JudikaturOGH

4Ob104/98t – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. August 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshof Dr.Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei The W*****, vertreten durch Dorda, Brugger Jordis, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, unter Mitwirkung von Dipl.Ing. Helmut Sonn und Dipl.Ing. Peter Pawloy, Patentanwälte in Wien, wider die beklagte Partei N***** GmbH, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler Partner, Rechtsanwälte in Wien, unter Mitwirkung von Dr.Erwin Müllner und anderen Patentanwälten in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Leistung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 19. Dezember 1997, GZ 15 R 206/97t-14, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 26.September 1997, GZ 17 Cg 21/97p-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Artikel 177 Buchstabe b EGV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 19 der Verordnung (EWG) Nr 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (im folgenden SZ-VO) dahin auszulegen, daß der (auch) dort gebrauchte Begriff des "Erzeugnisses" nur einen Wirkstoff in bestimmter chemischer Verbindung oder - sofern die pharmakologischen Eigenschaften gleichwertig sind - auch dessen Derivate (wie Salze) erfaßt?

2. Für den Fall der Beantwortung der Frage zu 1 im Sinne eines weiten Erzeugnisbegriffes:

Ergibt sich diese Auslegung des in Artikel 19 SZ-VO gebrauchten Begriffs "Erzeugnis" erst aus den auch für die Auslegung der SZ-VO sinngemäß anzuwendenden Erwägungsgründen der Verordnung (EG) Nr 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel (im folgenden PSM-VO), wurde also die SZ-VO durch die PSM-VO geändert oder hat die PSM-VO nur klargestellt, wie "Erzeugnis" in der SZ-VO von Anfang an zu verstehen war?

3. Für den Fall der Beantwortung der Frage zu 2 in dem Sinne, daß die PSM-VO die SZ-VO geändert hat:

Ist bei Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Artikels 19 SZ-VO für ein Schutzzertifikat vorliegen, auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Schutzzertifikates oder denjenigen der Entscheidung der nationalen Behörde (hier des österreichischen Patentamtes) abzustellen?

4. Für den Fall, daß "Erzeugnis" in Artikel 19 SZ-VO weit auszulegen ist, sei es, daß das schon von Anfang an der Fall war oder daß dies erst seit der PSM-VO zutrifft, aber die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen auf Erteilung des Schutzzertifikates maßgeblich ist:

Bildet ein Verstoß gegen Artikel 19 SZ-VO einen in Artikel 15 SZ-VO nicht aufgezählten Nichtigkeitsgrund oder ist das Schutzzertifikat sonst unwirksam?

II. Bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften wird das Verfahren ausgesetzt (§ 90 a GOG).

.

Text

Begründung:

I. Sachverhalt

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin war (unter anderem) Inhaberin des mit 15.Juni 1997 abgelaufenen österreichischen Patents Nr 354.462, das ein Verfahren zur Herstellung von 9-substituierten Purinen und deren Salzen zum Gegenstand hatte, wobei die Patentansprüche wie folgt lauteten:

Am 10.Juni 1981 erlangte die Klägerin in Großbritannien die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Zovirax Eye Ointment 3 % w/w, welches den Wirkstoff Aciclovir (als Base) enthält. Mit Beschluß vom 12.Juni 1997 erteilte das Österreichische Patentamt der Klägerin zum Patent Nr 354.462 unter der Nummer SZ 22/94 ein ergänzendes Schutzzertifikat für das Erzeugnis "Aciclovir als Natriumsalz". Dieses Schutzzertifikat wurde aufgrund der am 17.Oktober 1994 eingelangten Schutzzertifikatsanmeldung und einer arzneimittelrechtlichen Genehmigung vom 11.September 1985 erteilt. Es "gilt ab Ablauf der Dauer des Grundpatentes und endet bei rechtzeitiger Zahlung der Jahresgebühren mit 19.Jänner 1999".

