JudikaturOGH

7Ob117/99b – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Hans Bichler und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei (nunmehr) Dr. Horst R***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der prot. Firma I***** Gesellschaft mbH, ***** wegen S 74.397,-- sA über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 3. Juni 1998, GZ 1 R 815/97t-23, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 23. September 1997, GZ 15 C 3559/95g-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich des Zuspruchs von 18 % Zinsen aus S 25.998,-- vom 14. 5. 1995 bis 12. 7. 1995, aus S 36.974,-- vom 13. 7. bis 19. 7. 1995, aus S 36.474,-- vom 20. 7. bis 1. 8. 1995, aus S 28.353,40 vom 1. 8. 1995 bis 20. 12. 1995 und aus S 26.023,40 vom 21. 12. 1995 bis 14. 2. 1996 sowie hinsichtlich der im Ersturteil erfolgten Abweisung eines Mehrbegehrens auf Zahlung von 20 % USt aus den Zinsen als unangefochten unberührt bleiben, werden im übrigen (hinsichtlich der Abweisung von S 74.397,-- samt 18 % Zinsen ab 28. 4. 1995) aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei führte 171 Kartons Videorecorder, die aus Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) stammten und auf dem Seeweg transportiert worden waren, im Auftrag des Versenders R***** in Österreich ein. Die Ware wurde im Begleitscheinverfahren unverzollt verplombt in das Zollager der Klägerin in W***** gebracht und sollte bis spätestens bis 27. 6. 1991 bei der Bestimmungszollstelle W***** stellig gemacht werden. Am 20. 6. 1991 gab die klagende Partei die Videorecorder gegen Einzug zweier an Order der G***** ausgestellter Konnossemente (Bill of Lading) Beil A, die an die I***** GmbH (im folgenden der Einfachheit halber weiter beklagte Partei genannt) indossiert worden waren, an diese heraus. Die Ware wurde noch am 20. 6. 1991 von einer Firma I***** - entweder von der Klägerin direkt oder von der über Veranlassung der Beklagten tätig gewordenen T***** Gesellschaft mbH - abgeholt. Im Positionsschein, Beilage P, scheint die beklagte Partei als Absender auf. Der betreffende von T***** ausgestellte Gegenschein, Beilage Q, aus dem die im Auftrag der Beklagten erfolgte Ausfolgung der Ware an T***** hervorgeht, enthält den Vermerk "Achtung: Sie übernehmen die volle Haftung für die richtige Stellung des BAR beim öster. Zollamt." Im zweifach ausgestellten - ein Exemplar war für die Bestimmungszollstelle bestimmt - "Einheitspapier" (Warenerklärung bzw Begleitschein) Beilagen C und J, das von der klagenden Partei bei Abholung übergeben wurde, scheinen folgende Vermerke auf: "R*****" als Versender, "W*****" als Empfänger, "Arabische Emirate" als Versendungsland, "Österreich" als Bestimmungsland; ferner "171 Kartons Videorecorder, Rohmasse 953 kg", "W*****" als Bestimmungszollstelle, "S*****..." als Hauptverpflichteter. Ausstellungsdatum "20. 6. 1991". Weiters geht aus den Urkunden Beilagen C und J hervor, daß die Stelligmachung bis längstens 27. 6. 1991 durchzuführen sei, am 20. 6. 1991 vom Zollamt W***** die Verplombungen bestätigt worden seien und am 21. 6. 1991 die Lieferung als korrekt ("konform") vom Zollamt D***** bestätigt worden sei.

Entgegen diesem Vermerk wurde die Warenlieferung allerdings nicht ordnungsgemäß zur Verzollung gestellt, sondern es wurde die Verbringung der Ware ins Ausland über das Zollamt D***** nur vorgetäuscht. Diesbezüglich ist zu 24c Vr 12.538/92 beim Landesgericht für Strafsachen Wien ua gegen Simeon B***** und andere Beschuldigte ein Strafverfahren wegen §§ 11, 35 (1), 38 (1) a und b Finanzstrafgesetz anhängig.

