JudikaturOGH

11Os95/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. November 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Harm als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karlheinz S***** wegen des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 1 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 25. Mai 1998, GZ 15 U 45/98t-27, und das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 16. Dezember 1998, AZ 4 Bl 130/98x (ON 34 des Strafaktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, und des Verteidigers Mag. Blum, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 25. Mai 1998, GZ 15 U 45/98t-27, wurde Karlheinz S***** (im zweiten Rechtsgang) vom Anklagevorwurf des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 1 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die dagegen von der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit und Schuld erhobene, im Ergebnis auf einen Schuldspruch wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels als Beitragstäter nach §§ 12 dritter Fall, 293 Abs 1 StGB abzielende Berufung (ON 30) wurde vom Landesgericht Feldkirch mit Urteil vom 16. Dezember 1998, AZ 4 Bl 130/98x (= ON 34 des Strafaktes), zurückgewiesen. Dieser Entscheidung lag folgender, bereits vom Erstgericht festgestellter Sachverhalt zugrunde:

Die Firma Waffenwerke G***** GmbH gewährt beim Kauf (nur) einer Pistole Angehörigen waffentragender Berufsgruppen gegen Vorlage des Waffenpasses und einer Kopie des Dienstausweises Sonderkonditionen, indem sie nur den Großhandelskaufpreis in Rechnung stellt.

Um nun auch Mitgliedern und "Gönnern" des Vorarlberger M*****verbandes, die nicht einer solchen Berufsgruppe angehören, diesen Preisvorteil zu verschaffen, bestellte Günther Go*****, der Kassier des M*****verbandes, über Aufforderung S*****s im Namen von Personen (darunter auch des Angeklagten selbst), welche diese Voraussetzungen erfüllten, bei der Firma G***** unter Vorlage der geforderten Unterlagen Pistolen. Die in der Folge an Go***** ausgelieferten Waffen wurden von diesem aber nicht an die "Besteller", sondern unmittelbar an die eigentlichen Interessenten weitergegeben (ON 27 S 4 f, ON 34 S 4 f).

Gemäß § 22 Abs 2 WaffG 1986 zeigte die Firma G***** (mit einer Ausnahme) die Überlassung der Faustfeuerwaffen an die (offiziellen, in den Urteilen als "Strohmänner" und "Scheinkäufer" bezeichneten) Käufer der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch an. In allen Fällen fertigte Günther Go***** auf Veranlassung des Angeklagten Weiterverkaufsmeldungen (über die Überlassung der Waffen vom jeweiligen "Strohmann" an den Endabnehmer) an und leitete diese der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zu, wo sie stets vor der entsprechenden Anzeige der Firma G***** einlangten (ON 27 S 5, ON 34 S 4 bis 6).

Entgegen der dem Bestrafungsantrag zugrundeliegenden Auffassung der Staatsanwaltschaft unterstellten die Gerichte diesen Sachverhalt nicht dem Tatbild des § 228 StGB, sondern jenem des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB, weil die Mitteilungen der Firma G***** an die Verwaltungsbehörde nach § 22 Abs 2 WaffG 1986 zwar echt, aber inhaltlich unrichtig und demnach als "Lugurkunden" anzusehen seien. Im Hinblick darauf aber, dass die Meldungen G*****s über den "Weiterverkauf" bei der Bezirkshauptmannschaft vor diesen "Lugurkunden" einlangten, mangle es letzteren an der Eignung zur Irreführung im Verwaltungsverfahren, weshalb dem Angeklagten der persönliche Strafaufhebungsgrund des § 294 Abs 1 dritter Fall StGB zugute komme.

Diese rechtliche Beurteilung steht nach Ansicht des Generalprokurators mit dem Gesetz aus folgenden Gründen nicht in Einklang:

Nach den - bis zum Inkrafttreten des Waffengesetzes 1997, BGBl I Nr 10, am 1. Juli 1997 und somit auch zur Tatzeit geltenden - § 22 Abs 2 des Waffengesetzes 1986 hatte im Falle der Veräußerung der Überlasser der Behörde, die den Waffenpass oder die Waffenbesitzkarte des Erwerbers ausgestellt hat, die Überlassung der Faustfeuerwaffe binnen sechs Wochen schriftlich anzuzeigen, wobei in der Anzeige die Namen und Anschriften des Überlassers und des Erwerbers, die Nummer des Waffenpasses oder der Waffenbesitzkarte des Erwerbers, Anzahl, Erzeuger (Marken), Kaliber und Nummern der überlassenen Faustfeuerwaffen anzugeben waren.

