7Ob83/99b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Karl F. Engelhart, Rechtsanwalt, Wien 3., Esteplatz 4, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der V***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Werner Zaufal, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Clemens Gangolf Maria M*****, vertreten durch Dr. Hans Bichler ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21. Jänner 1999, GZ 39 R 529/98b 20, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 16. Jänner 1989, GZ 22 C 419/97m 3, als verspätet zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Klage und Ladung zur ersten Tagsatzung wurden dem Beklagten unter der in der Räumungsklage von der Klägerin angegebenen Adresse W*****, R***** Gasse *****, nach einem ersten erfolglosen Zustellversuch am 3. 12. 1997, bei dem dem Beklagten die Ankündigung hinterlassen wurde, daß die Zustellung am Folgetag wiederholt werde, nach neuerlichem Nichtantreffen des Beklagten unter Hinterlassung einer Hinterlegungsanzeige, in der bekanntgegeben wurde, daß die Gerichtssendung ab 5. 12. 1997 durch 14 Tage hindurch beim Postamt ***** abgeholt werden könne, durch postamtliche Hinterlegung beim Postamt ***** Wien zugestellt. In der ersten Tagsatzung am 16. 1. 1998 erging gegen den nicht erschienenen Beklagten über Antrag der klagenden Partei ein Versäumungsurteil im klagsstattgebenden Sinn. Dieses wurde dem Beklagten, nachdem er beim Zustellversuch am 18. 1. 1998 1998 unter der oben angegebenen Adresse nicht angetroffen wurde, nach der Verständigung, daß der Gerichtsbrief ab 20. 1. 1998 beim Postamt ***** Wien durch 14 Tage hindurch zur Abholung bereitliege, durch Hinterlegung zugestellt. Bei sämtlichen Rückscheinen wurde vom Zusteller vermerkt, daß die jeweiligen Verständigungen im Hausbrieffach zurückgelassen worden waren. Sowohl die Klage samt Ladung zur ersten Tagsatzung am 16. 1. 1998 als auch das Versäumungsurteil langten unbehoben wieder beim Erstgericht ein. Mit am 10. 6. 1998 eingelangtem Schriftsatz begehrt der Beklagte die Aufhebung der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles vom 16. 1. 1998 bzw die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der an diesem Tag abgehaltenen ersten Tagsatzung. Er habe keinerlei Hinterlegungsanzeigen vorgefunden. Der Hausbriefkasten sei derart devastiert, daß ihm nicht die Qualifikation einer Abgabestelle zukomme, die Wohnung top Nr ***** verfüge dort über kein Fach. Der Räumungstitel sei von der klagenden Partei zufolge gesetzwidriger Zustellung erschlichen worden.
Der Beklagte stützt die am 7. 7. 1998 erhobene Nichtigkeitsberufung unter Wiederholung der zuvor genannten Vorwürfe auf gesetzwidrige Zustellvorgänge. Eine Reihung der einzelnen Rechtsbehelfe wurde von ihm nicht vorgenommen.
Das Erstgericht legte nach Einvernahme von zwei Postboten, darunter dem Zusteller und dem Beklagten als Auskunftspersonen die Nichtigkeitsberufung, ohne über die zuvor gestellten Beklagtenanträge zu entscheiden, vor.
Das Berufungsgericht wies mit der angefochtenen Entscheidung die Nichtigkeitsberufung als verspätet zurück. Es stellte aufgrund der Angaben des Zustellers G***** fest, daß die Wohnung des Beklagten über kein Fach in der Hausbriefanlage verfüge und diese daher keine Abgabestelle für den Beklagten darstelle. Es stellte weiters fest: „Der Postzusteller hat demgemäß, wie er ganz allgemein aussagen konnte, die Hinterlegungsanzeige richtig mit einer Vignette an der Tür befestigt. Danach wurde die Klage und Ladung zur ersten Tagsatzung ebenso wie das Versäumungsurteil vom 16. 1. 1998 gesetzmäßig am 19. 1. 1989 zugestellt.“
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung vom Beklagten erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.
