JudikaturOGH

12Os57/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juni 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Juni 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther M***** und Brunhilde M***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Günther M***** und Brunhilde M***** gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 20. Dezember 1999, GZ 16 Vr 657/95-193, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 11. November 1999, AZ 12 Os 129/99 (ON 177), wurde das erstgerichtliche Urteil vom 10. Dezember 1996, ON 127, in Stattgebung einer vom Generalprokurator zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde hinsichtlich beider Angeklagten im - der Anklageschrift vom 26. Juni 1996 (ON 89) folgenden - Schuldspruch zum Faktum I./4 und im Strafausspruch ebenso aufgehoben, wie (zur Gänze) das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27. April 1997, AZ 23 Bs 94/97 (= ON 147).

Da der Akteninhalt Anhaltspunkte für eine Beurteilung des zum aufgehobenen Schuldspruchfaktum inkriminierten Tatgeschehens als Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB und der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs 1 und Abs 2 StGB in Form der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB bot, die urteilsmäßigen Feststellungen aber eine dazu abschließende Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof nicht zuließen, wurde die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit dem (nunmehr) angefochtenen Urteil erkannte das Schöffengericht die Angeklagten im Umfang der bezeichneten Teilkassierung des Schuldspruchs der Vergehen der Urkundenfälschung nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (Schuldspruchfaktum IV) und der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs 1 und Abs 2 als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB (V) schuldig.

Demnach haben sie jeweils in Neulengbach

IV/ "in bewusstem und gewollten Zusammenwirken am 12.4.1994 eine durch Nachmachen einer mit 27.12.1993 datierten und der GZ C 147/93y versehenen Beschlussausfertigung des Oberlandesgerichtes Wien über die gerichtliche Anordnung der Sperre des Girokontos des Dieter G*****, ***** lautend auf Monika G*****, bei der Creditanstalt-Bankverein in Wien, hergestellte falsche inländische öffentliche Urkunde mit dem Vorsatz gebraucht, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis der Tatsache der erfolgten Sperre des angeführten Girokontos gebraucht werde, indem sie diese falsche inländische öffentliche Urkunde per FAX an Ingrid J***** zum Beweis der Tatsache der erfolgten gerichtlichen Anordnung der Sperre des Girokontos des Dieter G***** übermittelten;

V/ in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken am 12.4.1994 durch die im Punkt IV/ dargestellte Tathandlung, sowie durch die FAX-Mitteilung, die Vermögenswerte des G***** seien gesperrt, Ingrid J***** veranlasst, eine auf Grund eines Urteils des Oberlandesgerichtes Stuttgart vom 17.8.1993 im Exekutionsweg erwirkte Sperre der Konten des Richard F***** aufheben zu lassen, und somit sonst dazu beigetragen, dass Richard F***** als Schuldner durch von ihm verfügte Abbuchung der Guthaben von seinen ursprünglich gesperrten Konten Bestandteile seines Vermögens beiseite schaffen konnte, wodurch er die Befriedigung seiner Gläubigerin Ingrid J***** durch Zwangsvollstreckung vereitelte, wobei durch die Tat ein S 25.000,-- übersteigender Schaden herbeigeführt wurde."

Den dagegen von Günther M***** aus Z 4, 5, 8, 9 lit b und 10, von Brunhilde M***** aus Z 3, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Günther M*****:

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) hat zur Voraussetzung, dass über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt oder gegen seinen Antrag oder Widerspruch ein Zwischenerkenntnis gefällt wurde. Mit den bloßen Behauptungen, dass sein Geständnis keine Bedeutung als Beweismittel habe, aus sonstigen Beweisergebnissen "der Sachverhalt" nicht ableitbar sei, sowie mit dem Hinweis auf eine Zeugenaussage und mit der Problematisierung eines "angeblichen Motivs" kann dieser Nichtigkeitsgrund nicht dargetan werden.

