12Os38/99 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Thumb als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Roswitha W***** und eine andere Angeklagte wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten sowie die Berufung der Privatbeteiligten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 23. Dezember 1998, GZ 8 Vr 162/96-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Schroll, der Angeklagten Roswitha W***** und Renate Z*****, und des Verteidigers Mag. Vogl zu Recht erkannt:
Spruch
Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil teils auch gemäß § 290 Abs 1 StPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Privatbeteiligte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Roswitha W***** und Renate Z*****
(1) des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB und (2) des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Untreue nach §§ 153 Abs 1 und 15 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil sie
in der Zeit vom 1. Jänner 1994 bis 31. Juli 1996 in Obernberg
1. sich in zahlreichen Angriffen ein ihnen anvertrautes Gut, nämlich Verkaufserlöse der Firma Margit W***** GesmbH in unbekannter Höhe mit dem Vorsatz zueigneten, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern,
2. im bewußten und gewollten Zusammenwirken die ihnen durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich mißbrauchten bzw zu mißbrauchen versuchten, daß sie ohne Erlaubnis in wiederholten Angriffen eigene Kleidungsstücke bzw in Kommission der Firma W***** Austrian Style stehende Kleidungsstücke in der Filiale der Firma Margit W***** GesmbH anstelle von Waren aus deren Bestand gewinnbringend verkauften oder zu verkaufen suchten, wobei durch die Tat ein Schaden in unbekannter Höhe herbeigeführt wurde bzw herbeigeführt werden sollte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10 StPO, teilweise auch zugunsten der Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sowie die auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte, gemeinsam ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Den das Schuldspruchfaktum 1. betreffenden, zugunsten der Angeklagten erhobenen Mängelrügen (Z 5) der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten kommt Berechtigung zu:
Sowohl im Urteilsspruch (US 2) als auch in den Feststellungen (US 4 f) hält das Erstgericht fest, daß beide Angeklagten mehrfach ihnen bloß anvertraute Verkaufserlöse (in unbekannter Höhe) mit Bereicherungsvorsatz(-absicht) an sich brachten. Das Erstgericht gründete diese Annahmen sowohl auf Zeugenaussagen (US 8) als auch auf die im tatsächlichen geständige Einlassung beider Angeklagten (US 15 und 19), hielt aber in einer resümierenden Bewertung sämtlicher Beweisergebnisse fest, daß es "theoretisch ... durchaus möglich (ist), daß nur eine der beiden Angeklagten (zumindest überwiegend) zum Nachteil der Firma Margit W***** GesmbH gehandelt hat, während die andere Angeklagte wenn überhaupt einen sehr geringen Schaden zu verantworten hat" (US 6 f). Damit steht aber wie alle Beschwerdeführerinnen zutreffend aufzeigen der Ausspruch des Gerichtshofes über eine entscheidende Tatsache mit sich selbst in Widerspruch, weil sich die Feststellung, daß beide Angeklagte jeweils als Alleintäter anvertrautes Geld mit Bereicherungsvorsatz an sich brachten, mit der einer negativen Urteilsannahme gleichkommenden Beurteilung nicht in Einklang zu bringen ist, daß allenfalls nur eine der beiden Angeklagten Veruntreuungshandlungen zum Nachteil der in Rede stehenden Gesellschaft beging.
Damit haftet dem Urteil aber auch der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO an, da dem Schuldspruch im Hinblick auf die aufgezeigten widersprechenden Feststellungen zur Täterschaft beider Angeklagten im Ergebnis die notwendige Tatsachengrundlage fehlt.
Der ohne Feststellung eines Fortsetzungszusammenhanges und ohne nähere chronologische Individualisierung angenommene Deliktszeitraum vom 1. Jänner 1994 bis 31. Juli 1995 (das im Urteilstenor mit 31. Juli 1996 bezeichnete Tatzeitende beruht ersichtlich auf einem Versehen US 3 iVm 45/I, ON 40, 317/III) indiziert darüber hinaus das Erfordernis einer verjährungsrelevanten Konkretisierung jener Zeitabstände, in denen die "zahlreichen" Angriffe erfolgten. Denn die Verjährungsfrist jeder der in Rede stehenden Veruntreuungshandlungen beträgt lediglich ein Jahr (§ 57 Abs 3 5. Fall StGB), sodaß im Falle eines (wie hier) ein Jahr überschreitenden Tatzeitraumes eine Tatwiederholung nicht zwangsläufig eine Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 58 Abs 2 StGB bewirken mußte. Zudem lassen die Urteilsannahmen offen, ob der letzte Veruntreuungsangriff (einer oder beider Angeklagten) vor dem 14. Februar 1995 (§ 68 StGB) verübt wurde und daher alle Taten im Hinblick auf deren Gerichtsanhängigkeit erst ab 15. Februar 1996 (AS 2 und ON 3) verjährt sind. Das Fehlen solcherart gebotener Feststellungen zu den einzelnen Tatzeitpunkten (oder einem Fortsetzungszusammenhang) bewirkt vorliegend daher auch eine von Amts wegen wahrzunehmende Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden konnte sich der Oberste Gerichtshof ferner davon überzeugen, daß zum Nachteil der Angeklagten das Strafgesetz auch hinsichtlich des Schuldspruchs wegen des Vergehens der Untreue (2.) unrichtig angewendet wurde, ohne daß dies von den Beschwerdeführern geltend gemacht worden wäre (§§ 290 Abs 1, 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).
Das Erstgericht hält fest, daß beiden Angeklagten rechtsgeschäftlich Befugnisse zur faktischen Leitung der Geschäftsfiliale Obernberg eingeräumt wurden (US 5), wobei ihnen aber selbständige Geschäfte mit Privatkleidern und Modeartikeln der Firma W***** Austrian Style untersagt waren (US 5 und 21). Eine zur Tatbestandsverwirklichung der Untreue in objektiver Hinsicht unabdingbare (vom Erstgericht allein angenommene) Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, kann aber aus diesem Feststellungssubstrat nicht abgeleitet werden. Denn die inkriminierten Verkaufsaktivitäten im Namen der Margit W***** GesmbH, die von den ausschließlich zu Verkäufen von deren Ware erteilten Vollmachten nicht erfaßt wurden, können keinesfalls auf ein Rechtsgeschäft zurückgeführt werden, sodaß es an einer tatbestandsessentiellen Prämisse strafbarer Untreue mangelt.
Im Hinblick darauf, daß fallbezogen eine Überschneidung der Anklagefakten 1. und 2. vorliegt, weil im Vorwurf der Untreue auch Komponenten strafbarer Veruntreuung zum Tragen kommen (dazu Ausdehnung der Anklage 317/III: "... in Kommission der Firma W***** Austrian Style stehende Kleidungsstücke in der Verkaufsfiliale der Firma Margit W***** GmbH anstelle von Waren aus deren Bestand verkauften sowie Erlöse aus dem Verkauf von Kleidungsstücken aus dem Sortiment der Firma Margit W***** für sich einbehielten ...", und im Falle befugnisüberschreitender Warenbestellung bei einer Drittfirma die Veräußerung der Ware im machtgebenden Unternehmen die Verpflichtung zur Erlös-(oder Gewinn-)abführung begründen kann, war im Interesse einer umfassenden Auslotung des inkriminierten Sachverhaltes im erneuerten Rechtsgang ohne daß auf das übrige Beschwerdevorbringen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten einzugehen wäre mit Kassierung des gesamten Urteils vorzugehen.