Zweck dieser - (nur) in Fällen der Veräußerung, dh eines durch Rechtsgeschäft erfolgenden Eigentumsüberganges einer Faustfeuerwaffe bestehenden - Anzeigepflicht war es, der Sicherheitsbehörde die erforderlichen Anhaltspunkte zur "Kontrolle des Verkehrs" mit Faustfeuerwaffen zu geben. Daraus ergibt sich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt werden sollte, dass die Behörde (lückenlos) von jedem Eigentumsübergang und jedem Eigentümer einer solchen Waffe Kenntnis erlangt und (vgl Hauer-Keplinger, Waffengesetz 1986 zu § 22 Abs 2: "... unter anderem ...") nicht nur, dass sie - wie das Landesgericht Feldkirch (ersichtlich unter Anlehnung an Czeppan/Szirba, Waffengesetz 1986 Anm 3 zu § 22 Abs 2) vermeint - (lediglich) in die Lage versetzt wird, eine Kontrollfunktion hinsichtlich der Anzahl der Faustfeuerwaffen (§ 19 WaffG 1986) auszuüben.

Das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels (§ 293 Abs 1 StGB) begeht, wer ein falsches Beweismittel herstellt oder ein echtes Beweismittel verfälscht, wenn er mit dem Vorsatz handelt, dass das Beweismittel in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht werde.

Einem solchen Täter kommt jedoch der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue zugute, wenn er freiwillig den Gebrauch des falschen oder verfälschten Beweismittels im Verfahren unterlässt oder verhindert oder die zur Irreführung geeigneten Veränderungen am Beweismittel vor dessen Verwendung im Verfahren beseitigt (§ 294 Abs 1 StGB).

Um in den Genuss (des zweiten oder dritten Falles) dieses Strafaufhebungsgrundes zu kommen, hätte der Angeklagte sich daher nicht darauf beschränken dürfen, Günther Go***** aufzufordern, für die umgehende Meldung (über die "Weitergabe" der Faustfeuerwaffen) zu sorgen (zumal damit nur ein weiterer Eigentumsübergang bzw Eigentümerwechsel vorgetäuscht und dem Beweismittel somit die Eignung zur Irreführung nicht genommen wäre), sondern er hätte die Bezirkshauptmannschaft hinsichtlich jedes einzelnen der erwähnten Waffenverkäufe darauf hinweisen müssen, dass es sich bei den von der Firma G***** in ihren Meldungen nach § 22 Abs 2 WaffG 1986 angeführten Waffenkäufern jeweils (nur) um "Strohmänner" gehandelt hat, die zu keinem Zeitpunkt Eigentümer dieser Waffen geworden sind, und gleichzeitig die wahren Käufer bekanntgeben müssen.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Die Prüfung eines tatbezogenen Strafaufhebungsgrundes - wie jenes der tätigen Reue nach § 294 Abs 1 StGB - setzt nach der begrifflich-logischen Struktur der Straftat die Tatbestandsmäßigkeit des Täterverhaltens voraus.

Vorliegend beurteilten die Untergerichte - von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen - den Urteilssachverhalt als Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB. Dieser Annahme liegt die Ansicht zugrunde, dass

Im Hinblick darauf, dass echte, aber unwahre Urkunden als sogenannte "Lugurkunden" Deliktsobjekte des § 293 StGB sein können und der Angeklagte mit dem deliktsspezifischen Vorsatz über Günther Go***** (unvorsätzlich handelnde) Verantwortlich der Firma G***** zur Ausstellung solcher "Lugurkunden" veranlasste, wurde der Tatbestand der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB durch den Angeklagten als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB als verwirklicht angesehen.