Der Vorwurf (nominell Z 5), es mangle (zum Schuldspruchfaktum V) an hinreichenden Feststellungen zum 25.000,-- S übersteigenden Schaden (§ 162 Abs 2 StGB) setzt sich über die dazu detaillierten Urteilsannahmen (US 10 f) hinweg und entzieht sich damit gleichfalls einer sonst sachbezogenen Erwiderung.

Gegenstand von Anklage und Urteil ist das gesamte Verhalten des Angeklagten, wie es sich aus der Begründung der Anklage ergibt. Da - wie schon in der Entscheidung vom 11. November 1999, AZ 12 Os 129/99, klargestellt - das inkriminierte Tatgeschehen in rechtlicher Hinsicht die nunmehr aktuellen Schuldsprüche indizierte, kann von einer Anklageüberschreitung (Z 8, nominell auch Z 3) keine Rede sein. An die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes durch den Ankläger hingegen ist das Gericht nicht gebunden, sodass die von der Beschwerde (aktenwidrig - 501 VI) vermisste Modifizierung des Anklagesatzes vorweg nicht entscheidend wäre (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 8 EGr 8, 10).

Die lediglich mit vermeintlicher Anklageüberschreitung begründete, im Übrigen aber insbesondere unter dem Aspekt der dem Angeklagten darüber hinaus zur Last liegenden strafbaren Handlungen und dadurch bedingter Fristverlängerung nicht näher konkretisierte Behauptung der Verjährung der hier aktuellen Straftaten kann die einzelne, deutliche und bestimmte Bezeichnung (§§ 285 Abs 1 und 285a Z 2 StPO) der tatsächlichen oder gesetzlichen Gegebenheiten, aus denen der Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit b) resultieren soll, nicht entnommen werden.

Mit der Behauptung, die Feststellungen des Erstgerichtes ließen "im Hinblick auf eine allfällige Anwendung der Bestimmung des § 163 StGB nicht erkennen, ob nicht (gemeint:) ohne Einvernehmen mit dem Schuldner F***** gehandelt wurde", lässt die Subsumtionsrüge (Z 10) schließlich ebenso die gebotene Orientierung am Urteilssachverhalt vermissen, wie mit dem Einwand, es sei in Anbetracht der Tatsache, dass Richard F***** gegenüber Ingrid J***** seine gesamten Zahlungsverpflichtungen erfüllt habe, "unerfindlich, dass das Erstgericht überhaupt einen Schaden, geschweige denn einen 25.000 S übersteigenden ins Kalkül zieht" (dazu US 10 ff).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Brunhilde M*****:

Zur behaupteten Anklageüberschreitung, zur problematisierten Verjährung (nominell Z 3 und 9 lit a) sowie zur mangelnden Schadensfeststellung (Z 5) und zur vom Erstgericht vermeintlich unterlassenen Auslotung des zum Schuldspruchfaktum V/ inkriminierten Tatverhaltens in Richtung § 163 StGB ist die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die inhaltliche Übereinstimmung ihres Vorbringens mit jenem des Angeklagten Günther M***** auf das bei Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten bereits Gesagte zu verweisen.

Auch der Einwand, wonach "in den Ladungen der Strafverteidiger und auch in den Ladungen der Angeklagten nur die §§ 146, 147 und 148 StGB angeführt wurden", weshalb "es nicht vorhersehbar und auch nicht möglich war, eine der Wahrheitsfindung dienliche Beweisführung zu den §§ 162, 223 und 224 StGB vorzubereiten, da diese nie Gegenstand einer Voruntersuchung (oder) der Beweisführung in der Hauptverhandlung waren", geht ins Leere. Denn die gebotene, ausschließlich dem Angeklagten, nicht aber auch - so der Beschwerdestandpunkt - dem Verteidiger eingeräumte, überdies nach dem Wortlaut des § 221 Abs 1 StPO nur einmal in Betracht kommende (der Angeklagten somit bereits im ersten Rechtsgang abschließend gewährte) Vorbereitungsfrist kann sich (mangels Bindung des Gerichtes an rechtliche Erwägungen der Anklagebehörde naturgemäß) nur auf den inkriminierten Sachverhalt, nicht aber (wie die Beschwerdeführerin irrig vermeint) jeweils spezifisch auf alle in Betracht kommenden Subsumtionsvarianten beziehen.

