unteren Bretter der Tramdecke des Wohnzimmers darstellen", dies aber an seiner Schlussfolgerung, wonach das Brandgeschehen, vor allem unter Berücksichtigung der zeitlichen Komponente der Ausbreitung der Feuersbrunst, entweder vom Wohnzimmer des Objektes oder fast gleichzeitig im Dach- und Erdgeschoßbereichs einen Ausgang genommen haben muss, nichts ändere (270 f, 279/II). Eine allfällige Einvernahme des Einsatzleiters der Feuerwehr zum Brandgeschehen erachtete der Sachverständige im Hinblick auf die seit Brandentstehung bis zum Eintreffen der Feuerwehr verstrichene Zeit als Basis für die Erstattung des Gutachtens als nicht relevant und den Umstand, dass es zum Zeitpunkt des Eintreffens der Feuerwehr im Dachgeschoß "heftiger gebrannt hat als unten", als jeder vergleichbaren Brandentwicklung immanent (272/II).

Somit hätte es fallbezogen anlässlich der Antragstellung auf Einvernahme zweier Feuerwehrkommandanten "zum Beweis dafür, dass beim Eintreffen der Wehren das Dachgeschoß über dem Wohnzimmer bereits im Vollbrand war, während im darunter liegenden Wohnzimmer es ebenfalls brannte, jedoch nicht in dem Ausmaß wie das Dachgeschoß" .... woraus sich "ergibt, dass zunächst der Brand im Dachgeschoß entstanden ist und nachfolgend eine weitere Brandentstehung im Erdgeschoß erfolgt ist" (280/II) der Konkretisierung der nicht von selbst einsichtigen antragsspezifischen Eignung der Beweisquellen, den dem Brandsachverständigengutachten zugrundeliegenden Befund entscheidend zu korrigieren, als unabdingbare Prämisse der Antragstauglichkeit bedurft (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 EGr 19).

Gleiches gilt für den - darüber hinaus ohne Darlegung jedweder Relevanz der begehrten Beweisaufnahme (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 EGr 40 f) - gestellten Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des Horst H***** zu spezifischen Konstruktionsmerkmalen der Decke des Brandobjektes (280 f/II).

Der in der Hauptverhandlung am 16. Dezember 1999 gestellte Beweisantrag auf zeugenschaftliche Einvernahme des (vom Angeklagten als Privatgutachters herangezogenen) Dr. Roland B***** hingegen blieb mangels Wiederholung in der am 20. Jänner 2000 wegen geänderter Zusammensetzung des Schöffensenates gemäß § 276a StPO neu durchgeführten Verhandlung nicht wirksam (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 ENr 31 bis 33), sodass das gesamte dazu erstattete Beschwerdevorbringen schon aus diesem formellen Grund auf sich beruhen kann.

Die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO setzt voraus, dass über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinne des Antragstellers entschieden wurde; sohin bedarf es keiner näheren Erklärung, dass in der Verfahrensrüge weder im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhobene Einwände nach §§ 125, 126 StPO gegen die Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen und des Brandsachverständigen nachgetragen werden können, noch die Relevierung amtswegiger Einholung des Gutachtens eines anderen psychiatrischen Sachverständigen gemäß § 126 Abs 1 StPO zulässig ist.

Die unter dem Aspekt aktenwidriger Begründung der von den Tatrichtern zur Person des Angeklagten angenommenen Gefährlichkeitsprognose (§ 21 Abs 2 StGB) erhobene Mängelrüge (Z 5) verfehlt mit der Behauptung, der psychiatrische Sachverständige Dr. H***** habe sein Gutachten modifiziert, also "nicht ergänzt, sondern völlig abgeändert" und insbesondere seine ursprünglich vertretene Auffassung zur problematisierten Einweisungsprämisse nicht aufrecht erhalten, ihrerseits eine aktenkonforme Deckung. Denn der Sachverständige modifizierte nach ergänzender Untersuchung des Beschwerdeführers - ohne seine Ausführungen über dessen im schriftlichen Gutachten bejahte schwere psychopathische Beeinträchtigung zu korrigieren - lediglich seine ursprüngliche Annahme einer "Persönlichkeitsstörung,

... die immer bestanden hat ..." auschließlich dahin, dass sich die

"Persönlichkeitsstörung ... beim Angeklagten in Wechselwirkung mit

dem seit Jahren bestehenden Alkoholismus entwickelt hat" und stellte damit den Grad der darauf gegründeten Gefährlichkeit des Angeklagten keineswegs in Frage (ON 37; 275, 2777/II).

Soweit die Rüge die Urteilsannahme, wonach der Angeklagte auf nicht näher feststellbare Weise im Wohnzimmerbereich Feuer gelegt hat, als unzureichend begründet kritisiert, da aus dem gesamten Akteninhalt eine derartige Feststellung nicht zu treffen sei, setzt sie sich prozessordnungswidrig über die bezüglichen Urteilspassagen (US 25 ff) hinweg.

Die (abermalige) Bezugnahme auf das vermeintlich nicht vollständige und in sich widersprüchliche Gutachten des Sachverständigen Ing. K***** stellt der Sache nach nicht auf formelle Begründungsmängel ab, sondern unternimmt - nicht anders als die Tatsachenrüge (Z 5a), die die aktenmäßige Fundierung der objektiven und subjektiven Tatbestandserfordernisse bei gezielter Übergehung der im Urteil aufgelisteten Indizien generell bestreitet - in Wahrheit den in kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Versuch, die erstgerichtliche Lösung der Beweisfragen nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen.

Auch die gegen den Ausspruch über die Anstaltseinweisung gerichtete Rüge (Z 11) verfehlt eine gesetzmäßige Ausführung schon deshalb, weil die Gefährlichkeitsprognose nur mit Berufung bekämpfbar ist (SSt 57/23).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 285a, 285d StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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