JudikaturOGH

10ObS163/99i – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Werner Hartmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Stöckelmayer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dervish G*****, vertreten durch Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. April 1999, GZ 11 Rs 15/99a-45, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Oktober 1998, GZ 20 Cgs 393/96h-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Wie der Revisionswerber selbst erkennt, können nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vom Berufungsgericht bereits verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz in der Revision nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 503; SSV-NF 7/74 mwN ua). Die Frage, ob die Parteienvernehmung des Klägers notwendig oder das berufskundliche Sachverständigengutachten (nochmals) zu ergänzen gewesen wäre, gehört im übrigen zur irrevisiblen Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann (SSV-NF 7/12; RIS-Justiz RS0043320).

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der am 27. 3. 1950 geborene Kläger, der keinen Berufsschutz genießt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG nicht erfüllt, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Den Revisionsausführungen ist ergänzend entgegenzuhalten, dass das Verweisungsfeld für Versicherte, die - wie der Kläger - nicht überwiegend in einem erlernten (angelernten) Beruf tätig waren, mit dem Arbeitsmarkt identisch ist (§ 255 Abs 3 ASVG; SSV-NF 2/34, 6/12 ua). Es kommen daher als Verweisungsberufe alle Tätigkeiten in Betracht, für die es einen Arbeitsmarkt gibt. Soweit der Revisionswerber ausführt, es sei ihm "unverständlich", wie er (als praktisch Einäugiger) ohne räumliches Sehen die festgestellten Verweisungsberufe (zB Verpackungsarbeiten etc) ausüben solle, ist er auf die (auf dem augenärztlichen, dem neuropsychiatrischen und dem berufskundlichen Sachverständigengutachten beruhende) Feststellung der Vorinstanzen zu verweisen, wonach die beim Kläger noch vorhandene Sehschärfe auf einem Auge für diese Tätigkeiten ausreicht. Soweit der Revisionswerber diese Feststellung bei seinen Überlegungen übergeht, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (Kodek aaO Rz 9 zu § 471).

Richtig weist der Revisionswerber auf die in § 255 Abs 3 ASVG enthaltene Zumutbarkeitsformel hin ("... durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet wird und die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeit zugemutet werden kann ..."), meint aber zu Unrecht, dass in seinem Fall "nach der Person des Versicherten als Ganzes" keine Verweisungstätigkeit mehr zumutbar wäre. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, steht die zitierte Zumutbarkeitsformel einer Verweisung auf Tätigkeiten, die den bisher ausgeübten unähnlich sind, nicht entgegen, sondern soll nur in den Ausnahmefällen eine Verweisung verhindern, die bei Berücksichtigung der schon ausgeübten Tätigkeiten als unbillig bezeichnet werden müsste (SSV-NF 2/34, 5/45, 6/12 ua; RIS-Justiz RS0084991).

Der Kläger war nach den Feststellungen in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag als Hilfsarbeiter (nach seinen Angaben gegenüber dem Sachverständigen als Bauhilfsarbeiter) tätig. Auf Grund seines medizinischen Leistungskalküls könnte er beispielsweise noch - wie schon erwähnt - Verpackungsarbeiten verrichten. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb ihm diese Tätigkeit unter billiger Berücksichtigung der früher von ihm ausgeübten Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könnte. Die Überlegungen des Revisionswerbers, dass ihm "nach seiner Person als Ganzes" keine Verweisungstätigkeit mehr zumutbar wäre, negieren offenbar in unzulässiger Weise die noch vorhandene restliche Arbeitsfähigkeit. Nach einem in der Lehre (Grillberger, Österreichisches Sozialrecht4 84; vgl auch 10 ObS 3/99k) vertretenen Standpunkt soll durch die Zumutbarkeitsformel vor allem verhindert werden, dass sich der Versicherte höher qualifzierte Berufe oder selbständige Erwerbstätigkeiten entgegenhalten lassen muss, die er bei seinem Gesundheitszustand noch ausüben könnte, obwohl hiefür eine grundlegende Umschulung notwendig wäre, die er oft gar nicht absolvieren könnte. Ein derartiges Problem liegt hier aber nicht vor.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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