Abgesehen davon waren der Angeklagten die dazu aktuellen rechtlichen Erwägungen nicht nur aus dem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 11. November 1999 sondern auch auf Grund der ihr vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes im Kontext damit erteilten Belehrung (ON 180) bekannt.

Die Beschwerdeführerin legte in der Hauptverhandlung am 20. Dezember 1999 nicht nur ein formales Schuldbekenntnis ab, sondern bezog in ihr von den Tatrichtern mitberücksichtigtes Geständnis auch die wesentlichen Tatbestandserfordernisse und die Tatmodalitäten mit ein (497 f/VI). Erst nachdem ihr Komplize erklärt hatte, er wisse jetzt, dass "das Schreiben" (gemeint: der in Rede stehende Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien) falsch war, erklärte sie - in diametralem Gegensatz zu ihrer ursprünglichen Einlassung ("Das Urteil (gemeint: der Beschluss) des Oberlandesgerichtes wurde gefälscht und vorgelegt" ... "Mir hat G***** das Urteil zugefaxt ... ich soll es dem Herrn J***** faxen, das schaut glaubwürdiger aus") - mit der Totalfälschung erstmalig anlässlich ihrer Vernehmung durch den Untersuchungsrichter konfrontiert worden zu sein. Das ausschließlich auf die zuletzt angeführte Verantwortungsvariante abstellende, die Annahme eines Geständnisses unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit monierende Beschwerdevorbringen (Z 5) ist somit seinerseits nicht aktenkonform.

Die von der Angeklagten vermissten "Feststellungen zur objektiven Tatseite des § 162 StGB" (Schuldspruchfaktum V) wurden vom Erstgericht - in detaillierter Form - ohnehin getroffen (US 10 ff). Die Relevanz eines nach Aufdeckung der Totalfälschung des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien neuerlich gegen F***** erwirkten Zahlungsverbotes und der Befriedigung des diesem zugrunde liegenden Anspruchs der Geschädigten "in der Folge" wird von der Beschwerde nicht einmal andeutungsweise dargetan und kann daher auf sich beruhen.

Insoweit die Beschwerdeführerin auf subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen und Schlussfolgerungen des Zeugen J***** zum sie betreffenden Tatvorwurf abstellt, vermag sie Bedenken, geschweige denn solche erheblicher Qualität gegen entscheidende Tatsachenfeststellungen (Z 5a) schon deshalb nicht zu erwecken, weil die relevierten intellektuellen Vorgänge als Gegenstand einer Zeugenaussage vorweg nicht in Betracht kommen (Mayerhofer aaO § 150 ENr 1, 2; Steininger Komm3 § 288 RN 4, EvBl 1992/189).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vernachlässigt mit der Reklamation fehlender tatsächlicher Fundierung der subjektiven Tatseite dazu wesentliche Urteilspassagen (US 12 ff) und entbehrt somit (einmal mehr) der gesetzmäßigen Darlegung.

Gleiches gilt für die Strafbemessungsrüge (Z 11) die mit dem Einwand, dass fallbezogen "die Obergrenze des Strafausmaßes des Urteils erster Instanz hinsichtlich der Berufungswerberin lautend auf zwei Jahre .... nicht überschritten hätte werden dürfen" der Sache nach weder eine rechtsfehlerhafte Bewertung von festgestellten Strafzumessungstatsachen noch einen Verstoß gegen allgemeine Strafbemessungsgrundsätze, sondern (inhaltlich) bloß eine nicht sachgerechte Ermessensausübung des Erstgerichtes geltend macht (Mayerhofer aaO § 281 Z 11 EGr 6).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285a, 285d StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen (§285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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