10ObS141/99d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hedwig F*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr. Georg Bruckmüller, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Feststellung von Versicherungszeiten, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. März 1999, GZ 11 Rs 54/99m-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. Oktober 1998, GZ 10 Cgs 99/98a-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte im Verfahren 10 Cgs 132/93m (vormals 10 Cgs 110/92) des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter die Gewährung einer Alterspension ab 1. 12. 1989. Mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. 9. 1996, 10 Cgs 132/93m-41, wurde dieses Klagebegehren abgewiesen. Es wurde festgestellt, daß die am 8. 1. 1922 geborene Klägerin ab Februar 1936 bis zu ihrer Eheschließung im März 1940 und danach noch bis Dezember 1940 in der Trafik ihres Vaters in Österreich ganztägig beschäftigt war. Sie erhielt dafür Kleidung und Essen, aber keine Lohnzahlung. Die vier Kinder der Klägerin wurden in den Jahren 1941 bis 1946 geboren. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin in Deutschland erworbenen sechs Versicherungsmonate kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß die Klägerin insgesamt nur 30 Versicherungsmonate erworben habe, sodaß sie die Wartezeit nach § 236 ASVG für die von ihr begehrte Leistung nicht erfülle. Der dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben.
Über Antrag der Klägerin stellte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter mit Bescheid vom 26. 2. 1998 fest, daß die Klägerin bis zum Ermittlungsstichtag 1. 12. 1989 24 Versicherungsmonate (Ersatzzeiten von Jänner 1939 bis einschließlich Dezember 1940) in der österreichischen Pensionsversicherung erworben habe.
Gegen diesen Bescheid erhob die im Verfahren erster Instanz nicht qualifiziert vertretene Klägerin Klage mit dem erkennbaren Begehren nach Feststellung von weiteren 42 Versicherungsmonaten. Sie habe nicht nur während der als Ersatzzeiten festgestellten Monate von Jänner 1939 bis Dezember 1940 in der Trafik ihres Vaters gearbeitet, sondern darüber hinaus mehr als halbtätig von Mitte März 1941 bis Ende Juli 1942, von Mitte November 1942 bis Ende April 1944 und von August 1944 bis Ostern 1945. Während dieser Zeiten sei sie regelmäßig ohne Entgelt im väterlichen Betrieb beschäftigt gewesen und sei auch keiner anderen Erwerbstätigkeit hauptberuflich nachgegangen. Es hätten daher diese Zeiten mit weiteren 42 Monaten als Versicherungszeiten festgestellt werden müssen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens im wesentlichen mit der Begründung, daß auch die neuerlich durchgeführten Erhebungen keine über die bereits festgestellten 24 Versicherungsmonate hinausgehenden Versicherungszeiten ergeben hätten. Auch eine Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung in Österreich sei nicht möglich, weil dies gemäß § 228a Abs 1 ASVG voraussetzen würde, daß der Zeit der Kindererziehung im Inland eine Beitragszeit vorangegangen sei oder eine Beitragszeit nachgefolgt sei. Die Klägerin habe jedoch in Österreich keine Beitragszeiten erworben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es übernahm die eingangs wiedergegebenen Feststellungen aus dem erwähnten Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien und führte im Rahmen der Beweiswürdigung noch ergänzend aus, daß aufgrund der eigenen Angaben der Klägerin, der Angaben ihres Gatten in seiner schriftlichen Erklärung vom 7. 2. 1994 sowie in seinem Schreiben vom 11. 11. 1991 im Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien keinerlei Anhaltspunkt für das Vorliegen weiterer Beschäftigungszeiten der Klägerin in der Trafik ihres Vaters ab Jänner 1941 bestehe.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß über die bereits festgestellten 24 Versicherungsmonate hinaus weitere Versicherungszeiten mangels Nachweises von Beitrags- und Ersatzmonaten nicht festzustellen seien. Auch Kindererziehungszeiten seien nicht zu berücksichtigen, weil den Zeiten der Kindererziehung im Inland eine Beitragszeit weder vorangegangen noch nachgefolgt sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, daß die von der Klägerin erworbenen Versicherungszeiten in gleicher Weise wie im Bescheid der beklagten Partei festgestellt wurden und das weitere Begehren der Klägerin abgewiesen wurde. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht), der unrichtigen Tatsachenfeststellung und der in der Rechtsrüge geltend gemachten Feststellungsmängel.
Die gegen dieses Urteil von der Klägerin erhobene und auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision ist gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 dieser Gesetzesstelle zulässig (SSV-NF 1/18; 10 ObS 125/93 ua). Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
In ihren Rechtsmittelausführungen rügt die Klägerin, das Erstgericht habe seine Anleitungspflicht verletzt. Es sei insbesondere eine Belehrung über die Notwendigkeit eines anspruchsbegründenden Vorbringens und über die Möglichkeit der Stellung von Beweisanträgen unterblieben. Das Berufungsgericht habe aufgrund unrichtiger Rechtsansicht eine Erledigung dieser bereits in der Berufung ausgeführten Mängelrüge unterlassen.
Die Klägerin macht somit in der Revision in erster Linie Mängel des Verfahrens erster Instanz geltend, die sie schon in der Berufung rügte. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Ausführungen auseinandergesetzt und hat darauf verwiesen, daß in der Mängelrüge als einziger konkreter Beweisantrag, zu dem das Erstgericht im Rahmen seiner Manuduktionspflicht die Klägerin anleiten hätte müssen, der Antrag auf Parteienvernehmung der Klägerin im Rechtshilfeweg genannt werde. Im übrigen vermöge die Berufung weder ein weiteres konkretes Vorbringen darzulegen noch Beweise aufzuzeigen, zu denen die Klägerin vom Erstgericht im Rahmen der Manuduktionspflicht angeleitet hätte werden sollen. Eine neuerliche Vernehmung der Klägerin als Partei zur Dauer ihrer Beschäftigung in der Trafik ihres Vaters sei jedoch im Hinblick auf die vom Erstgericht gemäß § 281a ZPO verlesene Aussage der Klägerin zum selben Beweisthema im erwähnten Verfahren des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien nicht erforderlich gewesen. Das Berufungsgericht gelangte daher zu dem Ergebnis, daß ein Verfahrensmangel nicht vorliege.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates, daß Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden können (SSV-NF 7/74; 3/115; 1/32 mwN ua). Ein Mangel des Berufungsverfahrens kann dann gegeben sein, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat (vgl Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 503 mwN ua). Davon kann jedoch im vorliegenden Fall entgegen den Ausführungen in der Revision nicht die Rede sein. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Verfahrensmangel mit einer inhaltlichen, der Aktenlage entsprechenden Begründung verneint. Diesen Ausführungen des Berufungsgerichtes liegt eine zutreffende Beurteilung der Sache zugrunde, weshalb auch der geltend gemachte Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht vorliegt.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.