Im Hinblick auf die Nichtstellung des Begleitscheingutes wurde der klagenden Partei vom Hauptzollamt W***** mit Haftungsbescheid vom 23. 3. 1995 (Beilage D) der Gesamtbetrag von S 70.989,-- zur Zahlung vorgeschrieben. Die klagende Partei hat diesen Bescheid nicht bekämpft, sondern den ihr vorgeschriebenen Betrag am 3. 5. 1996 entrichtet und in der Folge vergeblich versucht, die beklagte Partei zu veranlassen, ihr diesen Betrag zu ersetzen.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte sie (neben anderen Zahlungen, die im Revisionsverfahren nicht mehr streitumfangen sind) von der Beklagten zuletzt im Regreßweg (unter Berücksichtigung einer sog. Vorlageprovision) den der Höhe nach außer Streit stehenden Betrag von S 74.397,-- (sA) mit der Begründung, die Beklagte habe sich jedenfalls schlüssig verpflichtet, die Ware ordnungsgemäß bei der Bestimmungszollstelle W***** zu stellen. Da die Stellung aber unterblieben sei, was zum erwähnten Haftungsbescheid geführt habe, habe ihr die Beklagte den Klagsbetrag zu ersetzen.

Die beklagte Partei beantragte die Klage abzuweisen. Sie wendete im wesentlichen ein, sämtliche Verpflichtungen aus der Übernahme des Begleitscheines erfüllt zu haben. Aus den von der Klägerin vorgelegten Urkunden ergebe sich nicht, daß sie, die Beklagte, die Sendung übernommen habe. Jedenfalls habe sie mit der Stellung der Sendung nichts mehr zu tun gehabt. Da die Sendung beim Zollamt D***** ordnungsgemäß gestellt worden sei, hätte die klagende Partei entsprechende Rechtsmittel gegen den Bescheid erheben müssen. Eine Fälschung der Ausgangsstempel sei sicherlich nicht ihr, der Beklagten, anzulasten. Sie wende ausdrücklich auch ihre mangelnde Passivlegitimation ein und führe hiezu aus, daß die klagende Partei in ihrer Funktion als Spediteur für die Gebühren ihres Auftraggebers hafte, der letztendlich zahlungspflichtig sei. Daher könne die Klägerin die ihr vorgeschriebenen Gebühren an ihren Auftraggeber weiter verrechnen. Der Klägerin sei daher überhaupt kein Schaden entstanden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme des Mehrbegehrens auf Zahlung von 20 % USt aus den Zinsen - statt. Der von ihm festgestellte Sachverhalt wurde im wesentlichen bereits eingangs wiedergegeben. Rechtlich führte das Erstgericht aus, die klagende Partei habe die Ware ordnungsgemäß verplombt als Spediteur in Gewahrsam gehabt und aufgrund der Vorlage der Konnossemente einem von der beklagten Partei beauftragten Spediteur mit dem Hinweis übergeben, daß der Übernehmer die volle Haftung für die richtige Stellung beim österreichischen Zollamt übernehme; gleichzeitig habe sie das für die Verzollung erforderliche Einheitspapier übergeben. Die beklagte Partei hafte daher jedenfalls für die Zollabgaben, da es sich bei dem von ihr beauftragten Spediteur oder Frachtführer, der allenfalls ein Zollvergehen zu verantworten habe, um ihren Erfüllungsgehilfen handle. Eine Berufung der klagenden Partei gegen den Bescheid des Hauptzollamtes hätte ihre Zahlungspflicht nicht hintanhalten können, weshalb der Einwand, sie habe durch die Unterlassung eines Rechtsmittels ihre vertragliche Schutzpflicht verletzt, ins Leere gehe. Dem Spediteur seien zwar von ihm entrichtete Zollabgaben vom Versender zu ersetzen. Es müsse ihm allerdings das Recht zuerkannt werden, den seinem Auftraggeber allenfalls erwachsenen Schaden gegenüber einem Dritten, im vorliegenden Fall der beklagten Partei, geltend zu machen, solange er dem Auftraggeber den Schaden nicht ersetzt habe und daher mangels eines eigenes Schadens auch nicht Regreß nehmen könne. Diesbezüglich liege überhaupt kein Vorbringen vor, weshalb davon auszugehen sei, daß der Auftraggeber die Zollabgaben an die klagende Partei nicht bezahlt habe.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung der ersten Instanz dahin ab, daß es das Klagebegehren nach Zuspruch von S 74.397,-- sA abwies. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts, die es nur hinsichtlich des Umstandes, von wem das Begleitscheingut bei der klagenden Partei abgeholt wurde, für unklar erachtete und deshalb im Sinne jener - zwei Möglichkeiten einräumenden - Feststellung abänderte, die hier eingangs wiedergegeben wurde. Das Berufungsgericht schloß sich bei der Beurteilung dieses Sachverhalts der Rechtsauffassung der Beklagten an, diese treffe keine Haftung, weil sie ihre Verpflichtungen erfüllt habe. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründe die Ersatzpflicht nach § 119 Abs 1 ZollG 1988 eine weitgehende Erfolgshaftung des Begleitscheinnehmers, die von einem Verschulden unabhängig sei. Übergebe der Begleitscheinnehmer das Gut samt Begleitschein einer anderen Person zur Beförderung, gehe die Stellungspflicht auf diese Person, und unter denselben Bedingungen auch auf jede andere nachfolgende Person über. Abgabenrechtlich sei der Übergang der Stellungspflicht ohne Bedeutung, weil sich an der Haftung der Begleitscheinnehmers hiedurch nichts ändere. Löse ein anderer als der Begleitscheinnehmer eine Zollschuld (gemäß § 174 Abs 3 lit a erster Fall ZollG) aus, sei dieser Haftungsschuldner gemäß § 119 Abs 1 ZollG und jener Zollschuldner. Dabei schade es nicht, wenn der Abgabenschuldner unbekannt bleibe. Es stehe im freien Ermessen der Zollbehörde, ob sie sich an den Zollschuldner oder an den Hauptverpflichteten gemäß § 119 Abs 1 ZollG wende. Zollschuldner und Begleitscheinnehmer hafteten solidarisch. Der Begleitscheinnehmer könne gemäß § 1358 ABGB nach Zahlung der Ersatzforderung gegen den Zollschuldner Regreß nehmen. Daraus folge, daß der Hauptverpflichtete gemäß § 119 Abs 2 ZollG keinen Rechtsanspruch auf Geltendmachung der kraft Gesetzes entstehenden Zollschuld gegenüber dem Warenempfänger habe. Den Warenführer treffe - es sei denn, er sei ein öffentliches Verkehrsunternehmen - keine Ersatzpflicht. Daß die Beklagte einen Tatbestand gesetzt hätte, der sie als Zollschuldner erscheinen ließe, sei von der Klägerin nicht einmal behauptet worden. Damit bestehe keine Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin, die sich nach § 119 ZollG iVm § 7 BAO ergäbe.