II. Anträge der Parteien und Entscheidungen der Vorinstanzen

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungs- sowie eines Beseitigungsbegehrens beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung (unter anderem) zu verbieten, 9-substituierte Purine, die gemäß dem Patent Nr 354.462 hergestellt sind, insbesondere so hergestelltes Aciclovir und dessen Salze oder Pharmazeutika, welche die derartigen Wirkstoffe bzw als Wirkstoff derartiges Aciclovir oder deren Salze enthalten, betriebsmäßig feilzuhalten und/oder zu vertreiben sowie zu den genannten Zwecken einzuführen und zu besitzen, im besonderen die Arzneimittel NYCOVIR 5 %-Creme, NYCOVIR 200 mg-Tabletten, NYCOVIR 400 mg-Tabletten, NYCOVIR 800 mg-Tabletten sowie NYCOVIR 250 mg-Trockensubstanz zur Infusionsbereitung. Bei den vom Patent der Klägerin geschützten chemischen Stoffen handle es sich um den Wirkstoff "Aciclovir" sowie dessen Derivate (Salze), die den wirksamen Teil der weltweit bekannten und auch in Österreich von der Lizenznehmerin der Klägerin unter der Bezeichnung "Zovirax" umfangreich vermarkteten Arzneimittel gegen Herpes bildeten. Die Beklagte habe arzneimittelbehördliche Zulassungen für die unter Punkt 1 des Begehrens aufgezählten Arzneispezialitäten erwirkt, welche Aciclovir sowie Aciclovir als Natriumsalz als aktiven Bestandteil enthielten. Diese Arzneimittel seien im Arzneispezialitätenregister "Austria Codex" veröffentlicht worden. Damit greife die Beklagte in das Schutzzertifikat der Klägerin ein. Dieses Schutzzertifikat könne schon deshalb nicht nichtig sein, weil keiner der in Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr 1768/92 des Rates vom 18.Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (im folgenden kurz: SZ-VO) taxativ aufgezählten Gründe vorliege. Das Schutzzertifikat SZ 22/94 beziehe sich nach seinem Wortlaut auf das Erzeugnis "Aciclovir als Natriumsalz". Dieses habe praktisch dieselben medizinischen Eigenschaften wie Aciclovir, sei aber ein anderer chemischer Stoff. Da gemäß Artikel 1 Buchstabe b SZ-VO das Erzeugnis der Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels sei, schütze das Schutzzertifikat nach seinem Wortlaut den Wirkstoff "Aciclovir als Natriumsalz" entsprechend dem Arzneimittel "Zovirax 250 mg Trockensubstanz zur Infusionszubereitung". Gemäß dem Erwägungsgrund 13 der Verordnung (EG) Nr 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel (im folgenden kurz: PSM-VO), der kraft deren Erwägungsgrund 17 auch für Schutzzertifikate von Arzneimitteln gelte, gewähre das Zertifikat den gleichen Schutz wie das Grundpatent. Gelte also das Grundpatent für einen Wirkstoff und seine Derivate, so gewähre das Zertifikat den gleichen Schutz. Da das Grundpatent Nr 354.462 den Wirkstoff Aciclovir und dessen Salze, unter anderem als Natriumsalz, schütze, schütze das Schutzzertifikat aufgrund der authentischen Auslegung der SZ-VO durch die PSM-VO den Wirkstoff "Aciclovir als Natriumsalz" und dessen Derivate, also auch Aciclovir als freie Base.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Der Wirkstoff "Aciclovir" in ihren "NYCOVIR"-Produkten werde nicht nach dem Klagepatent hergestellt; das Verfahren falle auch nicht unter den Schutzbereich des Schutzzertifikats SZ 22/94. Dieses sei im übrigen nichtig. Da die Erstzulassung von Aciclovir im EWR vor dem 1.Januar 1982, nämlich am 10.Juni 1981 in Großbritannien, erfolgt sei, stehe die Erteilung des Schutzzertifikates in Widerspruch zu Artikel 19 SZ-VO, könne doch danach ein ergänzendes Schutzzertifikat nur für ein Erzeugnis erteilt werden, für das als Arzneimittel eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Gemeinschaft

