JudikaturOGH

12Os156/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Januar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gottfried L***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 20. August 1997, GZ 15 Vr 591/92-114, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Gottfried L***** wurde der Verbrechen (I) des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und (II) der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB sowie (III) der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB und (IV) des Vergehens nach § 114 Abs 1 und 2 ASVG schuldig erkannt.

Darnach hat er in St. Leonhard am Forst und an anderen Orten

I/1.-4. in der Zeit von März 1991 bis 6. Juli 1993 mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz vier im Urteilsspruch näher bezeichnete Geschädigte durch Täuschung über Tatsachen, indem er teils sich, teils die Firma L***** Co GmbH als zahlungsfähigen und zahlungswilligen Auftraggeber ausgab, zu Handlungen, nämlich der Durchführung von Schalungsarbeiten, Bereitstellung von Arbeitskräften und Quartieren sowie der Vermittlung von Flugreisen verleitet, die diese um insgesamt 1,479.594,60 S am Vermögen schädigten;

als - zunächst faktischer - Geschäftsführer der Firma L***** Co GmbH (§ 309 StGB), die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war,

II in der Zeit vom 30. August 1989 bis Ende April 1992 Bestandteile deren Vermögens verheimlicht, beiseitegeschafft, ihr Vermögen sonst wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger um mehr als 500.000 S geschmälert, indem er (1., 2., 5. und 9.) Kundenzahlungen von insgesamt 334.000 S für Bauarbeiten des von ihm geführten Betriebes und den Verkaufserlös von 60.000 S für ein Firmenfahrzeug persönlich vereinnahmte, (3. und 7.) Scheinrechnungen der Firma B S Trading and Work AG und der Firma S***** Bau GmbH anerkannte, die Bezahlung solcher Rechnungen veranlaßte und das Geld nach Rückfluß persönlich vereinnahmte (Schaden 3,398.713 S), (4.) vom Firmenkonto für persönliche Zwecke 200.000 S behob, (6.) eine der Firma L***** Co GmbH zustehende Leasinggutschrift von 37.574,71 S auf sein Privatkonto überweisen ließ und (8.) Arbeitsleistungen des bezeichneten Unternehmens an seinem Privathaus sowie den Gasthäusern "Alte Post" und "Melktaler Hof" im Gesamtwert von 3,168.500 S nicht verrechnete;

III/1. von Ende 1989 bis Ende 1990 fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit dieses Unternehmens insbesondere dadurch herbeigeführt, daß er leichtsinnig und unverhältnismäßig Kredit benutzte, übermäßigen Aufwand trieb, nicht kostendeckende Aufträge übernahm und sorgfaltswidrig wirtschaftete;

2. von März 1991 bis 19. Jänner 1992 in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Firma L***** Co GmbH fahrlässig die Befriedigung deren Gläubiger insbesondere dadurch vereitelt, daß er neue Schulden einging, Schulden zahlte und das Insolvenzverfahren nicht rechtzeitig beantragte;

IV. von November 1990 bis Februar 1992 Beiträge der Dienstnehmer des bezeichneten Unternehmens zur Sozialversicherung von 1,671.254,96 S einbehalten und der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse als berechtigtem Versicherungsträger vorenthalten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.

Angesichts der in ihren Gutachten lückenlos dokumentierten (335 f/V; 29, 59, 63, 169/VII) Klarstellung der beiden Sachverständigen (212, 213, 315/XI), alle beim Finanzamt Melk befindlichen Buchhaltungsunterlagen der Firma L***** Co GmbH in ihre Befundgrundlage aufgenommen und verwertet zu haben, hätte die auch sonst nach dem gesamten Beweisergebnis kontraindizierte, teils nicht einmal durch die Verantwortung des Beschwerdeführers gedeckte (279/XI), These des Beweisantrages (315/XI), wonach sich aus diesen Buchhaltungsunterlagen die vom Angeklagten behauptete Privateinlage von etwa 300.000 S (zu II/4.) "ergeben muß" und sich darin (bisher nicht aufgefundene) Rechnungen (zu II/8.) "befinden müssen", zur Überprüfung der Antragsberechtigung einer ergänzenden Begründung bedurft, warum die begehrte Beweisaufnahme dennoch das angestrebte Beweisergebnis erwarten ließ. In Ermangelung einer derartigen Konkretisierung versagt die darauf bezogene Verfahrensrüge (Z 4) schon aus formellen Gründen.

