JudikaturOGH

10ObS111/00x – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Hübner und Dr. Franz Zörner (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hermine B*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Februar 2000, GZ 7 Rs 10/00w-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. November 1999, GZ 31 Cgs 193/99k-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 27. 10. 1933 geborene Klägerin war in Österreich von Jänner 1973 bis April 1976 nach dem GSVG pflichtversichert und erwarb damit 40 Beitragsmonate in der Pensionsversicherung. Für Kindererziehungszeiten (November1952 bis Juni 1955 und Juli 1959 bis Juni 1964) wurden ihr insgesamt 92 Versicherungsmonate angerechnet. Von August 1955 bis April 1959 hielt sie sich in Kanada auf und erwarb dadurch 45 anrechenbare "Wohnsitzmonate" in der kanadischen Pensionsversicherung. Von Juli 1964 bis Dezember 1972 und von Mai 1976 bis Oktober 1997 lebte die Klägerin als Hausfrau in Österreich; sie war in dieser Zeit nicht pflichtversichert (erwerbstätig). Seit 1. 11. 1998 bezieht sie vom kanadischen Pensionsversicherungsträger unter anspruchsbegründender Berücksichtigung jener Zeiten, die sie als nicht versicherte Hausfrau in Österreich lebte, eine Teilpension aus der Alterssicherung.

Mit Bescheid vom 14. 6. 1999 lehnte die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft den Antrag der Klägerin vom 30. 10. 1997 auf Gewährung einer Alterspension mangels Erfüllung der Wartezeit ab. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass innerhalb der letzten 360 Kalendermonate vor dem Stichtag 1. 11. 1997, die nicht neutrale Monate sind, anstelle der erforderlichen 180 Versicherungsmonate nur 40 Versicherungsmonate (§ 120 Abs 3 und 4 GSVG), anstelle der erforderlichen 180 Beitragsmonate nur 40 Beitragsmonate (§ 120 Abs 6 Z 1 lit a GSVG) und anstelle der erforderlichen 300 nur 177 Versicherungsmonate vorliegen, wobei Ersatzmonate vor 1956 nicht zu berücksichtigen sind (§ 120 Abs 6 Z 1 lit b GSVG). Der kanadische Versicherungsträger hat der beklagten Partei auf Anfrage nur 45 anrechenbare "Wohnsitzmonate" (August 1955 bis April 1959) bekannt gegeben ("Verbindungsformular").

