12Os34/00 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Graf als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ing. Othmar C***** und weitere Angeklagte wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 2, 161 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann H***** und über die Berufung des Angeklagten Ing. Othmar C***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Oktober 1999, GZ 11d Vr 7366/99-95, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten Johann H***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Ing. Othmar C***** und Johann H***** wurden des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 2, 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil sie, und zwar Ing. Othmar C***** von 1. Jänner bis 7. November 1995 und Johann H***** vom 8. November 1995 bis 25. April 1996 als Geschäftsführer und damit leitende Angestellte (§ 309 Abs 2 StGB) der H***** BauGmbH, welche Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit dieser Gesellschaft fahrlässig die Befriedigung derer Gläubiger dadurch schmälerten, dass sie jeweils neue Schulden eingingen, Schulden zahlten und es unterließen, rechtzeitig die Einleitung eines Insolvenzverfahrens zu veranlassen.
Vom Anklagevorwurf des schweren Betruges (§§ 146, 147 Abs 3 StGB) zum Nachteil des Karl P***** wurden die Angeklagten ebenso wie die davon betroffene Doris G***** rechtskräftig freigesprochen. Diese Anklage war erhoben worden, nachdem der Einzelrichter (und nunmehriger Vorsitzender des Schöffensenates) zum ursprünglich gegen Ing. Othmar C***** und Johann H***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB gestellten Strafantrag ein Unzuständigkeitsurteil gefällt hatte (ON 40, 49, 51/IV).
Die gegen den Schuldspruch aus Z 1, 3, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann H***** geht fehl.
Rechtliche Beurteilung
Da die Ausschließungsgründe im Gesetz (§ 68 Abs 1 bis 4 StPO) taxativ aufgezählt sind (Mayerhofer StPO4 § 68 E 1 und 26), kommt die unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 1 StPO geforderte ausdehnende Auslegung des § 68 Abs 2 StPO auf den darin nicht genannten Fall der Sachentscheidung durch einen Richter, welcher zuvor ein (im Ergebnis) unberechtigtes Unzuständigkeitsurteil gefällt hatte, nicht in Betracht (Foregger/Kodek StPO7 § 68 Anm I). Dass der Angeklagte im Übrigen durch die Unterlassung der unverzüglichen Rüge der ihm in der Hauptverhandlung, und zwar noch vor der Urteilsfällung bekannt gewordenen (angeblich) nichtigkeitsbegründenden Tatumstände insoweit der Beschwerdelegitimation verlustig ging, sei nur vollständigkeitshalber erwähnt.
Prozessuale Beurteilungsmaxime einer Anklageausdehnung in der Hauptverhandlung ist allein die Bestimmung des § 263 StPO; eine Vorbereitungsfrist hinsichtlich der von der Staatsanwaltschaft in Richtung des nunmehr ergangenen Schuldspruchs (Punkt B; ident mit Punkt A/II des seinerzeitigen Strafantrages ON 25/III) ausgedehnten Betrugsanklage (484, 485/IV), welche auf Grund der geringeren Strafdrohung der dem Angeklagten damit angelasteten Tat seiner Zustimmung nicht bedurfte (§ 263 Abs 1 StPO), stand dem Beschwerdeführer - seiner Auffassung zuwider (Z 3) - demnach nicht zu (Mayerhofer StPO4 § 221 E 22; § 281 Z 3 E 25a).
Auch die - undifferenziert - ausgeführte Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) versagt.
Als Beweisgrundlage für jene Sachverhaltsprämissen, auf die sich das Urteil bei Bejahung der objektiven und subjektiven Sorgfaltswidrigkeit des Angeklagten stützt (US 10 und 12), diente dem Erstgericht keineswegs nur das Buchsachverständigengutachten, sondern auch die insoweit umfangreiche Verantwortung des Beschwerdeführers, welcher zu den in diesem Zusammenhang maßgebenden Tatumständen, etwa seinem Wissensstand über die finanzielle Lage der Firma H***** bei Übernahme der Geschäftsführung und über laufend einlangende Klagen und Exekutionsanträge sowie zur Art und Dauer seiner vorangegangenen Beschäftigung im Unternehmen als Bauleiter nicht nur in dem mit Unzuständigkeitsurteil erledigten ursprünglichen Kridaverfahren - in der Hauptverhandlung verlesene (487/IV) - Angaben machte (35 f/IV), sondern sich dazu auch im Rahmen des Betrugsverfahrens ausführlich äußerte (401 f, insbesondere 403, 419/IV).
Davon, dass im Sinne der Beschwerde zum Kridavorwurf kein Beweisverfahren durchgeführt wurde, kann daher keine Rede sein.
Weitere erörterungsbedürftige Beweisergebnisse (Z 5) vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen:
Dass der Angeklagte angeblich (35 f/IV) den Schuldenstand des Unternehmens unterschätzte, kann angesichts des Umfanges der Informationspflichten über das nach der Aktenlage - auch unter Bedachtnahme auf die Verantwortung des Beschwerdeführers - weder verschleierte noch ihm in irgendeiner Weise vorenthaltene Rechnungswesen, wie es einem mit ökonomischen Grundprinzipien vertrauten verantwortungsbewusst handelnden Kaufmann als in subjektiver Hinsicht entscheidender Maßstabfigur abzufordern ist, auf sich beruhen.
Ebensowenig vermag den Angeklagten der Umstand zu entlasten, dass er den Zahlungsverkehr, ohne seiner Überwachungspflicht hinreichend nachzukommen, weitgehend einer Angestellten überließ.
Da unter Schulden im Sinne des § 159 Abs 1 Z 2 StGB auch die mit der Unternehmensfortführung zwangsläufig weiter auflaufenden Sozialversicherungsbeiträge (Leukauf/Steininger Komm3 § 159 E 29) wie überhaupt alle im Deliktszeitraum neu eingegangenen Verbindlichkeiten zu verstehen sind, kommt dem von der Beschwerde ins Treffen geführten Umstand keine entscheidende Bedeutung zu, dass der Angeklagte keine neuen Dienstnehmer anstellte und die Schulden gegenüber verschiedenen Gemeinden (US 9) aus der Fortführung verschiedener Bauvorhaben (nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit) resultieren.
Dieses Vorbringen erweist sich auch als ungeeignet, erhebliche Bedenken (Z 5a) gegen die dem Schuldspruch zugrunde liegenden tragenden Urteilsannahmen zu erwecken.
Die schließlich behauptete rechtsfehlerhafte Beurteilung (Z 9 lit a) orientiert sich mit dem Argument, der seit längerem rechtspolitisch diskutierte Tatbestand der fahrlässigen Krida werde zum Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vermutlich bereits abgeschafft sein, prozessordnungswidrig nicht an tatsächlichen sondern an (mittlerweile falsifizierten) bloß spekulativen Gegebenheiten, weshalb die insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführte und im Übrigen offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann H***** bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen war (§§ 285d Abs 1 Z 1 und 2, 285a Z 2 StPO).
Die Entscheidung über seine Berufung und jene des Angeklagten Ing. Othmar C***** fällt damit in die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.