JudikaturOGH

14Os130/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. März 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Riegler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Adolf S***** und andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 21. November 1997, GZ 31 Vr 2.243/93-80, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Schroll, des Vertreters des Finanzamtes Salzburg-Stadt Dr. Schmidt, der Angeklagten Adolf S*****, Franz Josef P***** und Georg G*****, sowie deren Verteidiger Dr. Hirsch, Dr. Jahn und Dr. Zitta, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Adolf S*****, Franz Josef P***** und Georg G***** von der Anklage, es haben in Wien und Salzburg

1. Adolf S***** als verantwortlicher Geschäftsführer der Unternehmensgruppe W***** GmbH (im folgenden kurz: UG) vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen für die Zeiträume Jänner 1988 bis Dezember 1988, nämlich durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen, eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Höhe von 18,054.968 S wissentlich bewirkt,

2. Franz Josef P***** als Geschäftsführer der I***** Vermittlungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH (im folgenden kurz: I***** VVG), die das Rechnungswesen der unter 1. genannten Gesellschaft und insofern die Zusammenstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen besorgte, durch Ausscheiden eines der Umsatzsteuer zu unterwerfenden Entgeltes in der Höhe von 48 Mio S zu einer Verkürzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 1988 in der Höhe von 9,600.000 S wissentlich beigetragen und

3. Georg G***** in bezug auf den zu 2. beschriebenen Sachverhalt zur Verkürzung der Umsatzsteuervorauszahlung in der Höhe von 9,600.000 S ebenso wissentlich beigetragen, indem er die Planung und die Entschlußfassung über dieses Vorhaben mitgestaltete,

und hiedurch jeweils - P***** und G***** als Beitragstäter gemäß § 11 dritter Fall FinStrG - das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 (richtig:) Abs 2 lit a FinStrG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen war Adolf S***** vom 3. Feber 1987 bis zum 26. Mai 1989 Geschäftsführer der UG. Dieser Konzern umfaßte unter anderem die Tochtergesellschaften I***** VVG, W***** GmbH (kurz: W*****), B***** GmbH Wien, B***** GmbH Linz und I***** B***** GmbH. Obwohl Adolf S***** mit Gesellschafterbeschluß vom 12. Dezember 1988 abberufen wurde, führte er de facto bis Mai 1989 die Geschäfte weiter. Es gehörte zu seinen Aufgaben, die an das Finanzamt zu übermittelnden Umsatzsteuervoranmeldungen zu unterzeichnen. Der Konzern wurde umsatzsteuerrechtlich als Organschaft angesehen (vgl § 2 Abs 2 Z 2 UStG 1972, § 2 Abs 2 Z 2 UStG 1994). Daher wurden alle Umsätze der Tochtergesellschaften dem Organträger UG zugerechnet. Die UG hatte monatlich für alle Gesellschaften nur eine einzige Umsatzsteuervoranmeldung beim Finanzamt einzubringen.

Franz Josef P***** wurde im Herbst 1988 zu einem der drei Geschäftsführer der I***** VVG bestellt. Diese Gesellschaft hatte unter anderem das gesamte Rechnungswesen der UG und ihrer Tochtergesellschaften zu führen und die Grundlagen für die beschriebenen Umsatzsteuervoranmeldungen zusammenzustellen. P***** war für die Leitung des Rechnungswesens verantwortlich, zunächst neben Gerda H*****, wobei er vor allem für den organisatorischen und disziplinären Bereich zuständig war. Ab Dezember 1988 war P***** alleiniger Leiter des Rechnungswesens. Im selben Monat wurde ihm zusätzlich die Liquditätsplanung für die einzelnen Konzerngesellschaft übertragen.

Der Steuerberater Georg G***** und ein Kollege vertraten die UG seit dem 15. Mai 1987. G***** war insbesondere mit der Einbringung von Stundungs- oder Ratenansuchen bei der Finanzbehörde befaßt, aber nicht mit der "ganz normalen" Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen (US 4 ff).

