JudikaturOGH

13Os168/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Februar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Februar 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtswärterin Mag. Mezera als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Naser B***** wegen des Vergehens der Schändung nach § 205 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. August 1999, GZ 2d Vr 3450/99-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Pochieser zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Naser B***** wurde des Vergehens der Schändung nach § 205 (richtig, vgl US 10) Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 3. Juli 1998 in Wien Michaela V*****, die infolge ihrer starken Alkoholisierung in seinem Taxi eingeschlafen war und sich daher in einem Zustand befand, der sie zum Widerstand unfähig machte, dadurch, dass er versuchte, mit dem Finger in ihre Scheide zu fahren, wobei er sie dort intensiv berührte, zur Unzucht missbraucht hat.

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Verfahrensrüge (Z 4) ist der Angeklagte nicht legitimiert, weil in der gemäß § 276a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung, auf die es hier allein ankommt (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 31), kein Beweisantrag gestellt wurde (ON 15, insbesondere S 155).

Die teils in Verkennung ihres Wesens geltend gemachten Begründungsmängel (Z 5) liegen nicht vor:

Eine Urteilsbegründung ist undeutlich, wenn nicht zu erkennen ist, welche entscheidenden Tatsachen das Gericht als erwiesen angenommen hat; sie ist unzureichend, wenn entscheidungswesentliche Feststellungen gar nicht oder denkgesetzwidrig begründet worden sind, und aktenwidrig nur, wenn sie den entscheidungswesentlichen Inhalt einer Aussage, einer Urkunde oder eines anderen Beweismittels falsch wiedergibt (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 42, 114, 185).

Entgegen den vorgebrachten Einwänden hat das Erstgericht (nicht nur) die Möglichkeit der Tatverübung im Fahrzeug in aller Deutlichkeit bejaht (US 3, 5) und die Feststellungen zur subjektiven Tatseite mit den Aussagen des Tatopfers (v.a. S 138) und jenen der Zeugin Dr. B***** logisch und empirisch einwandfrei begründet (US 6). Der - wie dargelegt schon im Ansatz verfehlte - Vorwurf der "Aktenwidrigkeit" von Urteilsfeststellungen stellt nach Art und Zielrichtung nur einen im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen und demnach unbeachtlichen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes dar.

Mit dem Vorbringen (Z 5a), durch Ablehnung eines in der früheren Hauptverhandlung (vor Neudurchführung) gestellten Beweisantrages habe das Erstgericht gegen die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung verstossen, verkennt der Beschwerdeführer, dass die unvollständige Ausschöpfung möglicher Beweisquellen grundsätzlich nur aus der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO, somit nur unter der Voraussetzung entsprechender Antragstellung in erster Instanz gerügt werden kann. Lediglich ausnahmsweise, nämlich dann, wenn aus den Akten aufgezeigt wird, dass deshalb, weil das Gericht in gravierender Weise gegen die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung (§§ 3, 232 Abs 2, 254 StPO) verstossen hat, die Sachverhaltsermittlung derart mangelhaft geblieben ist, dass erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen auf der Basis der bisherigen Verfahrensergebnisse bestehen, kommt Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO in Betracht (SSt 59/36 uva). Solche Mängel werden aber vom Beschwerdeführer nicht dargetan (vgl auch US 9 f).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist, soweit die Tatbestandsmäßigkeit der Handlungsweise des Angeklagten mit dem Argument in Frage gestellt wird, wonach über die zeitliche Dauer und die Intensität seines Verhaltens keine Feststellungen getroffen wurden, nicht am gesamten Urteilssachverhalt orientiert, vernachlässigt sie doch prozessordnungswidrig, die dem Beschwerdeführer ausdrücklich zur Last gelegte intensive Berührung des Tatopfers an der Scheide (US 3).

Den weiteren Einwänden ist zu erwidern, dass sich sowohl eine schlafende als auch eine im Erwachen begriffene Person - zumal wie hier bei erheblicher Alkoholisierung (ca 3%o, US 4) - in einem Zustand befinden kann, der sie zum Widerstand unfähig macht, womit sie als Deliktsobjekt und Opfer der Schändung in Betracht kommt (11 Os 78/96 = JUS 1996/6/2145, vgl auch 14 Os 141/96). Auf Grund der Urteilsfeststellungen, wonach die Frau das Taxi des Angeklagten bestieg und infolge ihrer hochgradigen Alkoholisierung einschlief, befand sie sich in einem solchen Zustand, als sich der Angeklagte ihr sexuell näherte (US 5, 10). Die Tat wurde demnach dem richtigen Gesetz unterstellt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 205 Abs 2 StGB (vgl US 10, im Spruch offenbar auf Grund eines Schreibfehlers: Abs 1) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, wobei es gemäß § 43a Abs 3 StGB einen Teil von sechs Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend keinen Umstand, als mildernd den bisherigen ordentlichen Wandel.

Dagegen richtet sich die Berufung des Angeklagten, die eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren gänzliche bedingte Nachsicht anstrebt; sie erweist sich als nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat - entgegen der Meinung des Berufungswerbers - die Strafzumessungsgründe nicht nur vollständig und richtig erfasst sondern auch zutreffend gewichtet.

Der Angeklagte kann keine zusätzlichen Umstände darlegen, die eine fehlerhafte Strafzumessung aufzeigen. Insbesondere versagt mangels Vergleichbarkeit des Geschehens der Hinweis auf die Strafe, die in einem anderen Verfahren über einen anderen Täter verhängt wurde.

Unter Berücksichtigung des Tatunwertes und der Täterpersönlichkeit ist vielmehr die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe zutreffend ausgemessen, um dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat ausreichend Rechnung zu tragen.

Einer zur Gänze bedingten Strafnachsicht steht sowohl spezialpräventiv als auch generalpräventiv der Umstand entgegen, dass das in Fällen wie diesen als unzureichende Unrechtsfolge im Bereich des Sexualstrafrechtes angesehen werden würde.

Rückverweise