12Os121/98 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. April 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mag. Josef M***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (nach Zurückziehung der vom Angeklagten zunächst gleichfalls ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde im Gerichtstag) über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. April 1998, GZ 5 b Vr 8567/97-58, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tiegs, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Weber zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält, wurde Mag. Josef M***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er von Oktober 1990 bis Anfang April 1994 in Wien in wiederholten Angriffen als Beamter, nämlich als nebenberuflich bestellter Prüfer für Geographie der Externistenprüfungskommission (§ 42 Abs 4 SchUG) mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf Kontrolle der den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechenden Zulassung zur Externistenhauptmatura und des Zugangs zu Universitäten und Hochschulen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er
A und B/ ohne als Prüfer für Geschichte bestellt worden zu sein, insgesamt 25 Vorprüfungen in diesem Fachgebiet abnahm, wobei die Prüfungen abweichend von der sonst eingehaltenen Vorgangsweise ohne sachliche Begründung (US 14) in seinem Büro und außerhalb der offiziellen Prüfungstermine stattfanden, der Angeklagte nach der sonst für ihn geltenden Zuständigkeitsregelung für die Prüfung mehrerer dieser Schüler überdies nicht zuständig war und er darüber hinaus in fünf weiteren Fällen unzulässige Stoffeinschränkungen vornahm, diese seinen Prüflingen bekanntgab bzw zukommen ließ, ausschließlich den eingeschränkten Prüfungsstoff prüfte und es solcherart unterließ, den tatsächlichen Wissensstand der Schüler zu überprüfen;
C und D/ 25 Vorprüfungen aus Geographie unter den oben bezeichneten örtlichen und zeitlichen Prüfungsmodalitäten, meist außerhalb seiner Prüferkompetenz, abnahm und dabei in insgesamt fünf Fällen unzulässige Stoffeinschränkungen vornahm, diese den Kandidaten bekanntgab bzw zukommen ließ, ausschließlich das eingeschränkte Stoffgebiet prüfte und es solcherart unterließ, sich vom tatsächlichen Wissensstand dieser Schüler zu vergewissern.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 43a Abs 2, 302 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen a 500 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie eine für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von sechzehn Monaten.
Bei der Strafbemessung wertete es die oftmalige Wiederholung der jeweils durch mehrere Mißbrauchshandlungen gekennzeichneten Straftaten während eines Zeitraumes von drei Jahren als erschwerend, den ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten sowie sein - in der Hauptverhandlung auf Tatsachen beschränktes, im Vorverfahren jedoch im vollen Umfang abgelegtes - Geständnis, welches durch seine Selbstanzeige zudem wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, demgegenüber als mildernd.
Rechtliche Beurteilung
Nach Zurückziehung der - zunächst gleichfalls ausgeführten - Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im Gerichtstag hatte sich die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nur mehr auf die Berufung des Mag. M***** gegen den Strafausspruch zu beschränken. Er strebt damit eine Herabsetzung der - entweder auf eine bedingte Freiheitsstrafe oder eine (allenfalls bedingte) Geldstrafe zu beschränkenden - Sanktion sowie die bedingte Nachsicht der mit dem erstgerichtlichen Strafausspruch verbundenen Rechtsfolge des Amtsverlustes (§§ 27 Abs 1, 44 Abs 2 StGB) an, vermag dafür aber keinen stichhältigen Grund anzugeben.
Die mildernde Berücksichtigung der Selbstanzeige (169 f/I) trägt allen deren inhaltlichen Komponenten gebührend Rechnung. Der darin zum Ausdruck gebrachten Distanzierung des Angeklagten von den damals einbekannten Verfahrensverstößen kommt daher kein zusätzlich milderndes Gewicht zu. Alle übrigen Verantwortungsvarianten wurden dem Berufungswerber im übrigen zu Unrecht als mildernd zugute gehalten, weil ein (allein objektiv ausgerichtetes) Tatsachengeständnis kein Milderungsgrund ist und ein volles Geständnis vom Angeklagten infolge Bestreitung der subjektiven Tatbestandskomponenten, vor allem in Ansehung der Rechtsschädigung, im gesamten Verfahren - der erstgerichtlichen Beurteilung zuwider - niemals abgelegt wurde (163 f, ON 12/I).
Der wesentliche Urteilsvorwurf besteht nämlich keineswegs, wie von der Berufung im Sinne der - auch noch vor dem Obersten Gerichtshof aufrechterhaltenen - Verantwortung des Angeklagten unterstellt, in einer bloßen Mißachtung von Formvorschriften. Er liegt vielmehr durchgehend in einer dem Ermessen entzogenen unsachlichen, weil dem Kenntnisstand der Kandidaten nicht nur entsprechenden, positiven Prüfungsbewertung. Dies gilt nicht in Ansehung der Einschränkung des Prüfungsstoffes für die hier in Rede stehenden Zulassungsprüfungen zur Externistenhauptmatura, sondern auch für das Arrogieren einer Prüferkompetenz in Geschichte, teilweise auch in Geographie, sowie für die Abhaltung der Prüfungen außerhalb der dafür vorgeschriebenen Örtlichkeit und der offiziellen Prüfungstermine. Denn auch diese Maßnahmen waren nach Überzeugung der Tatrichter allein von der Absicht des Angeklagten getragen, dadurch unter Verhinderung der Transparenz und Kontrolle der betreffenden Prüfungen bis dahin bei deren Bewältigung gescheiterten Kandidaten der Maturaschule N***** im Sinne von Interventionen der Schulleiterin Charlotte G***** zu einem positiven Abschluß dieser Prüfungen und damit zur Matura- bzw Universitätsreife zu verhelfen, obwohl sie das vorgeschriebene Wissen nicht hatten (US 12, 13, 19, 21, 22).
Daß sich der Amtsmißbrauch fallbezogen auf Zulassungsprüfungen, nicht aber auf die Externistenhauptmatura selbst bezog, hat im Gegensatz zum Berufungsstandpunkt keine mildernde Bedeutung.
Die Berufungsthese, wonach das dem Angeklagten angelastete Verhalten den Kandidaten lediglich "gewisse Erleichterungen" gebracht, aber nicht dazu geführt habe, daß sie sachlich ungerechtfertigt zur Matura zugelassen wurden, findet - wie dargelegt - im Urteilssachverhalt keine Stütze und ist demnach unbeachtlich.
Bei Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles, auch die im Sinne des Berufungsvorbringens tatsächlich unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer, das längere Zurückliegen der Straftaten und das Wohlverhalten seither (§ 34 Abs 1 Z 18, Abs 2 StGB), wiegt das tatbezogene Unrecht und die Schuld des Angeklagten - nicht zuletzt in Relation zu einem in diesem Verfahrenskomplex abgeurteilten Täter mit (tatzeitbezogen) identer beruflicher Stellung (12 Os 61/95) - so schwer, daß eine Strafkorrektur nicht in Betracht kommt.
In der Vielzahl und der Art der dem Berufungswerber angelasteten amtsmißbräuchlichen Verfehlungen liegt ein derart gravierender Verstoß gegen das von § 302 StGB geschützte öffentliche Interesse an einer objektiven und integren Pflichterfüllung durch die Beamtenschaft als Fundament des Rechtsstaates, daß der Angeklagte bei Berücksichtigung der ihm als Schuldirektor zukommenden Vorbildfunktion für in ihrem Werteverständnis noch nicht sittlich gefestigte Jugendliche als Beamter nicht mehr tragbar ist.
Damit liegen die Voraussetzungen für die reklamierte bedingte Nachsicht der Rechtsfolge des Amtsverlustes nicht vor.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.