Gegen Ende 1988 gerieten die UG und ihre Tochtergesellschaften zunehmend in Liquiditätsschwierigkeiten. Deswegen fanden zu dieser Zeit und Anfang 1989 zahlreiche Besprechungen statt, an denen auch Franz Josef P***** teilnahm; es wurde ins Auge gefaßt, "Zahlungen zu schieben, wenn möglich". Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob bei einer derartigen Besprechung auch die von der Anklage betroffenen "Umsatzsteuervoranmeldungsprobleme (unter dem Gesichtspunkt des Liquiditätsengpasses)" diskutiert wurden, ebensowenig, ob Adolf S***** und Georg G***** an solchen Sitzungen teilnahmen (US 7).

Nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der UG am 24. August 1989 wurden bei einer Umsatzsteuernachschau Abweichungen zwischen den tatsächlichen und den durch Voranmeldungen erfaßten Umsätzen des Jahres 1988 festgestellt (im einzelnen US 8 f), was zu rechtskräftigen Nachforderungsbescheiden und zur vorliegenden Anklage führte.

Den anfechtungsrelevanten Urteilsannahmen zufolge wurden die unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen von Adolf S***** im Glauben unterfertigt, daß sie den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen (US 9). Bezüglich des inkriminierten Ausscheidens eines Entgelts von 48 Mio S aus der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1988 (Anklagepunkte 2 und 3 betreffend P***** und G*****, insoweit auch Punkt 1 hinsichtlich S*****) wurde konstatiert, daß Eveline H***** den genannten Betrag bei Vorbereitung der Umsatzsteuervoranmeldung "herausgenommen" hat. Nach Ansicht des Erstgerichtes geschah dies "offensichtlich" auf Anweisung; ob die Weisung von einem der Angeklagten stammte, konnte nicht festgestellt werden (US 11).

Die (nach Zurückziehung der Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Salzburg als Finanzstrafbehörde erster Instanz wegen eingetretener Verfolgungsverjährung verbleibende) Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (§ 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO) geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Zu Unrecht macht die Beschwerdeführerin eine Unvollständigkeit der Urteilsgründe (Z 5) geltend, weil das Schöffengericht unberücksichtigt gelassen habe, daß der Erstangeklagte S***** über seine Funktion als Geschäftsführer der UG hinaus auch Geschäftsführer der Organtochter I***** B***** GmbH gewesen sei (S 8/I, 83/II), auf welche etwa die Hälfte der Umsatzsteuerverkürzungen entfalle (US 8 f), und er die mit dem Tatvorwurf zusammenhängende Ausgangsrechnung vom 30. Dezember 1988 an die Fa IV***** GmbH Salzburg (S 395/I) unterfertigt habe. Denn durch diese als unerörtert relevierten Umstände wird die dem Schöffengericht zur Verfügung gestandene Beweislage, die es zu der Überzeugung gelangen ließ, daß S***** sich auf die Richtigkeit der von der I***** VVG als für die Leitung des Rechnungswesens zuständigen Organtochter erstellten Umsatzsteuervoranmeldungen verließ, nicht wesentlich verändert. Demzufolge waren sie dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 3 StPO) entsprechend von den Tatrichtern, die ihre Überzeugung logisch und empirisch einwandfrei begründeten und nicht verpflichtet waren, überhaupt sämtliche Verfahrensergebnisse zu erörtern und darauf zu untersuchen, wieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen (vgl EvBl 1972/17), auch nicht in die Urteilsgründe ausdrücklich aufzunehmen.