Weder die vom Beklagten behauptete Aktenwidrigkeit noch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen vor. Die Gerichte haben von Amts wegen auf allfällige Unrichtigkeiten der Beurkundung der Zustellung Bedacht zu nehmen. Der Gegenbeweis gegen die Angaben im Zustellausweis ist in sinngemäßer Anwendung des § 292 Abs 2 ZPO zulässig (vgl RZ 1970, 221). Bei Nichteinhaltung der vom Gesetz vorgeschriebenen Zustellform, wobei behauptete, aber nicht offenkundige Zustellmängel auch bewiesen werden müssen, ist die Zustellung unwirksam und vom Gericht zu wiederholen (vgl Gitschthaler in Rechberger ZPO § 87 Rz 1 mwN). Die Wirksamkeit der Hinterlegung ist davon abhängig, daß eine schriftliche Anzeige hinterlassen wird. Die Verständigung ist in das entsprechende Fach im Hausbriefkasten der Abgabestelle einzulegen oder an der Wohnungseingangstüre anzubringen (§ 17 Abs 2 ZustG), weil objektive Gewähr dafür bestehen muß, daß die Verständigung den Empfänger auch erreichen kann. Andererseits machen aber selbst ein bewußtes Entfernen der (ordnungsgemäßen) Hinterlegungsanzeige durch einen Dritten oder deren unverschuldetes Übersehen die Zustellung durch Hinterlegung nicht unwirksam (vgl aaO Rz 5 mwN).
Richtig ist, daß ein Berufungsverfahren mangelhaft bleibt, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweiswürdigungsrüge nicht oder nur so mangelhaft befaßt, daß keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt werden können (vgl Kodek aaO § 503 Rz 3). Dies muß auch für die Tatsachenfindung durch das Berufungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Gesetzmäßigkeit einer Zustellung aus Anlaß einer Nichtigkeitsberufung gelten, wenn es dabei als Tatsacheninstanz einschreitet. Wenn auch der angefochtene Beschluß keine weitwendigen Ausführungen darüber enthält, aufgrund welcher Überlegungen das Berufungsgericht zur oben unter Anführungszeichen wiedergegebenen Feststellung gelangte, so hat es sich doch ausdrücklich auf die Aussagen seiner Auskunftspersonen berufen und damit die Beweise ausreichend gewertet. Daß die desolate Hausbriefanlage ohne Fach für die Wohnung des Beklagten keine Abgabestelle bildet, ergibt sich aus den vorgelegten Fotos. Die Aussage des Zustellers G*****, die entsprechenden Anzeigen und die Ankündigung der Hinterlegung mit Vignette an der Wohnungstüre des Beklagten, der sich seinen eigenen Angaben nach zu dieser Zeit in der Wohnung aufhielt, befestigt zu haben und nur irrtümlich das falsche Kästchen im Vordruck des Rückscheines angekreuzt zu haben, ist plausibel. Dazu steht die Aussage des Beklagten, keinerlei derartige Anzeigen an seiner Wohnungstür vorgefunden zu haben, nicht im Widerspruch, weil es nach der Lebenserfahrung durchaus möglich ist, daß Dritte diese Schriftstücke heruntergerissen haben. Für das Vorhandensein derart destruktiver Elemente spricht auch der Zustand der Hausbriefanlage. Dies ändert jedoch nichts an der Gesetzmäßigkeit der vorgenommenen Zustellung (vgl Gitschthaler aaO), könnte aber durchaus einen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darstellen, über die das Erstgericht noch zu entscheiden haben wird.
Das Berufungsgericht hat somit zu Recht die Nichtigkeitsberufung als verspätet zurückgewiesen, dem Rekurs gegen diese Entscheidung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.