Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Jänner 1999 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Rouschal, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Friedrich R***** wegen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Ried im Innkreis vom 5. Oktober 1998, GZ 8 Vr 164/95-68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewie- sen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Das Geschworenengericht erkannte den Ange- klagten (auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen) des Verbrechens nach § 3g VerbotsG schuldig, weil er sich von Herbst 1994 bis Frühjahr 1998 auf eine andere als in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigte, indem er die Folgen 3/94, 2/95, 4/95, 4/96 sowie 1/98 des Druckwerkes "Der Volkstreue" verbreitete, deren Gesamtinhalt und Aufmachung eine nationalsozialistische Wiederbetätigung darstellen, insbesondere durch verschiedene Beiträge (mit im Urteil detailliert angeführten Textpassagen), die (I.) den national- sozialistischen Völkermord sowie andere national- sozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnen, gröblich verharmlosen und rechtfertigen (1. Folge 3/94 "Naturgesetze gelten für Nazis und Antifaschisten", 2. "Holocaust: Es wird viel gelogen. Hier das Perverseste und Brutalste", 3. Folge 1/98 "Die alliierte Umerziehung", 4. Folge 4/95 "Wie wahr ist Babi Yar?"), sowie (II.) die moralischen und rechtlichen Grundlagen der Kriegsverbrecherprozesse gegen Nationalsozialisten nach dem Zweiten Weltkrieg verneinen (1. Folge 2/95 "Um das Jahr 1945 Erinnerung und Gedenken", 2. Folge 4/96 "Nürnberg 1946 wie die Morgenthau-Justiz Todesurteile fabrizierte") und letztlich (III.) die deutsche Verantwortung am Zweiten Weltkrieg leugnen (1. Folge 2/95 "Den Opfern unseres Volkes gewidmet", 2. "Um das Jahr 1945 Erinnerung und Gedenken", 3. Folge 1/98 "Der geplante Seelenmord").
Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 5 und 6 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht jedoch fehl.
Die Verfahrensrüge (Z 5) behauptet Beeinträch- tigung von Verteidigungsrechten des Angeklagten, weil zwei von der Verteidigung in der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge vom Schwurgerichtshof abgewiesen worden waren.
Zunächst war die Durchführung einer kriminal- technischen Untersuchung in der Schlucht von Babi Yar, insbesondere nach dort befindlichen Metallresten, zum Beweis dafür beantragt worden, daß die vom Angeklagten aufgeworfene Frage im Artikel: Wie wahr ist Babi Yar? richtigerweise, wie vom Angeklagten ausgeführt, dahingehend zu beantworten ist, daß in dieser Schlucht keine Massenerschießungen stattgefunden haben (S 184/II).
Im Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag stand dem Geschworenengericht als Beweismittel der diesbezügliche Inhalt des (im Sinne von §§ 125, 126 StPO unbedenklichen, auf wissenschaftlichem Quellenstudium beruhendem, vgl S 255 ff/I) Gutachtens des beigezogenen zeitgeschichtlichen Sachverständigen zur Verfügung, nach dem (vor allem auf Grund von Einsatzmeldungen und offiziellen Berichten der Einsatzgruppe jenes Sonder- kommandos selbst, das die Massenerschießungen von Juden exekutierte) es historisches Wissen ist, daß in der Schlucht Babi Yar (nordwestlich von Kiew, Ukraine) ein Massenmord an Juden erfolgte (S 156 ff, insb. 159, 174, 177 ff, 182 f/II). Zur Verhinderung eines Nachweises dieser (ebenso nach gesichertem historischen Wissen) größten Massenerschießung wurde (im Zuge des deutschen Rückzuges vor den vordringenden Truppen der Roten Armee) ein (weiteres) Sonderkommando ("1005" unter dem bereits das Erschie- ßungssonderkommando leitenden Befehlshaber B*****) eingesetzt, das die Aufgabe hatte, Spuren des Massenmordes zu beseitigen (S 157/II; vgl S 257/I). Somit hätte selbst unter der Annahme, daß nach einer nunmehrigen Suche nach Metallspuren keine solchen die auf eine vor mehr als 45 Jahren durchgeführte Massenexekution hindeuten aufgefunden werden könnten, für das beantragte Beweisthema nichts gewonnen werden können. Es wäre deshalb Aufgabe des Antragstellers gewesen, zusätzlich anzuführen, aus welchen Gründen dennoch sein Antrag zum angestrebten Beweisergebnis beitragen könnte und in der Lage sein werde, historisch gesichertes Wissen in den Hintergrund zu drängen (Mayerhofer StPO4, § 281 Z 4 E 19, 77b). Lediglich der Vollständigkeit wegen sei angemerkt. daß der in der Hauptverhandlung vernommene Sachverständige einer Spurensuche im beantragten Sinn nur zur Gewinnung einer weiteren Facette des historischen Nachweises nicht negativ gegenüberstand (S 182/II). Dem folgt ersichtlich auch die Nichtigkeitsbeschwerde, welche die Beweisführung dahin relativiert "um das Vorliegen (nicht: das Nichtvorliegen) dieses zeitgeschichtlichen Faktums auch mit Sicherheit feststellen zu können" (S 245/II).
