JudikaturOGH

14Os63/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Juni 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juni 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Leitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef S***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Dezember 1998, GZ 8 Vr 673/98-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Hauer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird Folge gegeben und in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB über den Angeklagten eine Geldstrafe von 300 (dreihundert) Tagessätzen (für den Fall der Uneinbringlichkeit 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Der Tagessatz wird mit 300 S festgesetzt.

Gemäß § 43a Abs 1 StGB wird ein Strafteil von 200 (zweihundert) Tagessätzen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Der Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält, wurde Josef S***** des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er Ende November 1997 in Kirchberg an der Raab den Erwin P***** außer den Fällen des § 201 StGB dadurch, daß er ihn zurückdrängte, an der Schulter und am Bauch erfaßte, festhielt und gegen einen Kühlschrank drückte, zur Duldung des mehrmaligen Betastens seines Geschlechtsteiles, sohin mit Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt.

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge (Z 5) läßt die erforderliche deutliche und bestimmte Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände vermissen (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO). Worin die behauptete Undeutlichkeit von Feststellungen über den Tatablauf (US 7) erblickt wird, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.

Entgegen weiteren Einwänden (Z 5 und 5a, sachlich zum Teil Z 9 lit a) wurden die für die Subsumtion unter § 202 Abs 1 StGB hinreichenden Konstatierungen zur inneren Einstellung des Angeklagten (US 7, 13) aus den Angaben des Zeugen Erwin P***** formell einwandfrei und unbedenklich abgeleitet (S 105, 161 f; US 9). Nur des Hinweises auf dieses Tatsachensubstrat bedarf auch die Subsumtionsrüge (Z 10), die eine Beurteilung nach § 105 Abs 1 oder § 99 Abs 1 StGB zum Ziel hat.

Prozeßordnungswidrig wird ein Fehlen tatbestandsmäßiger Gewaltanwendung (Z 9 lit a) auf Grund bloß ausschnittweiser Betrachtung des Tatgeschehens behauptet und mit der Annahme körperlicher Überlegenheit des Opfers eine urteilsfremde Sachverhaltskomponente herangezogen. Auch ein rechtliches Vorbringen über bloß "kurzfristige Betastungen" ist nicht an den Feststellungen orientiert (US 7, 13).

Der Beschwerde zuwider liegt ein Fall des § 42 StGB hier nicht vor (Z 9 lit b). Von den kumulativen Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit fehlt schon das Erfordernis geringer Schuld (§ 42 Z 1 StGB), das nur dann gegeben ist, wenn das Gewicht der Tat hinter dem in der Strafdrohung des Deliktes typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt erheblich zurückbleibt. Die Schuld muß absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der Deliktsverwirklichung geringfügig sein, wofür Handlungs- und Gesinnungsunwert in ihrer Gesamtheit maßgebend sind (EvBl 1990/92; Burgstaller, JBl 1990, 69). In dieser Hinsicht ist die Tat aber auch bei der festgestellten Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten (US 5) nicht von bloß geringem Unwert gekennzeichnet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 202 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe von vier Monaten und eine Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 400 S (für den Uneinbringlichkeitsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe), wobei es die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Dabei wertete es die "Unbescholtenheit" als mildernd, als erschwerend keinen Umstand.

Die dagegen vom Angeklagten erhobene Berufung ist berechtigt.

Da spezial- wie generalpräventive Rücksichten einer Anwendung des § 37 Abs 1 StGB nicht entgegenstehen, war über den Angeklagten eine schuldangemessene Geldstrafe im Ausmaß von 300 Tagessätzen (für den Uneinbringlichkeitsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) zu verhängen. Seinen wirtschaftlichen Verhältnissen (Einkommen 15.800 S vierzehnmal im Jahr; fehlende Sorgepflichten) entsprechend war der Tagessatz mit 300 S festzusetzen.

Mit der bedingten Nachsicht eines Drittels der verhängten Geldstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit ist den Präventionsrücksichten (§ 43a Abs 1 iVm § 43 Abs 1 StGB) Genüge getan.

Der Berufung des Angeklagten gegen den Zuspruch einer Entschädigung von 1.000 S nach § 369 Abs 1 StPO an den Privatbeteiligten Erwin P***** mußte jedoch ein Erfolg versagt bleiben, ist doch dieser Betrag - ungeachtet einer allenfalls nach § 1328 ABGB für die erlittene Beeinträchtigung zustehenden Entschädigung - aufgrund der durch die Tat dem Opfer verursachten Aufregungszustände schon auf der Basis des § 1325 ABGB (vgl Dittrich/Tades ABGB35 § 1325 E 14, 16) nicht unangemessen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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