Die Vereinbarung, auf die die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch (weiters) stütze, könnte nach den Feststellungen des Erstgerichts nur schlüssig zustandegekommen sein. Die Klägerin berufe sich auf den Übergang der Stellungspflicht auf die Beklagte, die allerdings in § 119 ZollG begründet sei und öffentlichrechtlichen Charakter habe. Doch versuche die Klägerin offenkundig, daneben Garantiepflichten der Beklagten aus der Übernahme des Begleitscheingutes samt Begleitschein abzuleiten. Der vom Erstgericht festgestellte Vermerk an Gegenschein Beilage Q "Achtung, Sie übernehmen die volle Haftung für die richtige Stellung des BAR beim Österreichischen Zollamt" sei allerdings nichts anderes als ein Hinweis auf die Zollhängigkeit der Ware, die sich auch schon aus dem Begleitschein selbst ergebe. Auch im Zusammenhang mit den übrigen festgestellten Begleitumständen sei die Klägerin nicht zur Annahme berechtigt gewesen, die Beklagte wolle ihr gegenüber eine vertragliche Verpflichtung übernehmen, die Stellung (über Erfüllungsgehilfen, für deren Verschulden die Klägerin wie für eigenes hafte) zu veranlassen oder vorzunehmen und die Klägerin dadurch von ihrer gemäß § 119 Abs 3 ZollG bestehenden Haftung als Hauptverpflichteter zu entlasten und sich damit selbst eine Last aufzuerlegen, die sie nach dem Gesetz nicht getroffen habe, bloß um der Klägerin einen möglicherweise wenig aussichtsreichen Regreß gegen den Zollschuldner zu ersparen. Die Auslegung des Erklärungsverhaltens der Streitteile ergebe daher, daß die Beklagte keinen Bindungswillen im Sinne der von der Klägerin behaupteten Haftungsübernahme zum Ausdruck gebracht habe. Die Klägerin habe daher auch keinen vertraglichen Anspruch, den von ihr geleisteten Zollersatz von der Beklagten ersetzt zu bekommen.

