Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Februar 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Handler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Walter H***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 8. Oktober 1999, GZ 17 Vr 1368/99-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten Walter H***** und des Verteidigers Dr. Grandl zu Recht erkannt:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Walter H***** wurde des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er an einem nicht näher feststellbaren Tag im April oder Mai 1999 in Ernstbrunn als Gendarmeriebeamter des Gendarmeriepostens Schleinbach mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich und die Tatverdächtigen an ihrem Recht auf Überprüfung des Verdachtes einer strafbaren Handlung gemäß den in Betracht kommenden Verfahrensvorschriften durch die zuständigen Behörden zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbrauchte, indem er nach Kenntniserlangung vom Verdacht der Begehung von Diebstählen durch Anton Kl***** und Miroslav Kr***** zum Nachteil des Manfred M***** die Verdächtigen "lediglich zur Rückerstattung des Diebsgutes aufforderte, an Stelle gemäß § 1 Abs 3 der Richtlinien-Verordnung, BGBl 1993/266, die Sicherheitsbehörde zu verständigen".
Nach dem wesentlichen Urteilssachverhalt (US 3 bis 6) wurde der seit 1. April 1999 als stellvertretender Postenkommandant dem Gendarmerieposten Schleinbach dienstzugeteilte Angeklagte im April oder Mai 1999 von seinem Freund Manfred M***** im Rahmen eines privaten Telefongesprächs davon informiert, dass dieser die beiden in seinem landwirtschaftlichen Betrieb ohne Beschäftigungsbewilligung angestellten slowakischen Arbeiter Anton Kl***** und Miroslav Kr***** verdächtige, ihm Werkzeug nicht unbeträchtlichen Wertes, unter anderem eine Motorsäge, gestohlen zu haben und er deshalb beabsichtige, die beiden im Rahmen eines am Betriebsort in Ernstbrunn - somit außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Angeklagten - durchzuführenden "Privatverhörs" mit dem Verdacht zu konfrontieren. Er bat aus diesem Grund den Angeklagten, ihn dabei zur Einschüchterung der Verdächtigen zu unterstützen. Dieser kam daraufhin im Wissen, dass ihm nach Lage des Falles in Ermangelung einer unmittelbar drohenden Gefahr für fremdes Eigentum in großem Ausmaß ein Einschreiten außer Dienst ausdrücklich untersagt war (§ 1 Abs 3 erster Satz RLV), dem Ersuchen seines Freundes nach, um ihm die mit der Erstattung einer Anzeige gegen die Verdächtigen zwingend verbundene Einleitung eines gegen ihn selbst gerichteten Verwaltungsstrafverfahrens wegen Zuwiderhandelns gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz zu ersparen. Zur vereinbarten Zeit fuhr er demnach nach Dienstschluss - aufforderungsgemäß in Dienstkleidung, wenn auch ohne Dienstwaffe - nach Ernstbrunn, wo M***** unter Mitwirkung einer privat organisierten Dolmetscherin die beiden Arbeiter in Anwesenheit des Angeklagten zum Verdacht befragen sollte. Sowohl M***** als auch dem Beschwerdeführer war dabei klar, dass eine Beweisführung wegen des nicht näher eingrenzbaren Tatzeitpunktes und des Fehlens eines ausschließlichen Gelegenheitsverhältnisses erschwert war. Gerade deshalb setzte Walter H***** auf seine Wirkung als erkennbar einschreitender Gendarmeriebeamter, um so dem ihm genau eröffneten Plan M*****s zum Durchbruch zu verhelfen, entweder das Diebsgut zurückzuerhalten oder zu erreichen, dass sich die voraussichtlich leugnenden Verdächtigen unter dem Druck dieser Geschehnisse (auch ohne Schuldbeweis) zur kostenlosen "Zwangsarbeit" während der nächsten zwei Monate (der Erntezeit mit einem erhöhten Arbeitskräftebedarf in der Landwirtschaft) bereitfänden. Als die beiden Arbeiter dann tatsächlich die Verübung jedweder Diebstähle bestritten, griff der Angeklagte in die Vernehmung ein, indem er sich an den kleineren, zuvor schon von M***** "lautstark" befragten Slowaken Miroslav Kr***** mit den Worten wandte: "Du Arsch, wenn du die Sachen hast, dann rück sie heraus! Ich geb dir eine Frist von zwei Monaten, sonst wird Anzeige erstattet". Da die beiden Arbeiter dennoch bei der "Leugnung" der Tat blieben, wurde die Vernehmung schließlich abgebrochen. Sie sind zwischenzeitig untergetaucht.
Das Verhalten des Beschwerdeführers war vom Wissen um den Befugnismissbrauch und von dem bedingten Vorsatz getragen, dadurch den Staat und die Tatverdächtigen an ihrem Recht auf Überprüfung des Verdachtes einer strafbaren Handlung gemäß den dafür vorgesehenen Verfahrensvorschriften zu schädigen und überdies die Arbeiter - unter vorbedachter Hintanhaltung einer Arbeitgeberbeanstandung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (US 5) - "via Diebstahlsbezichtigung zur Zwangsarbeit" für Manfred M***** zu nötigen (US 8).
