15Os66/99 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Ratz und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aichinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rusmira und Dobrivoje R***** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Jänner 1999, GZ 11 c Vr 8766/97-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden und die (angemeldeten) Berufungen wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Rusmira (geborene M*****) und Dobrivoje R***** der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (A.) und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (B.) schuldig erkannt.
Danach haben Rusmira R***** als formelle Geschäftsführerin und Dobrivoje R***** als faktischer Geschäftsführer der R***** mbH im tatsächlichen Zusammenwirken als Beteiligte (gemeint: als unmittelbare Täter gemäß § 11 erster Fall FinStrG) vorsätzlich eine Verkürzung nachgenannter Abgaben bewirkt, nämlich
A. unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht
I. eine in zu niedriger Festsetzung gelegene Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben, nämlich jeweils an Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuer, indem sie unrichtige, Erlös und Gewinn zu gering ausweisende Steuererklärungen (samt zugehöriger Bilanzen) abgaben, sodaß darauf beruhende (unrichtige) Bescheide erlassen wurden, und zwar
1. am 22. April 1991 für das Jahr 1990 um insgesamt 2,644.869 S,
2. am 25. März 1992 für das Jahr 1991 um insgesamt 2,692.733 S und
3. am 12. Oktober 1993 für das Jahr (nach A.I.3. der Anklageschrift ersichtlich gemeint) 1992 um insgesamt 2,621.144 S;
II. von Anfang 1990 bis Ende 1994 eine in unterbliebener Entrichtung gelegene Verkürzung der selbst zu berechnenden Kapitalertragsteuer für die verheimlichten, aus den verschwiegenen Eingängen zugeflossenen Erlöse als verdeckte Gewinnausschüttung, indem sie ihre Einbehaltung, Anmeldung und Abfuhr unterließen, für die Jahre 1990 bis 1994 um insgesamt 3,698.409 S;
B. eine unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen in unterbliebener Entrichtung gelegene Verkürzung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuervorauszahlungen, die sie nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten haben, indem sie (plangemäß) nicht alle Geschäftsfälle in die Voranmeldungen aufnahmen und Zahlungen in einem den Umsätzen entsprechenden Ausmaß unterließen, und zwar
1. vom 15. März 1993 bis zum 14. Februar 1994 für die Monate Jänner bis Dezember 1993 um 48.845 S,
2. vom 15. März 1994 bis zum 14. Februar 1995 für die Monate Jänner bis Dezember 1994 um 168.201 S.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen meldeten die Angeklagten nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung, und zwar Rosmira R***** "NB und volle Berufung", Dobrivoje R***** "volle Berufung" an (S 173), wobei in der "vollen Berufung" auch eine Schuldberufung enthalten ist (vgl Foregger StPO11 Anm zu § 463).
Die Erstangeklagte führte sodann eine auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde aus (ON 30), während der Zweitangeklagte in der Rechtsmittelschrift zwar die Ausführung "der Berufung wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld und Strafe" ankündigte (S 219), aber tatsächlich (neben einer Strafberufung ausdrücklich nur) eine Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 5, 9 lit a und 9 lit b leg. cit. erhob (S 221 ff).
Beiden Beschwerden kommt keine Berechtigung zu.
Zur Beschwerde der Rasmira R*****:
Unzutreffend ist der bloß pauschal erhobene Vorwurf in der Mängelrüge (Z 5), für die von ihr zitierten, indes prozeßordnungswidrig aus dem Gesamtzusammenhang gelösten Feststellungen, die Angeklagten hätten im Streben nach wirtschaftlichen - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - Vorteilen und höherem persönlichen Gewinn von Anfang an den Plan gefaßt, Steuern zu hinterziehen, seien nur unzureichende und Scheingründe angeführt; das Erstgericht könne sich dabei auch auf keinen konkreten Akteninhalt stützen, weshalb es von abstrakt gehaltenen Vermutungen ausgehe.
Soweit sich diese Kritik auf Motive des vorsätzlichen Vergehens der Angeklagten bezieht, wird von ihr, weil davon weder die Schuldfrage noch der anzuwendende Strafsatz betroffen ist, keine entscheidende Tatsache berührt.
