JudikaturOGH

8ObA355/97g – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr.Wolfgang Adametz und Johann Siebenhandl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Werner F*****, vertreten durch Dr.Günter Niebauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö***** R*****, vertreten durch Cerha, Hempel Spiegelfeld, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 57.543,68 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Juni 1997, GZ 9 Ra 61/97z-15, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 4.Oktober 1996, GZ 24 Cga 63/96a-9, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,01 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der 1938 geborene Kläger war bei dem beklagten Medienunternehmen seit 1.10.1957, zuletzt als verantwortlicher Kameramann beschäftigt. Am 25.10.1994 erlitt er anläßlich einer Livesendung, einen Herzinfakt, mußte operiert werden, wobei ihm Implantate in die Herzkranzgefäße eingesetzt wurden, und befand sich seither bis zu seiner Pensionierung im Krankenstand. Am 1.2.1995 beantragte er bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten die Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Mit Bescheid vom 28.4.1995 wurde ihm der Anspruch hierauf ab 1.2.1995 anerkannt. Dieser Bescheid wurde dem Kläger zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, jedoch kurz vor dem 8.5.1995 zugestellt.

Am 8.5.1995 richtete der Kläger an die beklagte Partei folgendes Schreiben: "Im Hinblick auf die Feststellung meiner Berufsunfähigkeit ab 1.2.1995 laut Schreiben der PVAng vom 28.4.1995 erkläre ich unter Wahrung des Pensions- und Abfertigungsanspruchs meinen vorzeitigen Austritt zum 31.5.1995."

Der Kläger hätte zu diesem Zeitpunkt seine Tätigkeit als Kameramann bei der beklagten Partei ohne gesundheitliche Schäden nicht mehr fortsetzen können; über eine mögliche, dem Kläger gesundheitlich zumutbare andere Verwendung wurde zwischen den Streitteilen nicht gesprochen, obwohl die beklagte Partei über das bei der Pensionsversicherungsanstalt laufende Verfahren informiert war.

Mit Schreiben vom 10.5.1995 teilte die beklagte Partei dem Kläger ua folgendes mit: "Wir nehmen Bezug auf Ihr Schreiben vom 8.5.1995 und teilen Ihnen dazu mit, daß Ihr Dienstverhältnis mit 31.5.1995 wegen Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension endet."

Seit 1.6.1995 bezieht der Kläger eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit.

Der Kläger begehrt der Höhe nach unstrittige S 57.543,68 sA an restlicher Urlaubsentschädigung für 16 Tage.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung. Sie stellte zwar den grundsätzlichen Urlaubsanspruch des Klägers von 37 Arbeitstagen pro Urlaubsjahr außer Streit, bestritt aber den Klagsanspruch mit der Begründung, das Dienstverhältnis hätte gemäß § 16 Z 5 lit b FBV an den Tag einvernehmlich geendet, an dem dem Kläger der Bescheid des Sozialversicherungsträgers zugestellt worden sei, sodaß dem Kläger, da das Dienstverhältnis in der ersten Hälfte des Urlaubsjahres geendet habe, nur eine Urlaubsabfindung nach § 10 UrlG zugestanden sei, die er ohnedies erhalten hätte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit ausführlicher Begründung statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, daß es auch über die eingewandte Gegenforderung spruchmäßig absprach, und ließ die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zu, weil die Auslegung der freien Betriebsvereinbarung für Dienstnehmer des ORF über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe und daher eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 46 Abs 1 ASGG vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im klagsabweisenden Sinn abzuändern.

Der Kläger beantragt, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedenfalls zulässig, aber nicht berechtigt.

Es liegt zwar, wie noch darzulegen sein wird, keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vor. Allerdings ist die Revision gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG jedenfalls zulässig, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, insgesamt S 50.000,- übersteigt und für den Klagsanspruch die Vorfrage streitentscheidend ist, wie das Arbeitsverhältnis geendet hat, ob durch berechtigten vorzeitigen Austritt des Klägers (so der Kläger) oder durch einvernehmliche Lösung auf Grund des § 16 Z 5 lit b FBV (so die beklagte Partei).

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes in den entscheidungswesentlichen Teilen zutreffend ist, genügt es, auf diese zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusammenfassend ist den weitwendigen Revisionsausführungen der beklagten Partei zu erwidern:

Gemäß § 12 UrlG sind die Rechte des Arbeitnehmers auf Urlaubsentschädigung weder durch Betriebsvereinbarung noch durch Arbeitsvertrag abdingbar, daher auch nicht durch den von der beklagten Partei herangezogenen § 16 Z 5 lit b FBV. Durch die FBV kann dem Kläger sein Recht, gemäß § 26 Z 1 AngG vorzeitig auszutreten, weil er aus gesundheitlichen Gründen unfähig geworden ist, seine Dienstleistungen fortzusetzen, nicht genommen werden. Er hat in diesem Fall gemäß § 9 Abs 1 Z 2 UrlG zwingend Anspruch auf Urlaubsentschädigung. Diesen Anspruch hätte er auch, wenn er von der beklagten Partei wegen der Unfähigkeit, weiter die bedungenen Dienste zu leisten, entlassen worden wäre; es handelte sich dann nämlich um eine Entlassung ohne Verschulden des Arbeitnehmers gemäß § 9 Abs 1 Z 1 UrlG iVm § 27 Z 2 AngG.

Dem Kläger war nicht zumutbar, seinen vorzeitigen Austritt zu erklären, bevor er sicher sein konnte, von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten die beantragte vorzeitige Alterspension wegen verminderter Arbeitsfähigkeit zuerkannt zu erhalten; hierauf hat er zulässigerweise umgehend seinen vorzeitigen Austritt erklärt. Daß er ihn befristet erst zum Monatsende erklärt hat, schadet nicht, weil sich die beklagte Partei mit der Verschiebung des Beendigungsdatums einverstanden erklärt hat, wie sie es nach ihrem eigenen Vorbringen auch in anderen Fällen tat. Da das vorzeitige Austrittsrecht und die sich hieraus ergebenden Ansprüche auf Urlaubsentschädigung zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingend sind, ist es unerheblich, ob sich die beklagte Partei mit der Verschiebung des Endigungstermins (dazu Berufungsurteil S 9 f) nur unter der Bedingung der Endigung des Arbeitsverhältnisses nach § 16 Z 5 lit b FBV, der nach ihrer Meinung eine vorweggenommene einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Fall einer unbefristeten Berufsunfähigkeitspension darstellt, die der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gleichzustellen sei (dazu Ersturteil S 9), einverstanden erklären wollte. Dem Kläger gegenüber hat sie dies in ihrem Schreiben vom 10.5.1995 jedenfalls nicht deutlich gemacht, sodaß auch der eventualiter - für den Fall, daß das Gericht die Austrittserklärung für rechtswirksam erachtet - mit Gegenforderung geltend gemachte Lohnrückforderungsanspruch für die Zeit vom 9.5. bis 31.5.1995 nicht zu Recht besteht.

Unter diesen Umständen erübrigt es sich daher eine nähere Stellungnahme zu Inhalt und Bedeutung des § 16 Z 5 lit b FBV.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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