Der gegen diesen Schuldspruch auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gegründeten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Als tatbestandsmäßigen Befugnismissbrauch wertete das Erstgericht im konkreten Fall ein Zuwiderhandeln gegen § 1 Abs 3 RLV als jene Norm, in welcher der gesetzesgewollt (arg: "nur") enge Rahmen für das Recht und die Pflicht zum Einschreiten sicherheitsbehördlicher Organe außerhalb ihres Dienstes taxativ festgelegt ist. Es lastete dem Angeklagten dabei - in Spruch und Gründen (US 2, 4, 5), somit ohne den behaupteten Widerspruch (Z 5) - eine Deliktsverwirklichung sowohl durch positives Tun an, indem der Beschwerdeführer ohne die vom Gesetz für das Einschreiten außer Dienst unabdingbar geforderte spezifische Gefahrenlage gegenüber den beiden slowakischen Staatsangehörigen einen hoheitlichen (Willkür )Akt setzte (§ 1 Abs 3 erster Satz RLV), als auch durch Unterlassen der deshalb gebotenen Verständigung der Sicherheitsbehörde, weil deren Einschreiten durch Ausübung sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dringend geboten erschien (§ 1 Abs 3 zweiter Satz RLV).
Soweit sich die Beschwerde gegen die Tatbestandsmäßigkeit dieser Unterlassung richtet (der Sache nach allein Z 9 lit a), ist sie zwar (im Ergebnis) berechtigt, für den Angeklagten ist damit allerdings nichts gewonnen:
Auf Grund des Urteilssachverhaltes (US 4), dass der Angeklagte vom Verdacht der in Rede stehenden strafbaren Handlungen als Privatperson (wenn auch am Dienstort) erfahren hatte, steht fallbezogen in erster Linie nicht die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ins Zentrum ihrer rechtlichen Schlussfolgerungen gerückte Frage zur Diskussion, ob den Angeklagten im konkreten Fall überhaupt eine Verständigungspflicht (s.o.) traf - die im § 1 Abs 3 RLV verankerten Dienstpflichten richten sich ja gerade an den nicht im Dienst befindlichen Beamtenkreis -, sondern vielmehr, ob bei der gegebenen Konstellation eine Garantenstellung im Sinne des § 2 StGB als Grundvoraussetzung strafrechtlicher Relevanz einer Unterlassung vorliegt.
Gerade diese Frage ist aber entsprechend der hier gebotenen restriktiven Auslegung bei ausschließlich privat erworbenem Wissen (schwere, das öffentliche Interesse massiv berührende Straftaten lagen nicht vor) zu verneinen (Kienapfel AT7 Z 30 RN 3 11, 11a; Bertel im WK § 302 RN 78).
Dass die strafrechtliche Haftung für die unterlassene Verständigung der Sicherheitsbehörde - ganz abgesehen von den dafür fallspezifisch fragwürdigen materiellen Voraussetzungen - in concreto aber auch deshalb als subsidiär entfiele, weil bei wertendem Vergleich dem pflichtwidrigen positiven Tun des Angeklagten das dominierende Gewicht an der Unrechtsverwirklichung zukommt (Leukauf/Steininger Komm3 Vorbem § 1 RN 9; Nowakowski im WK § 2 RN 41; Kienapfel AT7 Z 28 RN 25), sei demnach nur mehr der Vollständigkeit halber erwähnt.
Gerade darin, dass der Beschwerdeführer mit einer den gesetzlichen Bestimmungen zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen und fairen Überprüfung des Verdachtes strafbarer Handlungen massiv und diamentral entgegengesetzten Motivation wissentlich einem gesetzlichen Handlungsverbot zuwider gerade dann als Gendarmeriebamter aktiv in das bis dahin in seiner Gegenwart von seinem Freund durchgeführte "Privatverhör" eingriff, als dieser sein Ziel zur Erlangung eines Diebstahlsgeständnisses verfehlt hatte, und dabei durch die Aufforderung zur Rückgabe des angeblich gestohlenen Werkzeuges innerhalb einer bestimmten Frist bei sonstiger Erstattung einer Strafanzeige inhaltlich eine Maßnahme zur Vorbereitung eines Strafverfahrens vornahm, welche in abstracto zum hoheitlichen Pflichtenkreis des Angeklagten zählt, liegt der strafrechtlich verpönte Kern des gegen ihn erhobenen Vorwurfes. Demgegenüber tritt die zusätzliche Vernachlässigung einer gesetzlichen Verständigungspflicht soweit in den Hintergrund, dass eine gesonderte strafrechtliche Haftung entbehrlich erscheint.