Ferner wurde in der Hauptverhandlung die Vernehmung eines im Gerichtssaal anwesenden Zeugen zum Beweis dafür beantragt, daß dieser "dem Angeklagten die technischen und chemischen Informationen dahingehend gegeben und erläutert hat, daß, wie vom Angeklagten behauptet, die Zahl der durch Massenvergasung getöteten Opfer wesentlich überzogen ist und insbesondere die verwendeten Vernichtungsmittel Zyklon B und Dieselaus- puffgas in diesem Umfang als Tötungsmittel ausscheiden" (nochmals S 184/II).
Im Kern zielt dieser Beweisantrag somit auf die Behauptung, es habe in der nationalsozialistischen Diktatur keine organisierte Massentötung von Menschen (überwiegend jüdischer Abstammung) insbesondere durch Giftgas, mithin keine Vernichtungslager gegeben. Abgesehen davon, daß auch diese Umstände gesichertes Geschichtsgut darstellen (vgl neuerlich das ergänzende zeithistorische Gutachten der Hauptverhandlung S 136 ff; insb. 147 ff, 154 f), versagt die Rüge schon aus rechtlichen Gründen.
Der Gesetzgeber bedroht durch die in den Rang eines Verfassungsgesetzes gehobene (BGBl 148/1992) Bestimmung des § 3h VerbotsG mit Strafe nach § 3g, wer qualifiziert öffentlich "den nationalsozialistischen Völker- mord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost, gut heißt oder zu rechtfertigen sucht". Damit wurde ex lege klargestellt, daß der nationalsozialistische Völkermord und andere national- sozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Strafverfahren keiner weiteren beweismäßigen Erörterung bedürfen (JAB 387 BlgNR 18.GP 4), woraus folgt, daß dieses Beweisthema jeder Beweisführung entrückt ist. Damit ergibt sich aus § 3h VerbotsG prozessual ein Beweisthemenverbot in Ansehung der Tatsache des nationalsozialistischen Völker- mordes und der anderen nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Eine Beweisaufnahme darüber kam somit von vornherein nicht in Betracht (15 Os 1/93).
Die Rüge nach Z 6 bemängelt die Ablehnung der Stellung einer Zusatzfrage, "ob sich der Angeklagte im Rechtsirrtum befunden hat, weil er bereits publizierte Artikel wiedergegeben hat, wo keine rechtliche Verfolgung stattge- funden hat und er sich nicht bewußt war, daß sein Wiederzitieren der Artikel strafbar sei" (S 186 f/II).
Gemäß § 313 StPO sind entsprechende Fragen nach einem Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund (Zusatzfragen) zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die, werden sie als erwiesen angenommen, die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden.
