12Os29/00 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 31. März 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler und Dr. E. Adamovic als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Podrazil als Schriftführerin, in der beim Jugendgerichtshof Wien zum AZ 8 Vr 12/00 anhängigen Strafsache gegen Musa D***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 und Abs 4 Z 2 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Seni M***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 10. Februar 2000, AZ 21 Bs 39, 40, 49/00 (= ON 159), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Seni M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Der aus Gambia stammende Beschuldigte Seni M*****, nach eigenen, allerdings noch zu würdigenden Angaben (siehe ON 154/II) Jugendlicher, wird im oben bezeichneten Verfahren seit 11. Jänner 2000 aus den derzeit noch aktuellen Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO in Verbindung mit § 35 Abs 1 JGG in Untersuchungshaft angehalten (ON 30/I, ON 109/II), weil er - soweit haftrelevant - als dringend verdächtig angesehen wird, sich seit längerer Zeit bis zu seiner Festnahme am 7. Jänner 2000 als Mitglied einer darauf gerichteten kriminellen Organisation gewerbsmäßig am Inverkehrsetzen von Heroin und Kokain in einer zumindest großen Menge (S 381/II, 85/III) beteiligt und dadurch die Verbrechen nach § 28 Abs 2, Abs 3 und Abs 4 Z 2 SMG und § 278a Abs 1 Z 1 StGB begangen zu haben.
Das Oberlandesgericht Wien gab mit Beschluss vom 10. Februar 2000, AZ 21 Bs 39, 40, 44/00, einer Haftbeschwerde des Seni M***** nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft bis 10. April 2000 an (ON 159/III).
Die dagegen ausgeführte Grundrechtsbeschwerde des Seni M***** ist unbegründet.
Rechtliche Beurteilung
Bei Bedachtnahme auf die Gesamtheit der vom Gerichtshof zweiter Instanz detailliert und - im Gegensatz zur Beschwerdeauffassung - aktenkonform zur Begründung des dringenden Tatverdachtes herangezogenen Verfahrensergebnisse kommt der Behauptung, der Beschuldigte dürfte Opfer einer Verwechslung geworden sein, auch unter Berücksichtigung der dazu ins Treffen geführten Aussagedetails des anonymen Zeugen (445, 447/II) rein spekulativer Charakter zu (vgl ON 2, S 19, 123, 161, 227/I; S 21/II, ON 146/III). Ebensowenig ist es ein stichhältiger Grund, den gegen den Beschwerdeführer gerichteten dringenden Verdacht, im Rahmen einer kriminellen Organisation laufend von einer zentralen Verteilerstelle aus den Straßenverkauf von Heroin und Kokain organisiert zu haben, allein deshalb als aktenmäßig nicht gedeckt zu bezeichnen, weil zum Zeitpunkt der durchgeführten Hausdurchsuchung Suchtgift und Bargeld nur bei anderen Angehaltenen sichergestellt wurden (siehe jedoch 227/I), weiters der Tatzeitraum bisher noch nicht genau feststeht und Handies nicht nur von Suchtgiftdealern, diesfalls allenfalls verstärkt (9/I) und gezielt (37/III), sondern allgemein als Kommunikationsmittel eingesetzt werden.
Angesichts der unverändert auf eine einen mehr als zehn Mitglieder umfassenden Personenkreis der kriminellen Organisation hindeutende qualifizierte Verdachtslage, mögen diese auch noch nicht zur Gänze namentlich bekannt sein (445/II), kommt auch dem Umstand keine für die Qualifikation entscheidende Bedeutung zu, dass zwei Beschuldigte wegen Wegfalls des dringenden Tatverdachtes bereits aus der Untersuchungshaft entlassen wurden (ON 102/II).
Die bloße Behauptung, die schlechte Qualität des sichergestellten Suchtgiftes mache den Vorsatz des Seni M*****, insgesamt zumindest eine große Menge Suchtgift in Verkehr gesetzt zu haben, "fragwürdig", lässt jedwede Auseinandersetzung mit den dazu angestellten Überlegungen des Oberlandesgerichtes vermissen (85/III) und bedarf solcherart keiner weiteren meritorischen Erwiderung.
Bei der Art und der Qualität der spezifischen Verdachtslage wird der Fortbestand der Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO) von der Tatsache der Unbescholtenheit des Beschuldigten, seiner erstmaligen Hafterfahrung und des derzeit nicht exakt feststellbaren Beginns seiner kriminellen Aktivitäten nicht in Frage gestellt. Auch bei Begründung dieses Haftgrundes liegt demnach die behauptete Fehlbeurteilung nicht vor.
Auf die Einwände gegen die Fluchtgefahr war im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Haft bei dieser Sachlage nicht mehr näher einzugehen.
Den Bericht der Wiener Jugendgerichtshilfe (ON 97/II) hat das Oberlandesgericht bei Prüfung einer Haftalternative durch gelindere Mittel (§ 35 Abs 1 JGG) der Beschwerde zuwider nicht übergangen, sondern nach Lage des Falles als ungeeignet beurteilt, die Haftgründe zu bannen (89/III).
Soweit die Beschwerde schließlich kritisiert, dass Verhängung und Aufrechterhaltung der Haft zum Zwecke der Maßnahme außer Verhältnis stünden und die Dauer der Haft unverhältnismäßig geworden sei (§ 2 Abs 1 GRBG), lässt sie dafür jedwede Begründung vermissen und entzieht sich damit einer sachbezogenen Erwiderung.
Mangels Grundrechtsverletzung war die Beschwerde demnach ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.