Nachdem das Berufungsgericht die Revision zunächst für unzulässig erklärt hatte, änderte es diesen Ausspruch über Antrag der klagenden Partei gemäß § 508 ZPO dahin ab, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Nach Erstattung der Revision wurde über das Vermögen der (ursprünglich) beklagten Partei mit Beschluß vom 2. 10. 1998 der Anschlußkonkurs eröffnet, worauf das Berufungsgericht mit Beschluß vom 2. 12. 1998 die Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 7 Abs 1 KO festhielt.

Mit Schriftsatz vom 21. 12. 1998 beantragte die Klägerin unter Hinweis darauf, daß sie die gegenständliche Forderung im Konkurs angemeldet habe und sie vom Masseverwalter in der Prüfungstagsatzung bestritten worden sei, die Fortsetzung des Verfahrens und änderte das Klagebegehren dahin ab, daß nunmehr die Feststellung begehrt werde, der Klägerin stehe im Konkurs über das Vermögen der vormals Beklagten als Konkursforderung eine Forderung von S 74.397,-- sA zu. Mit Beschluß des Berufungsgerichtes vom 30. 12. 1998 wurde das Verfahren fortgesetzt und dem Masseverwalter die Revision zugestellt. Er hat aber keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

Zunächst ist festzuhalten, daß das für den maßgeblichen Zeitpunkt der Einfuhr der gegenständlichen Waren im Juni 1991 im (mittlerweile außer Kraft getretenen) Zollgesetz 1988 (§§ 119 bis 126) geregelte Begleitscheinverfahren bezweckt, die Erhebung der Eingangsabgaben "wegen der geographischen Lage und der Verkehrsverhältnisse" im Inneren des Zollgebietes zu ermöglichen (VwGH 25. 9. 1991, ÖStZB 1992, 237). Ein Charakeristikum des Begleitscheinverfahrens ist die Begleitung der zollhängigen Ware durch den Begleitschein, was im Rahmen der allgemeinen Zollaufsicht auch während der Beförderung der Ware eine jederzeitige Kontrolle ermöglicht (VwGH 27. 10. 1983, VwSlg 5822 F).

Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, stellte für die hier zentrale Frage einer Stellungspflicht der beklagten Partei (auf deren Verletzung die klagende Partei ihren gegenständlichen Schadenersatzanspruch stützt) § 119 ZollG 1988 die maßgebliche rechtliche Bestimmung dar. Die für den vorliegenden Fall wesentlichen Absätze 1, 2 und 3 leg cit (Abs 4 ist hier nicht von Belang) in der 1991 geltenden Fassung (die jener des Zollgesetzes 1955 entspricht, weshalb auch die dazu vorhandene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes anwendbar blieb) lauteten:

(1) Die zum Begleitscheinverfahren abgefertigten Waren (Begleitscheingut) sind der Bestimmungszollstelle vollständig, unverändert und unbenutzt sowie mit unverletzten Verschlüssen und Nämlichkeitszeichen zu stellen; § 7 Abs 3 und 4 ZollG bleibt unberührt. Die Stellung hat weiters innerhalb der Stellungsfrist und unter Vorlage des Begleitscheines zu erfolgen.

(2) Zur Stellung ist derjenige verpflichtet, der die Abfertigung zum Begleitscheinverfahren beantragt hat (Hauptverpflichteter). Die Stellungspflicht geht auf jeden über, dem der Begleitschein und das Begleitscheingut nachweislich übergeben werden (Warenführer).