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Da für die Klägerin schon im Juni 1981 ein Produkt mit dem Wirkstoff Aciclovir als Arzneimittel zugelassen worden sei, habe die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung des Schutzzertifikates SZ 22/94 gehabt. Es sei darauf hinzuweisen, daß der Wirkstoff des Gegenstandes dieses Schutzzertifikates ebenso wie in dem bereits im Juni 1981 in Großbritannien zugelassenen Produkt einzig und allein Aciclovir sei. Aus der PSM-VO ergebe sich, daß der Begriff des Erzeugnisses auf den dem Patent zugrunde liegenden Wirkstoff und seine Derivate (Salze und Ester) erweitert worden sei. Die Voraussetzungen des Artikels 19 SZ-VO seien somit nicht erfüllt.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

III. Österreichische Rechtslage

Nach § 7 Schutzzertifikatsgesetz 1996 Bundesgesetzblatt I 1997/11 (SchZG 1996) - sowie schon nach § 6 Schutzzertifikatsgesetz 1994, Bundesgesetzblatt 635 - finden auf erteilte ergänzende Schutzzertifikate ergänzend zu den Bestimmungen von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft über die Schaffung ergänzender Schutzzertifikate eine große Zahl von Bestimmungen des Patentgesetzes Anwendung, unter anderem auch die Regelungen über die Folgen von Patentverletzungen (§§ 147 ff Patentgesetz [PatG]). Demnach kann also, wer in einer der ihm aus einem Schutzzertifikat zustehenden Befugnisse verletzt worden ist oder eine solche Verletzung zu besorgen hat, unter anderem auf Unterlassung (§ 147 Abs 1 PatG) und auf Beseitigung (§ 148 PatG) klagen und auch einstweilige Verfügungen

Im vorliegenden Fall haben zwar die Vorinstanzen keine Tatsachenfeststellungen über die Strukturen von Aciclovir als Base und als Natriumsalz getroffen, sondern nur im Zuge der rechtlichen Beurteilung, ohne sich mit irgendwelchen Beweismitteln auseinanderzusetzen, unterstellt, daß der Wirkstoff des Gegenstandes des Schutzzertifikats SZ 22/94 ebenso wie derjenige des im Juni 1981 in Großbritannien zugelassenen Produkts "einzig und allein Aciclovir" sei. Zwischen den Parteien besteht aber darin Übereinstimmung, daß das Erzeugnis Aciclovir eine Base sei, deren Derivat unter anderem Aciclovir als Salz ist. Die Klägerin behauptet selbst, daß Aciclovir als Base und das Natriumsalz von Aciclovir praktisch dieselben medizinischen Eigenschaften haben.

IV. Vorlagefragen

Zwecks Entscheidung des an den Obersten Gerichtshof herangetragenen Falls ist die Auslegung verschiedener Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts, nämlich der SZ-VO und der PSM-VO, also die Auslegung von "Handlungen der Organe der Gemeinschaft" im Sinn des Artikels 177 Buchstabe b EGV (Schima, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH 10), erforderlich. Da - soweit ersichtlich - noch keine Rechtsprechung des EuGH zu den hier maßgeblichen Fragen vorliegt und die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts auch nicht derart offenkundig ist, daß keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Fragen bleibt (EuGHSlg 1982, 3415 - CILFIT ua), sieht sich der Oberste Gerichtshof verpflichtet, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu richten. Daß sich die Rechtssache noch im Stadium des Provisorialverfahrens befindet, steht der Vorlageberechtigung nicht entgegen (Borchardt in Lenz, Kommentar z EGV, Rz 18 zu Artikel 177 EGV mwN). Die Vorlage erscheint schon derzeit zweckmäßig, weil der Sachverhalt im wesentlichen geklärt erscheint.