Das Erstgericht wies das auf Zahlung der Alterspension in der gesetzlichen Höhe unter Berücksichtigung der Zeiten des Aufenthaltes in Kanada und in Österreich gerichtete Klagebegehren ab. Es ging von Art 11 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit vom 24. 2. 1987, BGBl 1987/451 idF des Zusatzabkommens BGBl 1996/570 (im Folgenden kurz "Abk") aus, wonach Versicherungszeiten für den Erwerb eines Leistungsanspruchs zusammenzurechnen seien, wenn eine Person nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten Versicherungszeiten erworben habe, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfielen. Bei Prüfung, ob die Klägerin die Wartezeit erfüllt habe, seien daher nicht nur die österreichischen Kindererziehungszeiten (92 Monate) und die Beitragszeiten nach dem GSVG (40 Monate), sondern auch die vom kanadischen Träger bekannt gegebenen 45 in Kanada zurückgelegten Wohnsitzmonate heranzuziehen, insgesamt daher 177 Versicherungsmonate. Die Klägerin könne nicht darüber hinaus auch noch die Anrechnung jener Zeiten begehren, die sie ohne Pflichtversicherung als Hausfrau in Österreich verbracht habe. Der von ihr genannte Art 16 Abk sei nur vom kanadischen Versicherungsträger bei Prüfung des Anspruchs auf eine Leistung aus der kanadischen Pensionsversicherung anzuwenden. Da die "Hausfrauenzeiten" in der österreichischen Pensionsversicherung nicht anrechenbar seien, erfülle die Klägerin die Wartezeit für die Alterspension nach § 120 GSVG in keiner Weise.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Das kanadische System der Pensionsversicherung gewähre nach dem Gesetz über die Alterssicherung allen Einwohnern mit mindestens 10 Wohnsitzjahren in Kanada, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt werden, nach Vollendung des 65. Lebensjahres eine Alterspension (Basissystem). Daneben sehe der kanadische Pensionsplan für unselbständig und selbständig in Kanada beschäftigte Personen mit Einkünften über einer Geringfügigkeitsgrenze und Beitragszahlungen ua Ruhestandspensionen, Erwerbsunfähigkeitspensionen und Hinterbliebenenleistungen vor (Zusatzpensionssysteme). Abschnitt III des Abk enthalte die besonderen Bestimmungen für den Bereich der Pensionsversicherung, sehe in Art 11 die Zusammenrechnung der österreichischen und kanadischen Versicherungszeiten vor und gliedere sich in Teil 1 "Leistungen nach den österreichischen Rechtsvorschriften" (Art 12 bis 15) und Teil 2 "Leistungen nach den kanadischen Rechtsvorschriften" (Art 16 und 17). Wohnsitzzeiten seien dem österreichischen Sozialversicherungsrecht fremd. In welchem Ausmaß und mit welcher Qualität die Versicherungszeiten des jeweiligen Vertragsstaates zu berücksichtigen seien, richte sich ausschließlich nach den Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaates; eine sachliche oder rechtliche Überprüfung der vom Träger des Vertragsstaates mitgeteilten Versicherungszeiten durch den österreichischen Träger sei in der Regel ausgeschlossen. Nach Art 12 Abk habe der österreichische Träger nach den österreichischen Rechtsvorschriften festzustellen, ob die Person unter Zusammenrechnung der Zeiten nach Art 11 Anspruch auf die Leistung habe, wobei die Berücksichtigung der nach kanadischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungszeiten näher geregelt sei. Aus Art 16 Abk ergebe sich zwar, dass österreichische Wohnsitzzeiten für den Erwerb von Leistungsansprüchen nach dem Gesetz über die Alterssicherung vom kanadischen Träger zu berücksichtigen seien, nicht aber, dass sie kanadische Versicherungszeiten darstellten, die der österreichische Träger zu berücksichtigen hätte. Der Standpunkt der Klägerin, die Zeiträume von Mai 1976 bis Oktober 1997, in denen sie als Hausfrau in Österreich keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachging, stellten kanadische Versicherungszeiten dar, sei daher rechtsirrig. Die beklagte Partei habe mangels weiterer kanadischer Versicherungszeiten nur die 45 vom kanadischen Träger bekannt gegebenen Wohnsitzmonate hinzurechnen können. Die insgesamt 177 Versicherungsmonate reichten aber für die Erfüllung der Wartezeit nicht aus, weshalb ein Anspruch auf die begehrte Pension nicht bestehe.

Die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen ist in jeder Hinsicht zutreffend. Hingegen ist der Standpunkt der Klägerin, die vom kanadischen Träger bei Ermittlung der von diesem zu erbringenden Leistung angerechneten Versicherungszeiten, darunter eben auch Wohnsitzzeiten in Österreich, hätten auch vom österreichischen Träger als Versicherungszeiten berücksichtigt werden müssen, nicht vertretbar. Diese Auffassung missachtet den allen zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen innewohnenden Grundsatz, dass dem Träger eines Vertragsstaates (Kanada) keine Befugnis zukommt, über die in einem anderen Vertragsstaat (Österreich) zurückgelegten Versicherungszeiten mit bindender Wirkung für diesen Staat abzusprechen (vgl die E des Senats vom 24. 1. 2000, 10 ObS 357/99v mwN). In strikter Beachtung dieses Grundsatzes hat nach den Feststellungen der kanadische Träger auf dem amtlichen "Verbindungsformular" auch lediglich die in Kanada zurückgelegten Versicherungszeiten bekannt gegeben, nämlich 45 Wohnsitzmonate. An diese Bekanntgabe war der österreichische Träger gebunden. Dass der kanadische Träger bei Ermittlung der von ihm zu erbringenden Leistung in Österreich erworbene Wohnsitzzeiten berücksichtigt hat, macht diese Zeiten nicht zu kanadischen Versicherungszeiten im Sinne der Bestimmungen des Abkommens. Ohne Einfluss auf diese Beurteilung muss die Tatsache bleiben, dass die Klägerin eine Teilpension vom kanadischen Träger bezieht. Bereits das Berufungsgericht ist allen rechtlichen Argumenten der Klägerin zutreffend entgegengetreten; in der Revision werden dem gegenüber keine neuen Gesichtspunkte geltend gemacht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit liegen nicht vor.

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