Diese rechtliche Schlussfolgerung ist indes schon deshalb fehlerhaft, weil die in Rede stehenden Anzeigen keinesfalls inhaltlich unrichtig waren und es demnach bereits am objektiven Tatbestand mangelt:

Die explizit in der Beschwerde vertretene, auch den angefochtenen Entscheidungen zugrundeliegende Auf- fassung, die in den (deshalb unwahren) Meldungen der Firma G***** nach § 22 Abs 2 WaffG 1986 als Käufer angeführten Personen seien zu keinem Zeitpunkt Eigentümer der Waffen geworden, weil sie nur als "Strohmänner" gehandelt hätten, hält einer Überprüfung nicht stand.

Tatsächlich kann nämlich der wenig präzise Ausdruck Strohmanngeschäft sowohl eine (grundsätzlich zulässige: vgl Strasser in Rummel2 § 1002 Rz 42) verdeckte Treuhand, aber auch ein Schein- oder ein Umgehungsgeschäft bezeichnen (Rummel in Rummel2, § 916 Rz 1).

Fallbezogen liegt ein (nach § 916 ABGB nichtiges) Scheingeschäft schon mangels eines dafür erforderlichen gemeinsamen dolus der Vertragspartner, einen (simulierten) Kaufvertrag nur zur Verdeckung eines anderen (des dissimulierten) Geschäftes schließen zu wollen, nicht vor (vgl SZ 42/134). Am Fehlen eines gemeinsamen Vorsatzes scheitert auch die Annahme eines Umgehungsgeschäftes.

Bei der verdeckten Treuhand hingegen, welche, soweit nicht zwingende Bestimmungen (etwa des Sachenrechtes, des Schuldrechtes oder des öffentlichen Rechtes) entgegenstehen, als Umweggeschäft aufgrund der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig ist, fungiert der als solcher nicht deklarierte Treuhänder (als Strohmann) für den als Treugeber nicht deklarierten Hintermann (s Strasser aaO).

Nach dem Urteilssachverhalt handelten die in der Anzeige der Firma G***** genannten, von Günther Go***** vertretenen Käufer als Treuhänder der eigentlichen Interessenten, um diesen einen sonst nicht erzielbaren Preisvorteil zu verschaffen. Die von ihnen im eigenen Namen abgeschlossenen Kaufverträge sind, weil damit zwingende Rechtsvorschriften, insbesondere solche des Waffengesetzes nicht umgangen wurden und auch der angestrebte Zweck, nämlich die Effektuierung eines wirtschaftlichen Vorteils, nicht den guten Sitten widerstreitet, rechtswirksam. Sie haben aber auch Eigentum an den Waffen erworben, obgleich diese nicht an sie selbst, sondern an einen Dritten, nämlich Günther Go***** ausgeliefert und von diesem an die "eigentlichen" Käufer (ihre Treugeber) weitergegeben wurden; ist doch ein Eigentumserwerb durch Übergabe an eine vom Erwerber verschiedene Person bei entsprechender Übereinkunft ohne weiteres möglich (8 Ob 15/69). In der Weiterleitung der Waffen an die Enderwerber liegt wiederum die für deren Eigentumserwerb erforderliche reale Güterbewegung.

Daraus folgt, dass die von der Firma G***** an die Bezirkshauptmannschaft zugesandten Anzeigen, in denen die Treuhänder als jene Personen bezeichnet werden, welchen die in Rede stehenden Pistolen überlassen wurden, den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten gerecht werden und daher keinesfalls inhaltlich unrichtig sind. Von einem falschen Beweismittel kann somit schon aus diesem Grunde keine Rede sein, womit sich eine Erörterung der Frage, ob eine Anzeige nach § 22 Abs 2 WaffG 1986 überhaupt als Beweismittel anzusehen ist, erübrigt.

Die von Günther Go***** über Veranlassung des Angeklagten in der Folge an die Bezirkshauptmannschaft erstatteten Mitteilungen über den Weiterverkauf der Waffen an die Endabnehmer ist somit kein Akt der tätigen Reue, sondern erfolgte ebenfalls in Entsprechung der Verpflichtung des Waffengesetzes, die Überlassung von Faustfeuerwaffen im Falle der Veräußerung der Behörde binnen sechs Wochen anzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

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