(3) Wird die Stellungspflicht nach Abs 1 erster Satz verletzt, so hat der Hauptverpflichtete insoweit für den auf das Begleitscheingut entfallenden Zoll Ersatz zu leisten (Ersatzforderung); § 7 BAO gilt sinngemäß. Ist der Warenführer ein öffentliches Verkehrsunternehmen, so geht mit der Stellungspflicht auch die Ersatzpflicht auf ihn über.

Zutreffend hat nun das Berufungsgericht, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend, ausgeführt, daß die Zollersatzpflicht des Begleitscheinnehmers ungeachtet eines Überganges der Stellungspflicht auf den Warenführer bestehen bleibt und bei "Nichtstellung" durch den Warenführer wirksam wird. Nach herrschender Meinung (aA Breustedt, Amtshaftung bei Nichtstellung von Begleitscheingut in JBl 1969, 653 ff) besteht diese Ersatzpflicht unabhängig von einem Verschulden des Begleitscheinnehmers (vgl Reeger-Stoll, Komm zur Bundesabgabenordnung, Anm 15 zu § 3 BAO), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick darauf, daß der Begleitscheinnehmer gemäß § 7 Abs 4 ZollG dann nicht zu haften hat, wenn das Begleitscheingut durch Zufall oder höhere Gewalt untergegangen ist, regelmäßig von einer "weitgehenden Erfolgshaftung" spricht (SZ 43/216; VwSlg 6475 F jeweils mwH). Wie der Oberste Gerichtshof in SZ 43/216 ausgeführt hat, erlischt die Verpflichtung des Begleitscheinnehmers zur Stellung des Begleitscheingutes beim Empfangszollamt mit der Übergabe des Begleitscheingutes und des Begleitscheines an den Warenführer gemäß § 119 Abs 3 ZollG und bleibt nur seine Verpflichtung, bei Nichtstellung des Begleitscheingutes für den entgangenen Zollersatz zu leisten, aufrecht. Da dem Begriff der "Stellung" nur eine fristgerechte Vorführung des unveränderten Begleitscheingutes, gegebenenfalls mit unverletztem Zollverschluß, unter Vorlage des Begleitscheines entspricht, der Begleitscheinnehmer aber im Fall des § 119 Abs 3 ZollG das Begleitscheingut und den Begleitschein nicht mehr hat, könnte er auch - solange ihm der Warenführer nicht beides wieder zurückgestellt hat - einer Stellungspflicht gar nicht mehr nachkommen. Obgleich auf öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse, wie Breustedt aaO hervorhebt, unter Umständen und insoweit das Gesetz nichts anderes anordnet, auch privatrechtliche Bestimmungen hilfsweise oder analog anwendbar sein können (VfSlg 129, 991 und 3909), erscheint deshalb eine Konstruktion, nach der der Warenführer Erfüllungsgehilfe des Begleitscheinnehmers bei dessen Stellungspflicht wäre (vgl Breustedt aaO) unhaltbar. Der Warenführer kann höchstens als Besorgungsgehilfe des Begleitscheinnehmers im Sinne des § 1315 ABGB angesehen werden (SZ 43/216).

Diese Überlegungen müssen auch für das Verhältnis zwischen zwei aufeinanderfolgenden Warenführern Geltung haben. Mit der nachweislichen Übergabe des Begleitscheins und des Begleitscheingutes erlischt demnach die Stellungspflicht des Übergebers bzw geht auf den Übernehmer über, wobei dem Übernehmer allenfalls die Stellung eines Besorgungsgehilfen des Übergebers zukommt.