Sie geht aber auch mit ihrer Kritik an der Abweisung der überdies beantragten "weiteren Ausforschung" des Joszef C***** - jene des Janosz S***** ist im Beweisantrag nicht enthalten (315 iVm 242/XI) - fehl, weil alle diesbezüglichen Ausforschungsversuche des Erstgerichtes ohne weitere Erfolgschancen negativ verlaufen sind (ON 100/XI; 233/XI).

Dem Einwand (Z 5), der Verwertung der beiden Sachverständigengutachten stünde entgegen (§ 258 StPO), daß diese "nicht ordnungsgemäß" verlesen worden seien, ist angesichts des ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokolls, wonach der gesamte wesentliche Akteninhalt einverständlich (tatsächlich) verlesen wurde (317/XI), von vornherein der Boden entzogen. Davon abgesehen trugen beide Gutachter, teils unter Ergänzung ihrer Expertise, ihre Gutachten auch mündlich vor (311 f, 315/XI). Dadurch wie auch durch die vielfältige Erörterung der Gutachten während der Vernehmung des Angeklagten und der Beweisaufnahme (ON 107, 110, 113/XI) fanden sie ohnedies Eingang in die Hauptverhandlung und durften daher im Urteil auch verwertet werden.

Das weitere Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) ebenso wie die im wesentlichen inhaltsgleichen Argumente der Tatsachenrüge (Z 5a) laufen allesamt auf eine Kritik an der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung nach Art einer hier unzulässigen Schuldberufung hinaus:

Der Zeuge Erwin B***** als Vertreter der kreditgewährenden Bank (297 f/XI) stellte insgesamt unmißverständlich klar, daß sich ab Februar 1991 ein stetig zunehmendes finanzielles Desaster der Firma L***** Co GmbH abzeichnete, der Angeklagte damit nahezu täglich persönlich konfrontiert wurde, Zahlungsanweisungen nur mehr entsprochen wurde, soweit man damit seitens der Bank einen sofortigen wirtschaftlichen Unternehmenszusammenbruch verhindern zu können glaubte, und die massive Unterdeckung des Zessionskredites nur durch diese restriktiven Kreditmaßnahmen etwas gemindert wurde. Auch wenn die Bank die Kredite damals nicht fällig stellte und möglicherweise auch unerwartete Forderungsausfälle den Verlust mitverursacht hatten, läßt sich aus dieser Aussage nichts entnehmen - schon gar nicht eine "einigermaßen akzeptable Liquidität des Unternehmens" zur damaligen Zeit -, was die Tatsache der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit dem Angeklagten verhüllt haben könnte. Dieses Beweisergebnis in Verbindung mit der nicht beanstandeten gutachterlichen Aussage, wonach per 31. Dezember 1990 eine äußerst krasse Diskrepanz zwischen Aktiva und Passiva bestand, bildet somit eine tragfähige Basis für die von der Beschwerde als angeblich "nicht überzeugend" begründet bezeichnete Feststellung (zu III/2.), daß dem Angeklagten die Zahlungsunfähigkeit der Firma L***** Co GmbH nicht, wie er behauptete, erst ab Herbst 1991, sondern bereits spätestens ab Anfang März 1991 bekannt war (US 15-20). Davon abgesehen lasteten die Tatrichter dem Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang - gleichfalls mängelfrei begründet (siehe unten) - überdies an, daß er die Zahlungsunfähigkeit auch durch vorsätzliche Schädigung der Finanzkraft des Unternehmens bewußt mitherbeiführte (US 24 und 25), indem er dem Betrieb durch Bezahlung von Scheinrechnungen und zu geringe Leistungsverrechnungen laufend Mittel entzog (zu II). Schon allein wegen des daraus folgenden Informationsstandes ergeben sich gegen die bemängelte Konstatierung, mag der Sachverständige die Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit auch erst mit Ende März 1991 angenommen haben, keinerlei Bedenken (Z 5a).