Maßgebend für die Entscheidung ist zunächst die Auslegung des in Artikel 19 SZ-VO gebrauchten Begriffs "Erzeugnis". Zwischen den Parteien ist die Frage strittig, ob mit der arzneimittelrechtlichen Genehmigung von Aciclovir als Base vor dem Stichtag des Artikels 19 Abs 3 SZ-VO in Großbritannien auch für Aciclovir als Natriumsalz eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft im Sinn des Artikels 19 Abs 1 SZ-VO erteilt wurde. Im Falle der Bejahung wäre das Schutzzertifikat SZ 22/94 zu Unrecht erteilt worden. Es kommt also darauf an, ob Aciclovir als Base und Aciclovir als Natriumsalz dasselbe "Erzeugnis" im Sinn des Artikels 1 Buchstabe b SZ-VO sind. Artikel 1 Buchstabe b SZ-VO definiert das Erzeugnis als den Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels. Eine Begriffsbestimmung des "Wirkstoffs" fehlt hingegen. Artikel 1 Z 3 der PSM-VO definiert allerdings "Wirkstoffe" als Stoffe und Mikroorganismen, einschließlich Viren, mit allgemeiner oder spezifischer Wirkung a) gegen Schadorganismen, b) auf Pflanzen, Pflanzenteile oder Pflanzenerzeugnisse. Auch daraus geht nicht eindeutig hervor, ob unter Wirkstoff immer nur ein Stoff im engeren Sinn, also eine bestimmte chemische Verbindung, oder auch dessen Derivate zu verstehen sind.

Der Begriff des "Erzeugnisses" war im Zusammenhang mit dem Schutzumfang des Schutzzertifikats Gegenstand von Erörterungen (Schennen, Auf dem Weg zum Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel, GRUR 1996, 102 ff [106 f]) und war auch Gegenstand einer nationalen Expertenkonferenz vom 3.Februar 1995. Diese Streitfrage sollte mit den Erwägungsgründen 13 und 14 der PSM-VO - auch für die SZ-VO (Erwägungsgrund 17 der PSM-VO) - dahin gelöst werden, daß das Zertifikat die gleichen Rechte wie das Grundpatent, also gegebenenfalls den gleichen Schutz für den Wirkstoff und seine Derivate gewährt (Erwägungsgrund 13); ein eigenes Zertifikat für die Derivate neben dem Zertifikat für ein aus einem Wirkstoff bestehendes Erzeugnis ist nur dann zulässig, wenn diese Derivate Gegenstand von eigenen Patenten sind (Erwägungsgrund 14; Schennen aaO 107). Der im Vorschlag für eine PSM-VO enthalten gewesene Satz 2 des Erwägungsgrundes 9, welcher wörtlich mit Satz 3 des Erwägungsgrundes 9 der SZ-VO übereinstimmte - wonach der vom Schutzzertifikat gewährte Schutz streng auf das Erzeugnis beschränkt sein muß, für das die Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel erteilt wurde -, wurde gestrichen (Schennen aaO 106) und in die endgültige Fassung der PSM-VO nicht aufgenommen.