In der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte zum Artikel "Naturgesetze gelten für Nazis und Anti- faschisten" damit verantwortet, diesen der Zeitschrift "Aula" entnommen zu haben, die bereits längere Zeit auf dem Markt gewesen sei und (diesbezüglich) überhaupt nichts passiert wäre. Es hätte kein Staatsanwalt eingegriffen (S 113/II). Zum Artikel "Holocaust: Es wird viel gelogen. Hier das Perverseste und Brutalste" wiederum gab er an, er habe (auch) diesen aus einer Zeitschrift und dabei einiges weggelassen (115/II). Der Artikel Babi Yar stamme aus einem Buch, das von einem Soldaten geschrieben, noch heute auf dem Markt und nicht eingezogen sei (S 117/II). Den Artikel "Nürnberg 1946 wie die Morgenthau-Justiz Todesurteile fabrizierte" habe er aus einer deutschen Wochenzeitung entnommen, der Beitrag sei nie beanstandet oder gar angeklagt worden (S 123/II). Auch den Artikel "Die alliierte Umerziehung" habe er übernommen und nicht selbst geschrieben ebenso wie den Artikel in der Folge 1/98 (der Zeitschrift "Der Volkstreue", "Der geplante Seelenmord").
Auch die Ausführung der Fragestellungsrüge in Richtung der bereits in der Hauptverhandlung reklamierten Zusatzfrage (§ 313 StPO) setzt voraus, daß insbesondere die Tatumstände, welche den Nichtigkeitsgrund bilden sollen, ausdrücklich oder durch deutliche Hinweisung angeführt werden (§§ 344, 285a Z 2 StPO). Dies versäumt die Beschwerde jedoch, indem sie nicht jene Gründe anführt, die einen Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund herzustellen imstande wären.
Der in der Beschwerde (wie bereits in der Haupt- verhandlung) behauptete Rechtsirrtum soll darin bestehen, daß der Angeklagte lediglich bereits publizierte Artikel veröffentlicht habe, die (seines Wissens nach) nicht verfolgt worden wären. Dies allein kann jedoch den reklamierten Schuldausschließungsgrund nicht herstellen, weil nicht immer alles, das (als) strafbar (bekannt) ist, auch verfolgt wird. Ein Rechtsirrtum vermag übrigens nur dann die Schuld des Täters auszuschließen, wenn er diesem nicht vorzuwerfen ist (§ 9 Abs 2 StGB), auf einen qualifizierten Vorsatz, wie ihn die Beschwerde ersichtlich ihren Ausführungen zugrundelegt ("bewußt"), stellt das Gesetz nicht ab. Umstände aber, weswegen der Irrtum - so er überhaupt vorlag - nicht nicht vorwerfbar sein sollte (obwohl sie auf demselben Gedan- kengut beruhen, wie jene, die zur unmittelbar vorangehenden Verurteilung des Angeklagten führten, siehe 33 Vr 1149/88 des Landesgerichtes Salzburg, Verlesung der höchst- gerichtlichen Entscheidung daraus S 183/II), hat der Beschwerdeführer (weder in seiner Verantwortung vor dem Geschworenengericht noch in dem auf die Stellung der begehrten Zusatzfrage zielenden Antrag und auch) in der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde nicht einmal behauptet. Mangels ausdrücklicher oder doch durch deutliche Hinweisung angeführter Umstände, die den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund darzustellen vermögen, entbehrt die Rüge der Fragestellung somit schon einer (formell ausreichenden) prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Auf den als "Urkundenvorlage" bezeichneten, nach Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde eingebrachten Schriftsatz war nicht einzugehen, kennt die Strafprozeß- ordnung doch nur eine Ausführung dieses Rechtsmittels (Mayerhofer aaO § 285 E 36).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht den formalrechtlichen Erfordernissen entsprechend ausgeführt, teils jedoch als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d iVm 285a Z 2 StPO). Die Entscheidung über die damit verbundene Berufung und die ihr innewohnende Beschwerde gegen den zugleich mit dem Urteil gemäß § 494a StPO gefaßten Beschluß fällt demgemäß in die Kompetenz des zuständigen Oberlandesgerichtes (§§ 344, 285i, 498 Abs 3 dritter Satz StPO).
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