Der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer de facto zu jenem Zeitpunkt pflichtwidrig in den Dienst stellte, als er in Dienstkleidung am Ort der Befragung der angeblich Verdächtigen erschien, um dabei anwesend zu sein und gegebenenfalls einzugreifen, ist dem Urteil, der Rechtsrüge zuwider (Z 9 lit a), auch ohne darauf gerichtete explizite Feststellung unzweifelhaft zu entnehmen.
Inwieweit eine rechtliche Beurteilung als hoheitliches Handeln des Angeklagten davon abhängig sein sollte, ob die Verdachtskonfrontierung in Form einer bloßen Befragung oder einer mit einer Niederschrift verbundenen förmlichen Vernehmung erfolgt, ist der Beschwerde (Z 9 lit a) ebensowenig zu entnehmen, wie irgendeine Begründung für die von ihr aufgestellte Behauptung, dass die - dem klaren Wortlaut des § 1 Abs 3 RLV entsprechende - Annahme eines darin statuierten gesetzlichen Handlungsverbotes "trivial und verfassungswidrig sei sowie den §§ 84 ff StPO zuwiderliefe". Auf dieses Vorbringen ist demnach nicht näher einzugehen (§ 285a Z 2 StPO).
Auch die Mängelrüge (Z 5) versagt.
Von einem außerdienstlich erlangten Wissen um den Diebstahlsverdacht ist das Erstgericht (aktenkonform - 37, 97, 137) ohnehin ausgegangen (US 4). Der Vorwurf einer insoweit unzureichenden bzw unvollständigen Urteilsbegründung geht daher ins Leere.
Entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen ist auch die festgestellte Kenntnis des Angeklagten von dem gegen Anton Kl***** und Miroslav Kr***** bestehenden Diebstahlsverdacht frei von formellen Begründungsmängeln. Abgesehen davon, dass dieses Wissen bei umfassender Betrachtung selbst in den von der Beschwerde zum Beweis des Gegenteils angeführten Zeugenaussagen (33, 35, 37, 101, 105, 143) eine tragfähige Grundlage findet, konnte sich das Erstgericht insoweit durchaus auch auf die mit seiner Aufforderung zur Rückstellung der vermeintlich gestohlenen Gegenstände unter Androhung einer Anzeige harmonierenden Verantwortung des Beschwerdeführers selbst stützen, wonach er von Manfred M***** vom Verdacht gegen die beiden Slowaken erfahren hatte (US 4 und 7 iVm S 87, 89).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht eine sich in der Tat manifestierende ausländerfeindliche Haltung des Angeklagten als erschwerend, seinen bisherigen ordentlichen Lebenswandel demgegenüber als mildernd.
Davon ausgehend verhängte es über Walter H***** nach §§ 43a Abs 2, 302 Abs 1 StGB eine unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 500 S, im Nichteinbringungsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.
Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten ist nicht berechtigt.
Da im konkreten Fall von einer atypisch leichten Form der spezifischen Deliktsverwirklichung nicht gesprochen werden kann, fehlt es schon an der Grundbedingung für die begehrte Anwendung des § 41 Abs 1 StGB (Leukauf/Steininger Komm3 § 41 RN 4), sodass nähere Erörterungen im gegebenen Zusammenhang entbehrlich sind.
Der Angeklagte vermag aber auch nichts aufzuzeigen, was innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens eine wesentliche Reduktion der Strafhöhe unter Ausschaltung der Geldstrafe rechtfertigen könnte:
Dass die Tat mit dem sonstigen Verhalten des Angeklagten in auffallendem Widerspruch steht, bildet neben dem ordentlichen Wandel keinen zusätzlichen Milderungsgrund (Leukauf/Steininger aaO § 34 RN 7).
Achtenswerte Beweggründe kommen der Berufung zuwider bei einem Beamten, der sich vor allem deshalb bewusst zum nicht unbeträchtlichen Schaden anderer über seine Amtspflichten hinwegsetzt, um einem Freund bei der Druckausübung auf illegal beschäftigte ausländische Arbeitskräfte behilflich zu sein, nicht in Betracht.
Ob im Sinne der Verantwortung des Walter H***** nur die Beschimpfung der Tatverdächtigen "ausländerfeindlich gemeint" war (88) oder das festgestellte Gesamtverhalten, ist für die Strafbemessung nicht relevant; entscheidend ist vielmehr, dass sich in der vorsätzlichen Boykottierung fundamentaler Beschuldigtenrechte mit dem Ziel, von den (bloß) Verdächtigen ohne gesicherten Kompensationsanspruch Arbeitsleistungen zu erzwingen, eine menschenverachtende Haltung manifestiert, die einer milderen Tatbeurteilung entgegensteht.
Selbst unter Bedachtnahme auf mögliche disziplinäre Folgen der - nicht auf eigenen finanziellen Vorteil ausgerichteten - Tat ist die begehrte Strafkorrektur, der im übrigen sehr wohl auch Gründe der Generalprävention entgegenstehen, demnach nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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