Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Urban als Schriftführer, in der Strafsache gegen Carlos G***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand der vollen Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 127, 129 Z 1 und Z 2 und 15) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Jugendschöffengericht vom 11. März 1998, GZ 10 Vr 402/97-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückge- wiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27. Dezember 1981 geborene Jugendliche Carlos G***** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 127, 129 Z 1 und Z 2 und 15) StGB schuldig erkannt.
Demnach hat er sich, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und im Rausch Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und Z 2 (vgl US 2, 7) und 15 StGB zugerechnet würden, indem er (zusammengefaßt)
I. am 2. Oktober 1997 in Linz mit dem gesondert verfolgten Oliver G*****
1. in zwei Angriffen zwei unbekannten Besitzern von Häusern im Bereich des Römerberges sowie
2. der Gabriele Z***** durch Eindringen in deren Wohnhaus mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel nach Überklettern einer Mauer jeweils geignetes Diebsgut zu stehlen versuchte und
3. dem Paul St***** 30 S Bargeld stahl; ferner
II. allein
1. am 1. Oktober 1997 in Steyr Verfügungsberechtigten des A***** 1.700 S Bargeld und der Johanna M***** 200 S Bargeld durch Einsteigen in einen Schalterraum des Landeskrankenhaus Steyr stahl und
2. am 2. Oktober 1997 in Linz Verfügungsberechtigten des M*****, des SK V*****, Sektion Gewichtheben und dem Karl Heinz N***** durch Einbruch in ein Gebäude zwei Schlüssel geringen Wertes stahl sowie Bargeld zu stehlen versuchte.
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Durch die Ablehnung der Einholung eines Gutachtens eines Jugendpsychiaters mit Lehrbefugnis (§ 126 Abs 2 StPO) zum Beweis dafür, "daß im Sinne des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen eine verzögerte Reife vorliege und auch nach dem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten beim Hinwegdenken des Faktors Alkohol eine Dispositionsfähigkeit nur im grenzwertigen Bereich gegeben und deswegen das Gutachten (Dris. S*****) zweideutig unschlüssig sei" (S 438 iVm S 462 und ON 69), wurden Verteidigungsrechte (Z 4) nicht verletzt.
Voraussetzung für die (zusätzliche) Beiziehung eines weiteren Sachverständigen ist nach dem Gesetz primär, daß sich der (Erst )Befund als dunkel, unbestimmt, im Widerspruch mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen oder - im Fall von Angaben zweier Sachverständiger - als in den wahrgenommenen Tatsachen erheblich divergent darstellt (§ 125 StPO) bzw sich solche Widersprüche oder Mängel in bezug auf das Gutachten ergeben (§ 126 Abs 1 StPO). Sinngemäßes gilt für den Fall, daß das Gutachten Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind. Werden in der bezeichneten Richtung Bedenken aktuell, so ist dazu zunächst mit nochmaliger Vernehmung desselben Sachverständigen vorzugehen. Erst dann, wenn die Bedenken auf diese Weise nicht zu beseitigen sind, ist nach den zitierten Gesetzesbestimmungen ein weiterer Sachverständiger beizuziehen.
Bei der hier in Rede stehenden Fallkonstellation nahm das Erstgericht davon aber - der Beschwerdeauffassung zuwider - gesetzeskonform ohne Hintansetzung wesentlicher Verteidigungsinteressen Abstand:
Zwar hat der gerichtspsychiatrische Sachverständige Dr. Herbert S***** in seinem schriftlichen Gutachten ON 55 hinsichtlich des Angeklagten die Voraussetzungen verzögerter Reife im Sinne des § 4 Abs 2 Z 1 JGG mit der Begründung bejaht, daß trotz des Fehlens psychopathologisch faßbarer Störungen der kognitiven Funktionen wegen "emotionaler Unreife" kaum "Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten" wirksam wären, wobei der Alkoholmißbrauch eine wesentliche Rolle spiele (S 411), weshalb "spätestens in alkoholisierten Zuständen" keine intakte Dispositionsfähigkeit vorläge (S 413). Diese Ausführungen hat der Sachverständige jedoch im Zuge der - durch gezielte Fragestellungen entsprechend konkretisierten - mündlichen Erörterung seines Gutachtens in der Hauptverhandlung unmißverständlich dahingehend klargestellt, daß die tataktuelle Dispositonsfähigkeit des Angeklagten bei Ausklammerung der Alkoholkomponente - wenn auch im "grenzwertigen Bereich gelegen" so doch - ausreichend aufrecht war (S 436, 437). Diese die innere Tatseite betreffende Klarstellung war aber durchaus geeignet, die aus einer isolierten Beurteilung der schriftlichen gutächtlichen Ausführungen ableitbaren Bedenken in einer Weise zu beseitigen, die im Sinne der Begründung des gerügten Zwischenerkenntnisses die Befassung eines weiteren Sachverständigen entbehrlich machte, ohne dabei gegen die in §§ 125, 126 StPO normierten Grundsätze zu verstoßen.
Die solcherart weder unschlüssige, unbestimmte och in sich widersprüchliche Expertise erwies sich aber auch - entgegen der in der Mängelrüge (Z 5) vertretenen Auffassung - in Verbindung mit dem in der Hauptverhandlung hinterlassenen persönlichen Eindruck des Angeklagten - als tragfähige Grundlage für jene subjektiven Tatsachenfeststellungen, die dem bekämpften Schuldspruch unter Mitberücksichtigung der von Carlos G***** einbekannten deliktsspezifischen Vorerfahrungen mit Alkoholmißbrauch zugrundeliegen.
Nach Prüfung der Akten anhand der Tatsachenrüge (Z 5a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof auch keine Bedenken, geschweige denn solche erheblichen Gewichts, gegen die Richtigkeit der die Ablehnung des persönlichen Strafauschließungsgrundes nach § 4 Abs 2 Z 1 JGG oder die Fahrlässigkeit der Herbeiführung der - seine Dispositionsfähigkeit (erst) beseitigenden - Alkoholisierung tragenden Tatsachenfeststellungen.
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den sowohl aus dem geschilderten objektiven Sachverhalt als auch aus der zu den jeweils in unmittelbarer zeitlicher Nähe verübten Angriffen (I/2 und II/2) ausdrücklich konstatierten deliktsspezifischen Absicht (US 5 f) zwingend abzuleitenden Tätervorsatz hinsichtlich der unter I/1, 3 und II/1 bezeichneten Rauschtaten negiert, verfehlt sie den dazu notwendigen Vergleich des Urteilssachverhaltes mit dem darauf angewendeten Gesetz und damit die prozeßordnungsgemäße Darstellung des materiellen Nichtigkeitsgrundes.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die außerdem ergriffene Berufung (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.
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