Im vorliegenden Fall hatte die klagende Partei der beklagten Partei aufgrund der Vorlage der Konnossemente das Begleitscheingut herauszugeben. Ob dabei der Beklagten auch der Begleitschein von der Klägerin unmittelbar übergeben wurde, geht aus den Feststellungen der Vorinstanzen nicht klar hervor, wird aber von beiden Streitteilen in Revision- und Revisionsbeantwortung offenbar unterstellt, weshalb davon ausgegangen werden kann. Es kann dann aber nicht zweifelhaft sein, daß die beklagte Partei nach der Definition des § 119 Abs 2 zweiter Satz ZollG als Warenführer anzusehen war. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde das (von der Beklagten zwar übernommene, aber zunächst offenbar bei der klagenden Partei verbliebene) Begleitscheingut in der Folge entweder von der Firma T***** oder der Firma I***** übernommen bzw weitertransportiert. Ob den genannten Firmen von der beklagten Partei auch der Begleitschein übergeben wurde (und sie daher allenfalls als (weitere) Warenführer im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung anzusehen sind) wurde allerdings nicht festgestellt. Der Umstand, daß - wie aus dem Begleitschein Beilagen C und J ersichtlich - beim Zollamt D***** ein (die Ausfuhr der Ware vortäuschender) Stellungsvermerk erlangt wurde, deutet zwar nach den vorliegenden Kopien aus dem erwähnten Strafakt darauf hin, daß der Begleitschein von I***** dort vorgelegt wurde. Nicht ganz ausgeschlossen werden kann aber doch auch eine Begleitscheinvorlage durch die Beklagte selbst, zumal deren Verhältnis zu I***** nicht geklärt wurde. Insbesondere ist ungeklärt, unter welchen Umständen bzw rechtlichen Voraussetzungen die Firma I***** überhaupt in den Besitz des Begleitscheingutes gelangen konnte. Wäre etwa eine Stelligmachung des Begleitscheinguts durch die Beklagte unterblieben, weil diese in irgendeiner Weise am Schmuggel beteiligt war, hätte sie der klagenden Partei zu haften (vgl SZ 43/216). Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang zur Feststellungsrüge der Beklagten lediglich ausgeführt, dieser sei zuzugeben, daß das Beweisverfahren einen Zusammenhang zwischen ihr und I***** nicht ergeben habe. Dergleichen sei vom Erstgericht aber auch nicht festgestellt worden (US 6 f). Ohne nähere Klärung dieser Umstände läßt sich aber die Frage einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung der Beklagten, das Begleitscheingut stellig zu machen, nicht verläßlich beurteilen. Die Verletzung einer solchen, sie nach § 119 Abs 2 ZollG 1988 treffenden öffentlich-rechtlichen Stellungspflicht wäre aber Voraussetzung dafür, daß die Beklagte der Klägerin den dieser entstandenen Schaden (Zollersatz) zu ersetzen hätte.

Beizupflichten ist dem Gericht zweiter Instanz nämlich darin, daß eine konkludente vertragliche Übernahme der Stellungspflicht durch die beklagte Partei nach dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt nicht in Betracht kommt. Es ist kein Umstand ersichtlich, wonach die beklagte Partei irgendeine Veranlassung gehabt haben sollte, sich - über eine allfällige öffentlich-rechtliche Stellungspflicht hinaus - diesbezüglich gegenüber der klagenden Partei zu verpflichten. Aus dem Vermerk im Gegenschein Beilage Q "Achtung: Sie übernehmen die volle Haftung für die richtige Stellung des BAR beim Österreichischen Zollamt" läßt sich die von der Klägerin behauptete stillschweigende Vereinbarung keineswegs ableiten. Selbst wenn - was nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht ohne weiteres gesagt werden kann - dieser Vermerk von der klagenden Partei stammte und für die beklagte Partei bestimmt war und von dieser stillschweigend zur Kenntnis genommen wurde, könnte dies keineswegs als konkludente Zustimmung zu einer vertraglichen Übernahme der Stellungspflicht angesehen werden. Bestand doch für eine solche (zusätzliche) vertragliche Bindung im Hinblick auf die von § 119 ZollG statuierte öffentlich-rechtliche Stellungspflicht des Warenführers keinerlei Notwendigkeit oder Bedürfnis.

Eine Verbreiterung der Sachverhaltsbasis ist daher allein in Richtung der Untersuchung notwendig, ob die Stellungspflicht der beklagten Partei aufgrund des Eintretens eines oder mehrerer weiterer Warenführer im Sinne des § 119 Abs 2 ZollG 1988 erloschen ist, oder nicht. Zur Klärung dieser Frage erweist es sich als notwendig, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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