Bei der gebotenen Berücksichtigung der gesamten Sachverhaltsgrundlage (US 9 ff) iVm den beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichts (US 7, 12 ff) erweisen sich die beanstandeten Konstatierungen im übrigen jedoch als formal fehlerfrei begründet.
Der Beschwerde zuwider besteht auch kein Widerspruch zwischen der Urteilsannahme, wonach die Angeklagten durchaus in Kenntnis ihrer Verpflichtung, alle Umsätze zu versteuern, sowie der von ihnen verursachten Abgabenverkürzung waren (US 10), und den Überlegungen der Erkenntnisrichter, warum sie unter anderem die Mittäterschaft des Mitangeklagten Dobrivoje R***** und nicht die Alleintäterschaft der Nichtigkeitswerberin als erwiesen annahmen (US 13 dritter Absatz).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) hinwieder releviert in der rechtlichen Zusammenfassung der Tatrichter, derzufolge die Angeklagten (im gemeinsamen Zusammenwirken) sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht die beiden Finanzstraftatbestände verwirklicht haben (US 17 zweiter Absatz), Feststellungsmängel darüber, ob der Angeklagten Rusmira R***** "ein Vorsatz" vorgeworfen werden könne. Bei "Feststellung" der sich aus der Aussage der Zeugin Petra S***** ergebenden Umstände - so argumentiert die Beschwerde weiter - hätten sie "zur rechtsrichtigen Beurteilung kommen müssen, daß der Tatbestand des § 33 Finanzstrafgesetz nicht erfüllt ist".
Solcherart wird indes der angesprochene materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, die ein striktes Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt und den ausschließlich auf dessen Basis geführten Nachweis eines Feststellungsmangels oder eines Rechtsirrtums verlangt. Entgegen diesen prozessualen Geboten übergeht die Beschwerdeführerin nämlich nicht nur den bereits im Spruch (US 3) und in den Gründen (US 10, 11, 16) ausdrücklich konstatierten spezifischen Vorsatz, sondern trachtet darüber hinaus bloß nach Art einer unzulässigen Schuldberufung, allein aus ihr genehm scheinenden Aussagepassagen der (im Urteil ohnehin berücksichtigten - US 7, 13ff) Aussage der Zeugin Petra S***** günstigere, zum Freispruch der Nichtigkeitswerberin führende Prämissen zu erreichen.
Zur Beschwerde des Dobrivoje R*****:
Seiner Mängelrüge (Z 5) genügt es zunächst zu erwidern, daß das Schöffengericht bei Feststellung der Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages und der dabei angewendeten Schätzmethode (§ 184 BAO) den als "klar und logisch nachvollziehbar" beurteilten Aussagen des seinerzeitigen Prüfungsorgans des Finanzamtes für Körperschaften, Ernst F***** (S 161 ff), sowie dem korrespondierenden Inhalt der Anzeige (S 11 f) und den rechtskräftigen Bescheiden des genannten Finanzamtes gefolgt ist (US 16).
Mit dem Hinweis, die starken Einnahmeschwankungen beim Geschäftszweig des Immobilienmakelns seien im konkreten Fall ohne ein vollständiges Rechenwerk bei Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages berücksichtigt worden, wird in Wahrheit kein Begründungsmangel dargetan, sondern lediglich die (nach Ansicht der Beschwerde) unvollständige Ausschöpfung einer Beweisquelle moniert (vgl hiezu Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 82). Es wäre Sache des Angeklagten oder seines Verteidigers gewesen, dem Zeugen F***** als finanzbehördlichem Prüfungsorgan in der Hauptverhandlung ergänzende und aufklärende Fragen zu stellen. Dies ist aber nach dem vollen Beweis machenden Hauptverhandlungsprotokoll nicht geschehen (siehe insb S 167 ff), sodaß es dem Erstgericht nicht möglich war, auf diesen erst in der Beschwerdeschrift konkret erhobenen Einwand, es habe nicht dargelegt, warum es aus einer Stichprobe für einen Zeitraum von drei Monaten einen Jahresumsatz von 3,200.000 S ermittelt und auch allfällige Umsatzschwankungen unberücksichtigt gelassen habe, vorweg in der Urteilsbegründung einzugehen.