Das gleiche gilt auch für die von der Beschwerdeführerin vermißte Auseinandersetzung mit dem Mißverhältnis zwischen der Summe aus den Umsatzsteuervoranmeldungen für Jänner bis Dezember 1988 in der Höhe von ca 8 Mio S und der im Jahresbescheid 1988 vorgeschriebenen Umsatzsteuer von knapp 38 Mio S (S 127/I) sowie der "Tatsache, daß bei der Umsatzsteuervoranmeldung für den Dezember 1988 nahezu die Hälfte des zu meldenden Umsatzes von ca ATS 106 Mio durch die inkriminierte Herausnahme des Umsatzes von ATS 48 Mio nicht gemeldet wurde" (128/I). Die Beschwerdeführerin übersieht übrigens mit ihrem Einwand, daß die Finanzbehörde in dem in Rede stehenden Erhebungsbericht im unmittelbaren Zusammenhang mit den genannten Daten auch darauf hinweist, daß für das Jahr 1987 die Umsatzsteuervoranmeldungen umgekehrt auch eine um 10 Mio S höhere Umsatzsteuer auswiesen, als sie der Umsatzsteuerjahresbescheid vorschrieb (US 126/I).

Die Liquiditätsprobleme des Konzerns, die schließlich auch zum Konkurs führten, wurden im Urteil deutlich und ausführlich dargestellt (US 7) und fanden daher - der Beschwerde zuwider - dort auch die entsprechende Berücksichtigung, wobei das Schöffengericht sie sogar ausdrücklich als gewichtiges, aber nicht ausreichendes Indiz für die Täterschaft der Angeklagten wertete (US 17). Indem die Beschwerde - im besonderen den Freispruch P***** betreffend - Kritik daran übt, daß das Erstgericht Angaben des Zeugen Gra***** über ein Gespräch mit P*****, bei welchem dieser sinngemäß geäußert haben soll, es hätte in der I***** VVG eine Krisensitzung gegeben und es hätten Gr***** und G***** entschieden, daß die Rechnung (betreffend die nichtversteuerten 48 Mio S) herausgenommen würde (S 196/II), deshalb keinen Glauben geschenkt habe, weil er den Gesprächsinhalt nicht in den Akten des Finanzamtes festgehalten und er später selbst dazu angegeben habe, P***** habe von einer Weisung Gr***** gesprochen, auf welche die Herausnahme zurückgegangen sei, bekämpft sie, ohne einen Nichtigkeitsgrund prozeßordnungsgemäß auszuführen, lediglich die logisch und empirisch einwandfreie Beweiswürdigung der Tatrichter.

Das Schöffengericht setzte sich - wiederum entgegen der Beschwerde - auch in ausreichendem Maße mit der Verantwortung des Angeklagten S***** auseinander, indem es insbesondere auch dessen Einlassung hervorhob, er habe darauf vertraut, daß die ihm vom Rechnungswesen vorgelegten Unterlagen auch inhaltlich richtig seien, und es sei ihm auch von der Arbeitszeit her unmöglich gewesen, sämtliche Unterlagen vor ihrer Unterzeichnung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (US 12); einer Darlegung von Aussagedetails, wie jenem von der Beschwerdeführerin vermißten, wonach der Angeklagte S***** erklärt hatte, daß er "die formellen Funktionen des Geschäftsführers, nämlich das Unterschreiben" innegehabt habe (S 20/II), bedurfte es darüberhinaus mangels entsprechender Relevanz nicht.

Indem die Beschwerdeführerin als Unvollständigkeit (Z 5) kritisiert, die Tatrichter hätten sich nicht mit der (im übrigen vom Verteidiger erstatteten) schriftlichen Äußerung S***** zum Verfahren zu AZ 26 Vr 1459/89 des Landesgerichtes Salzburg (S 59/II) und seiner dortigen Einlassung als Beschuldigter (S 79/II) auseinandergesetzt, welche mit seiner Verantwortung, er sei nur pro forma-Geschäftsführer bei der UG gewesen, im Widerspruch stehe, lassen ihre Beschwerdeausführungen eine deutliche und bestimmte Bezeichnung der relevierten Tatumstände (§ 285 Abs 1 StPO) vermissen und erweisen sich damit als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Das gleiche gilt auch bezüglich des Beschwerdehinweises, S***** habe im April oder Mai 1989 mit Georg G***** die Richtigkeit der bis dahin erstatteten Umsatzsteuervoranmeldungen überprüft haben wollen, sowie für den Einwand unvollständiger Urteilsbegründung in bezug auf einen Widerspruch der Verantwortung S***** zu seinen "Darlegungen in der Hauptverhandlung betreffend die Liquiditätsbereitstellung für Umsatzsteuervorauszahlungen ... und zu den bei Bauherrenmodellen üblichen Überrechnungen von Vorsteuerguthaben" (Beschwerdeseite 7).