Die genannten Erwägungsgründe der PSM-VO mögen die Auffassung stützen, daß die arzneimittelrechtliche Genehmigung für den vom Grundpatent erfaßten Stoff vor dem Stichtag der Erteilung eines Zertifikats für ein - vom selben Grundpatent umfaßtes - Derivat dieses Stoffs entgegenstehe, das die gleichen pharmazeutischen Eigenschaften besitzt, gewährt doch ein für das Derivat erteiltes Zertifikat - wie hier das Schutzzertifikat SZ 22/94 - den Schutz auch für den Wirkstoff als Base (Erwägungsgrund 13 der PSM-VO). Zwingend ist diese Auslegung jedoch nicht; das gilt insbesondere für die Rechtslage vor dem Inkrafttreten der PSM-VO. Nach Artikel 4 SZ-VO erstreckt sich der durch das Zertifikat gewährte Schutz in den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes allein auf das Erzeugnis, das von der Genehmigung für das Inverkehrbringen des entsprechenden Arzneimittels erfaßt wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel, die vor Ablauf des Zertifikats genehmigt wurden. Noch deutlicher verweist der schon erwähnte Satz 3 des Erwägungsgrundes 9 auf einen engen Begriff des Erzeugnisses und auch des Schutzumfanges. Aber auch bei Heranziehung der PSM-VO für die Auslegung der SZ-VO bleibt insoweit Raum für unterschiedliche Auffassungen, als die angeführten Erwägungsgründe der PSM-VO unmittelbar nur die Schutzwirkungen des Schutzzertifikates behandeln, nicht aber den Begriff des "Erzeugnisses" ausdrücklich neu definieren.

Sollte erst die Auslegung der SZ-VO im Lichte des Erwägungsgrunds 13 der PSM-VO zu einem weiten Erzeugnisbegriff führen, dann stellt sich die Frage, ob mit diesem - gemäß Erwägungsgrund 17 der PSM-VO auch für die Auslegung insbesondere des Erwägungsgrundes 9 und der Artikel 3 und 4 der SZ-VO sinngemäß heranzuziehenden - Erwägungsgrund die SZ-VO nachträglich geändert oder nur klargestellt wurde, wie die SZ-VO von Anfang an auszulegen war.

Hat die PSM-VO die SZ-VO abgeändert, hängt die Entscheidung dann auch noch davon ab, ob die Voraussetzungen für die Erteilung des Schutzzertifikates SZ 22/94 (nur) im Zeitpunkt der Antragstellung vorhanden sein mußten oder ob dafür allein der Zeitpunkt der Erteilung maßgebend ist. Für die erste Auffassung könnte allenfalls der Wortlaut des Artikels 3 SZ-VO ins Treffen geführt werden, wonach das Zertifikat erteilt wird, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die Anmeldung nach Artikel 7 eingereicht wird, zum Zeitpunkt dieser Anmeldung die im einzelnen aufgezählten Voraussetzungen vorliegen. Bemerkt sei, daß nach österreichischem Recht die Beantwortung der Frage, welche Rechtslage für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde maßgeblich ist, dem materiellen Recht zu entnehmen ist (Verwaltungsgerichtshof Zl 90/08/0177); es können daher unter Umständen auch bereits aufgehobene Vorschriften auf frühere Sachverhalte noch anzuwenden sein. Im allgemeinen hat aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Verwaltungsbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltende Recht anzuwenden, soweit nicht Übergangsbestimmungen anderes vorsehen (Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6 Randzahl 541 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs).

Sollte sich aus der Beantwortung der Fragen zu 1 bis 3 ergeben, daß in dem für die Entscheidung über das Ansuchen um Erteilung des Schutzzertifikates maßgebenden Zeitpunkt der Begriff des "Erzeugnisses" im weiten Sinn auszulegen war, kommt der weiteren Frage Bedeutung zu, ob dieser Umstand einen in Artikel 15 SZ-VO nicht aufgezählten Nichtigkeitsgrund bildet oder sonst zur Unwirksamkeit des Schutzzertifikats führt. Dem Wortlaut des Atikels 15 SZ-VO kann nicht eindeutig entnommen werden, ob dort die Nichtigkeitsgründe vollständig oder nur beispielsweise aufgezählt sind.

Diese für die Entscheidung erheblichen Fragen der Auslegung von Vorschriften der SZ-VO waren daher gemäß Artikel 177 Buchstabe b EGV dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens gründet sich auf § 90 a Abs 1 GOG.

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