Es ist auch nicht Aufgabe des Urteils, eine Begründung dafür zu liefern, "wo denn all diese angeblich erwirtschafteten Vermögenswerte geblieben sind".
Daß der Nichtigkeitswerber im schuldrelevanten Zeitraum tatsächlicher Machthaber und Geschäftsführer der R***** mbH war, erschlossen die Tatrichter in freier Beweiswürdigung mängelfrei nicht - wie die Beschwerde behauptet - nur aus der Existenz einer Generalvollmacht, sondern zudem aus den seinerzeitigen Erfahrungen der Firmenangestellten Petra S*****, der im Zusammenhang mit der Kapitalgesellschaft erfolgten rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida und aus den insoweit übereinstimmenden Verantwortungen der beiden Beschwerdeführer (vgl US 13 f).
Das hiefür zusätzlich, aktenmäßig gedeckte (vgl S 141), erkennbar jedoch bloß illustrativ herangezogene Argument besserer Deutschkenntnisse des Zweitangeklagten für die von ihm tatsächlich ausgeübte Funktion eines Geschäftsführers steht dazu nicht im Widerspruch.
Die als "nicht eindeutig" kritisierte Urteilsfeststellung schließlich, aus dem "Gesamtverhalten" der beiden Angeklagten lasse sich die spezifische subjektive Tatseite für die Erfüllung der inkriminierten Finanzstraftatbestände nicht ableiten, übergeht schlichtweg das gesamte tataktuelle Tatsachensubstrat (US 9 ff).
Die Rechtsrügen sind nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Das auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gegründete Vorbringen weist zwar an sich zutreffend darauf hin, daß bei Geltendmachung eines Feststellungsmangels und einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung von den erstgerichtlichen Feststellungen auszugehen ist. Es enthält aber in Ausführung der Beschwerde im wesentlichen nur Einwände, die sich zum einen (bezüglich der spezifischen Vorsatzformen) schon bei Behandlung der Mängelrüge als unhaltbar erwiesen; zum anderen strebt die Beschwerde unter Berufung auf eine (unwesentliche) Detailaussage der Rusmira R***** (sie habe die Grundaufzeichnungen für den Steuerberater erstellt) und auf die "Berücksichtigung des übrigen Beweisverfahrens" sowie auf die Behauptung, über die Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw Erklärungen sei keine Befragung durchgeführt worden, urteilskonträre Feststellungen an. Auf diese Weise wird erneut bloß unzulässig die schöffengerichtliche Beweiswürdigung in Zweifel gezogen.
Die ausschließlich "aus anwaltlicher Vorsicht" aufgestellte unsubstantiierte Behauptung, daß "die Strafbarkeit der Tat bereits erloschen ist und sohin der Strafaufhebungsgrund der Verjährung vorliegt" (Z 9 lit b), läßt das im § 285a Z 2 StPO normierte Gebot außer acht, wonach der Beschwerdeführer jene (sachverhaltsbezogenen) Tatumstände deutlich und bestimmt zu bezeichnen hat, die den Nichtigkeitsgrund bilden sollen. Dem Urteil ist im übrigen ein diesbezügliches Tatsachensubstrat nicht zu entnehmen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285d Abs 1 iVm § 285a Z 2 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Ebenso war mit den (angemeldeten) Berufungen wegen Schuld, welche die Angeklagte Rusmira R***** noch in einer gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten (die Argumente der Beschwerde bloß pauschal wiederholenden) Äußerung ausdrücklich aufrecht ließ, zu verfahren, weil den Prozeßgesetzen ein derartiges Rechtsmittel gegen kollegialgerichtliche Urteile fremd ist.
Daraus folgt, daß über die zudem erhobenen Berufungen (wegen Strafe) das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285i StPO).