2Ob127/00s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Markus B*****, geboren am 28. Juli 1983, derzeit aufhältig in *****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Freistadt, Jugendwohlfahrt, 4230 Pregarten, Tragweinerstraße 29, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Eltern Rosa und Friedrich B*****, beide *****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 29. Juli 1999, GZ 14 R 395/99b, 396/99z-29, sowie über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Rosa B***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16. September 1999, GZ 14 R 457/99b-33, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Die in Ergänzung zu ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs erstattete weitere Eingabe der Mutter vom 10. April 2000, bezeichnet als "Einspruch" und beim Erstgericht überreicht am 11. April 2000, wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit den bekämpften Beschlüssen hat das Rekursgericht zunächst die antragsgemäße Bestellung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, Abteilung Jugendwohlfahrt, zum besonderen Sachwalter des Minderjährigen zur Beantragung der erhöhten Familienbeihilfe sowie weiters die Entziehung der elterlichen Obsorge gemäß § 176a ABGB und Übertragung derselben an die genannte Bezirkshauptmannschaft bestätigt. Grundlage hiefür bildeten die tristen familiären und gesundheitlichen Verhältnisse der Eltern, insbesondere der Mutter, wobei bezüglich der Einzelheiten auf die Berichte des Jugendamtes, den jugendpsychiatrischen Bericht der Oberösterreichischen-Landesnervenklinik, das psychologische Sachverständigengutachten des Dr. Klaus G***** sowie auch des Gendarmeriepostens Pregarten - sämtliche im Pflegschaftsakt - verwiesen werden kann. Das Rekursgericht erachtete - in Übereinstimmung mit dem Erstgericht - die getroffenen pflegschaftsgerichtlichen Maßnahmen als dem Wohl des Minderjährigen förderlich.
In beiden Rekursentscheidungen sprach das Rekursgericht aus, dass ein ordentlicher Revisionsrekurs hiegegen nicht zulässig sei, weil die Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG hiefür nicht vorlägen.
Gegen beide Rekursentscheidungen erhoben beide Elternteile als außerordentliche Revisionsrekurse aufzufassende Eingaben. Bezüglich der Rekursentscheidung vom 29. Juli 1999 wäre der letzte Tag der gesetzlichen Rechtsmittelfrist der 2. 9. 1999 gewesen; die Rechtsmitteleingabe beider Eltern datiert mit 1. 9. 1999 und ist beim Erstgericht am 6. 9. 1999 eingelangt (ON 32). Weder das Briefkuvert noch ein Postaufgabevermerk hiezu sind im Akt enthalten. Aus diesem Grund ist im Zweifel von der Rechtzeitigkeit der Rechtsmitteleingabe auszugehen, weil sich deren Verspätung auf Grund der Aktenlage nicht eindeutig ergibt (SZ 69/151; 8 Ob 104/97w, 8 Ob 175/98p). Gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des außerordentlichen Revisionsrekurses gegen den weiteren Beschluss des Rekursgerichtes vom 16. 9. 1999 wurde der Mutter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt (ON 47), sodass von der Rechtzeitigkeit dieses Rechtsmittels auszugehen ist. Die Zurückweisung des Rekurses des Vaters gegen diese Entscheidung mangels Beschwer (ON 41) ist dabei unangefochten geblieben, sodass hierauf nicht weiter inhaltlich einzugehen ist.
Anlässlich der dem Wiedereinsetzungsbewilligungsbeschluss zugrunde liegenden Einvernahme der Mutter legte diese zum bereits erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs eine weitere, als "Einspruch" bezeichnete zusätzliche Eingabe vor, die jedoch unzulässig ist. Jeder Partei steht nämlich nur eine einzige Rechtsmittelschrift zu. Weitere Rechtsmittelschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind selbst dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist angebracht werden (RIS-Justiz RS0041666; zuletzt 1 Ob 193/99k und 3 Ob 30/00a). Diese Eingabe der Revisionsrekurswerberin war daher zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Hinsichtlich der verbleibenden Rechtsmittelschriften mangelt es jedoch an den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, wem die Obsorge für ein minderjähriges Kind zu übertragen ist, ist immer eine solche des Einzelfalls, der keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne der zitierten Gesetzesstelle zuerkannt werden kann (RIS-Justiz RS0007101). Dieses pflichtgemäße Ermessen haben die Vorinstanzen in der vorliegenden Pflegschaftssache gewissenhaft beachtet. Im Hinblick auf die familiären Verhältnisse beider Kindeseltern kann keine Rede davon sein, dass die Unterbringung ihres jüngsten Sohnes im Rahmen der gesetzten Erziehungsmaßnahmen außerhalb des Elternhauses nicht dem Wohl des Minderjährigen (wesentlich) besser entspräche, wobei diesbezüglich auch auf den vom Erstrichter - unangekündigt - vorgenommenen Augenschein samt Befragung des Minderjährigen im Hof T*****, wo er pädagogisch betreut und untergebracht ist, hinzuweisen ist (ON 42).
Mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen waren daher sämtliche hiegegen ankämpfenden außerordentlichen Revisionsrekurse der Eltern (gegen den Beschluss des Rekursgerichtes vom 29. Juli 1999, ON 29) bzw der Mutter gegen den Beschluss des Rekursgerichtes vom 16. 9. 1999 (ON 33) zurückzuweisen.