Soweit der Beschwerdeführer mit identen Argumenten eine ihm "maximal" Ende März 1991 fahrlässig unbekannte Zahlungsunfähigkeit behauptet und deshalb überdies (zu I/1-3) einen Betrugsvorsatz bestreitet, ist er auf die obigen Ausführungen zu verweisen.

Die bloß subjektive Einschätzung des Zeugen Stefan D*****, sich eine betrügerische Gestion des Angeklagten (zu I/1.) nicht vorstellen zu können (218/XI), bedurfte weder einer gesonderten Erörterung (Z 5) noch gibt sie zu erheblichen Bedenken (Z 5a) gegen die Feststellung Anlaß, daß der Beschwerdeführer diesem Auftraggeber mit unrechtmäßigem Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz die Zahlungsfähigkeit der Firma L***** Co GmbH vortäuschte (US 11).

Darauf, daß ihm auch noch im Oktober 1991 die Zahlungsunfähigkeit seines Betriebes fahrlässig unbekannt gewesen sein sollte, hat sich der Angeklagte nicht berufen sondern einbekannt, diese im Herbst 1991 erkannt zu haben (205/XI). Insoweit argumentiert die Beschwerde (zu I/2.) demnach mit aktenfremden Prämissen.

Das Schöffengericht hat ausführlich dargelegt, warum es die verspätete und nur über Drängen des Geschädigten (zu I/2.) geleistete Teilzahlung fallbezogen als ungeeignet beurteilte, den Betrugsvorsatz in Zweifel zu ziehen (US 28-30). Mit allen dagegen gerichteten Beschwerdeeinwänden (Z 5 und 5a) werden diese Urteilsgründe, ohne nichtigkeitsbegründende Tatsachen auch nur zu behaupten, lediglich nach Art einer Schuldberufung bestritten. Sie haben solcherart auf sich zu beruhen.

Die trotz wiederholter Mahnungen und ohne die geringste Veranlassung auf Seiten des Vertragspartners zur Gänze unbeglichen gebliebene Rechnung des Josef B***** (I/3.) stellt beim finanziellen Hintergrund der Firma L***** Co GmbH bei Auftragserteilung Mitte Juli 1991 ein logisch unanfechtbares Argument dafür dar, daß der Angeklagte auch hier die Zahlungsfähigkeit des auftraggebenden Unternehmens vortäuschte (US 30 und 31). Von der insoweit behaupteten Scheinbegründung kann daher keine Rede sein.

Daß diese Beweiswürdigung den Beschwerdeführer nicht "überzeugt", kann im schöffengerichtlichen Nichtigkeitsverfahren nicht geltend gemacht werden.

Indem der Angeklagte auch zu den Urteilsfakten I/4. und II/1. den Entscheidungsgründen (US 31-37) lediglich eigene Argumente entgegensetzt und damit seine vom Erstgericht ausdrücklich abgelehnte leugnende Verantwortung aufzuwerten sucht, führt er gleichfalls keinen der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe (Z 5 und 5a) gesetzmäßig aus.

Im Gegensatz zum weiteren Beschwerdevorbringen (zu II/3.), soweit es nicht wieder in einer bloßen Kritik an der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung besteht, ist im Urteil eindeutig klargestellt, daß der Beschwerdeführer nicht einen Großteil, sondern den gesamten für eine Scheinrechnung der Firma B S Trading and Work AG bezahlten Rechnungsbetrag von 398.713 S der Firma L***** Co GmbH entzog, indem er damit 34.000 S als Preis für die Ausstellung der Scheinrechnung an Hans Dieter L***** bezahlte und den Rest für sich persönlich verwendete (US 13 iVm US 38-42).

Mit der weiteren Behauptung (zu II/5.), die Verantwortung des Angeklagten sei überzeugend, die vom Erstgericht angegebenen Gründe (US 45-49) demgegenüber "nicht stichhältig und lebensfremd", die tatrichterlichen Schlußfolgerungen demnach "nicht zulässig", verfehlt die Beschwerde erneut eine gesetzmäßige Darstellung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe (Z 5 und 5a).

