JudikaturOGH

3Ob155/99m – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christa K*****, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Manfred N*****, vertreten durch Dr. Thomas Pittner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlöschen eines vollstreckbaren Anspruchs (57.940,55 S sA) infolge Wiederaufnahmeklage gegen den Beschluß des Obersten Gerichtshofes als Revisionsgericht vom 30. März 1999, AZ 3 Ob 53/99m, womit im Hauptprozeß zur AZ 2 C 4/97a des Bezirksgerichtes Neulengbach die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 10. November 1998, AZ 36 R 143/98t, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Wiederaufnahmeklage wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin wurde als Erbin des Auftraggebers des Beklagten, eines Tischlermeisters, mit Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. März 1992 schuldig erkannt, dem Beklagten 57.940,55 S sA an Werklohn zu bezahlen. Diese Entscheidung ist rechtskräftig und vollstreckbar. Die ihr zugrundeliegende Klage wurde noch zu Lebzeiten des Erblassers eingebracht. Im Verlassenschaftsverfahren war ein Nachlaßkurator bestellt, der am 11. März 1987 enthoben wurde. Am selben Tag erließ das Gericht auch die Einantwortungsurkunde. Darin wurde der Nachlaß unter anderem der Klägerin - aufgrund deren bedingten Erbserklärung - zur Hälfte eingeantwortet. Die Beschlußfassung war ohne Ermittlung aller Nachlaßpassiva erfolgt, weil diese wegen ihres Umfangs und ihrer "Weitläufigkeit" nicht ohne weiteres erfaßbar waren. Der Nachlaßkurator hatte zuvor weder die Eröffnung des Verlassenschaftskonkurses beantragt noch die "quotenmäßige Verteilung der Nachlaßaktiva auf die Nachlaßgläubiger vorgenommen".

Dem Beklagten wurde zur Hereinbringung seiner Forderung aufgrund des Urteils vom 20. März 1992 und eines im Titelprozeß später erlassenen Kostenbestimmungsbeschlusses mit Beschluß des Bezirksgerichts Neulengbach vom 7. Juni 1995 die Zwangsversteigerung einer bestimmten Liegenschaftshälfte der Klägerin und mit Beschluß des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 30. August 1996 die Fahrnisexekution gegen die Klägerin bewilligt.

Daraufhin begehrte die Klägerin mittels Oppositionsklage den Ausspruch, daß der vollstreckbare Anspruch des Beklagten (gänzlich) erloschen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels Schlüssigkeit ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Der Oberste Gerichtshof wies die ordentliche Revision der Klägerin mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurück und verneinte - wie schon die Vorinstanzen - die Schlüssigkeit der Klage.

Gegen diesen Beschluß des Obersten Gerichtshofs richtet sich die Wiederaufnahmeklage der Oppositionsklägerin des Vorprozesses mit dem Begehren, die Entscheidung aufzuheben und sodann über die ordentliche Revision im Oppositionsprozeß neuerlich zu entscheiden. Sie stützt sich auf den Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 2 Z 6 ZPO und bringt im wesentlichen vor, ihr sei am 13. Oktober 1998 - nach Schluß der Verhandlung erster Instanz im Oppositionprozeß - die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 24. September 1998 zum AZ 6 Ob 6/98w zugestellt worden, "die über denselben Rechtsanspruch" (Hervorhebung im Original), den "die anzufechtende Entscheidung zurückgewiesen" habe, "(im bestätigenden Sinne) erkannt" habe. Daraus folge, daß der Beschluß des erkennenden Senats, dessen Aufhebung begehrt werde, eine "Fehlentscheidung" sei. Der Oberste Gerichtshof habe über die Klage gemäß § 532 Abs 2 ZPO funktionell als Gericht erster Instanz zu entscheiden, beschränke sich doch der geltend gemachte Anfechtungsgrund nur auf dessen Zurückweisungsbeschluß.

Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 24. September 1998 zum AZ 6 Ob 6/98w ist - soweit hier von Bedeutung - zu entnehmen:

Der ehemalige Verlassenschaftskurator begehrte als Kläger, die Beklagte jenes und Wiederaufnahmeklägerin dieses Verfahrens als eingeantwortete Erbin schuldig zu erkennen, den noch unbeglichenen Rest von 385.188,27 S seiner vom Abhandlungsgericht rechtskräftig bestimmten Belohnung und Entlohnung zu bezahlen. Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Vorinstanzen auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach zur geltend gemachten Erbgangsschuld unter anderem aus, sie unterliege der Haftungsbeschränkung des bedingt erbserklärten Erben nach § 802 ABGB, weshalb im fortgesetzten Verfahren noch die von der Beklagten übernommenen Verlassenschaftsaktiva zu klären seien; letztere werde die behauptete Unzulänglichkeit des Nachlasses zu beweisen haben.

Der erkennende Senat hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist nach dem Klagevorbringen gemäß § 532 Abs 2 ZPO funktionell zur Entscheidung über die Wiederaufnahmeklage berufen.

Gemäß § 530 Abs 1 Z 6 ZPO ist ein durch eine Sacherledigung abgeschlossenes Verfahren wiederaufzunehmen, wenn die Partei eine über denselben Anspruch oder über dasselbe Rechtsverhältnis früher ergangene, bereits rechtskräftig gewordene Entscheidung auffindet oder zu benützen instandgesetzt wird, die zwischen den Parteien des wiederaufzunehmenden Verfahrens (schon vorher) Recht schuf. Dieser Wiederaufnahmegrund setzt entweder die Parteienidentität in den Vorprozessen über dieselbe Angelegenheit oder die Erstreckung der Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung auf Personen voraus, die nicht Verfahrensparteien waren (Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 4 zu § 530).

Es ist evident, daß diese Voraussetzungen im Anlaßfall nicht verwirklicht sind. Es fehlt in den Vorprozessen nicht nur an der Parteienidentität bzw an einer Rechtskrafterstreckung im erörterten Sinn, sondern es wurde auch über Ansprüche aus verschiedenen Rechtsverhältnissen abgesprochen. Während der Oppositionsprozeß eine Erblasserschuld zum Gegenstand hatte, lag der von der Klägerin ins Treffen geführten Entscheidung des 6. Senats des Obersten Gerichtshofs eine Erbgangsschuld zugrunde.

Die Klägerin strebt, wie ihre Klageerzählung verdeutlicht, die Beseitigung der Zurückweisung ihrer Revision im Oppositionsprozeß nur deshalb an, weil sie diesen Beschluß im Lichte der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur AZ 6 Ob 6/98w als "Fehlentscheidung" ansieht.

Es wäre müßig, sich mit den Argumenten zur behaupteten Unrichtigkeit der Vorentscheidung des erkennenden Senats auseinanderzusetzen, weil selbst im Falle einer "Fehlentscheidung" des Obersten Gerichtshofs nach dem Verständnis der Klägerin weder der geltend gemachte noch ein anderer Wiederaufnahmegrund verwirklicht wäre. Es besteht kein innerstaatlicher Rechtszug zur Überprüfung von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs als gemäß Art 92 B-VG höchster Instanz (auch) in Zivilsachen; dessen Entscheidungen sind endgültig und können demzufolge auch nicht im Wege einer Wiederaufnahmeklage nachgeprüft werden.

Die Klage ist demnach unschlüssig, könnte ihr doch selbst dann kein Erfolg beschieden sein, wenn ihre Behauptungen über einen angeblichen Entscheidungsfehler des Obersten Gerichtshofs zuträfen.

Gemäß § 538 Abs 1 ZPO ist eine solche Klage sofort zurückzuweisen, ohne daß es noch einer Erörterung der Frage der Rechtzeitigkeit bedarf.

Rückverweise