Der Beschwerde zuwider hat sich das Schöffengericht im Sinne des Gedrängtheitsgebotes auch ausreichend mit den verschiedenen Verantwortungen des Angeklagten P***** vor dem Finanzamt (S 175/I), vor der Untersuchungsrichterin (ON 32/I) und in der Hauptverhandlung sowie mit den Einlassungen der Angeklagten S***** und G***** auseinandergesetzt (US 15 f).

Mit dem Vorbringen, es hätte einer besonderen Begründung bedurft, warum die Herausnahme des Umsatzes von 48 Mio S überhaupt ohne Kenntnis bzw Mitwirkung des Angeklagten P***** hätten erfolgen können, führt der Staatsanwalt die Mängelrüge (Z 5) nicht prozeßordnungsgemäß aus.

Eine beweiswürdigende Erörterung der bloß hypothetisch-spekulativen Äußerung des Georg G***** im Vorverfahren (S 285/I), wonach dann, wenn "in einer Besprechung eine Entscheidung über die Form von USt-VA getroffen worden" wäre, "dabei jedenfalls P***** als Leiter des Rechnungswesens anwesend gewesen" wäre, war der Mängelrüge zuwider überflüssig.

Daß der Angeklagte G***** anläßlich seiner Vernehmung als Beschuldigter im Vorverfahren (S 284 f/I) ausgesagt hat, er habe regelmäßig an Liquditätsbesprechungen teilgenommen, vermag die dem Erstgericht vorgelegene Beweislage nicht wesentlich zu verändern und bedurfte daher in den Urteilsgründen ebenfalls keiner besonderen Erwähnung. Dies umsomehr, als die Beschwerdeführerin selbst darauf hinweist, daß das Schöffengericht ohnehin die (spätere) Verantwortung G*****s (ebenso wie jene der beiden Mitangeklagten), er habe von Liquiditätsschwierigkeiten nichts gewußt, als widerlegt ansah (US 17).

Soweit die Beschwerdeführerin unter Darstellung verschiedener Aspekte die beweiswürdigende Schlußfolgerung der Tatrichter kritisiert, wonach sich ein direkter Bezug zwischen der Umsatzherausnahme von 48 Mio S und der Abrechnung des Projektes "L*****" (an dem Georg G***** beteiligt war) nicht herstellen lasse, bekämpft sie - ohne bestimmte Bezeichnung eines formellen Begründungsmangels - lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Zu Unrecht vermißt die Beschwerdeführerin schließlich auch eine Erörterung der Erklärungsversuche des Angeklagten G***** im Zusammenhang mit der im März 1989 erfolgten Nachmeldung einer Zahllast von 17 Mio S zur Voranmeldung für den Dezember 1988 und der unterbliebenen Meldung der 48 Mio S, fehlt es diesem Verantwortungsdetail doch an Relevanz.

Ein Eingehen auf weitere Beschwerdeargumente zur Mängelrüge konnte unterbleiben, weil sie, wie schon in mehreren oben dargestellten Fällen - ohne formelle Begründungsmängel deutlich und bestimmt zu bezeichnen - lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichtes bekämpfen und damit der prozeßordnungsgemäßen Ausführung entbehren.

Auch mit ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a), anstelle des Freispruches nach § 259 Z 3 StPO wäre mit einem solchen nach § 214 Abs 1 StPO vorzugehen gewesen, muß die Staatsanwaltschaft erfolglos bleiben.

Ihre diesbezügliche Rechtsmittellegitimation ist weggefallen: ihr Vorbringen erweist sich als weder zugunsten noch zum Nachteil der Angeklagten (§ 282 StPO) erhoben.

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