Die gegen die erstgerichtliche Bewertung der Rechnungen der Firma S*****-Bau GmbH (II/7.; US 50 f) ins Treffen geführten Argumente halten einer Überprüfung nicht stand:

Mag auch das Bausachverständigengutachten (ON 49/V; ON 67/X; Beilage C zu ON 113/XI) lediglich eine Überprüfung derjenigen sieben Rechnungen beinhalten, die die Baustelle "ARGE Universitätszentrum" betreffen, beruhen die Überlegungen der Tatrichter zu den übrigen Rechnungen dieses Unternehmens keinesfalls auf einem bloßen Größenschluß aus dieser - in Ansehung der insoweit ersten Rechnung infolge vorhandener Materialaufzeichnungen der Arbeitsgemeinschaft exakt und im übrigen durch Vergleich der Stundenaufzeichnungen mit den geleisteten Arbeiten annäherungsweise möglichen - bautechnischen Plausibilitätsprüfung, sondern auf vielfältigen anderen Beweisergebnissen (US 50-63), die in ihrer Gesamtheit unter Einbeziehung der oftmals wechselnden Verantwortung des Angeklagten den logisch einwandfreien Schluß zulassen, daß die tatsächliche Leistungserbringung durch die S***** Bau GmbH - soweit sie objektiviertermaßen nicht überhaupt gänzlich fehlte (US 52) - nur einen Bruchteil von maximal 15 % der Rechnungssummen betrug. Dieser Prozentsatz steht bei einem Rechnungsbetrag von insgesamt brutto rund 1,9 Mio S für die Arbeiten an der Baustelle "Universitätszentrum" angesichts der vom Sachverständigen im Rahmen der Schadensberechnung hier vernachlässigten Mehrwertsteuerbeträge und der Skonti mit dem ermittelten (Teil )Schadensbetrag von rund 1,3 Mio s (73/X) auch nicht im behaupteten Widerspruch.

Daß die - aus der Sicht des § 156 StGB gar nicht tatbestandsrelevante - Motivation des Beschwerdeführers, sich und seine Familienangehörigen durch diese Tat (II/7.) persönlich zu bereichern, nach Lage des Falles aufgrund eines der Sparkasse Amstetten auf seiner Privatliegenschaft für den Firmenkontokorrentkredit (von zuletzt 3 Millionen S) eingeräumten Pfandrechtes (im Ergebnis und ohne unmittelbare deliktsspezifische Auswirkung) teilweise vereitelt wurde - die Behauptung einer Privathaftung für den "gesamten Firmenkonkurs" ist aktenwidrig - steht im Einklang mit dem aktenkundigen gravierenden Mangel des Angeklagten an kaufmännischem Sachverstand, vorausschauender wirtschaftlicher Planung und realistischer Einschätzung seiner Außenstände. Bei Berücksichtigung des gesamten Beweissubstrats ist dieses Detail nicht geeignet, erhebliche Bedenken (Z 5a) gegen die insoweit tragenden Urteilsannahmen aufkommen zu lassen.

Mit der dem Akteninhalt in mannigfaltiger Weise widersprechenden (US 63-72) Behauptung, die Verrechnungsdifferenz bei den privaten Um- und Erweiterungsbauten (II/8.) könne "zumindest im Zweifel" auch mit Ersparnissen durch Eigenleistungen und Rabatten bei Materialankäufen erklärt werden, mißlingt schließlich auch der Beschwerdeversuch, gegen die den Schuldspruch laut Punkt II/8 zugrundegelegte entscheidende Tatsache erhebliche Bedenken zu erwecken (Z 5a), daß der Angeklagte bei diesen Bauvorhaben zahlreiche von der Firma L***** Co GmbH erbrachte Leistungen nicht in Rechnung gestellt hat (US 14).

Die somit großteils nicht gesetzmäßig ausgeführte, im übrigen offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 Z 1 und 2, 285a Z 2 StPO).

Über die Berufung des Angeklagten wird sohin das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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