JudikaturOGH

8ObA150/98m – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Wolfgang Adametz und Johann Siebenhandl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helga M*****, kaufmännische Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Bernhard Steinbüchler und Mag.Harald Mühlleitner, Rechtsanwälte in St.Florian, wider die beklagte Partei N***** H***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Georg Maxwald und Dr.Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 167.577,48 brutto sA (Revisionsinteresse S 147.323,47 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.März 1998, GZ 12 Ra 16/98d-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 27.Oktober 1997, GZ 17 Cga 115/97p-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.395,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.395,-- USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Begründung der Berufungsentscheidung, die Klägerin habe sich durch ihre Kassaführung, bei der "Überstände" (ein zu hoher Ist-Kassenbestand gegenüber dem Sollbestand) nicht ausgewiesen, sondern auf nicht mehr feststellbare Weise zum Verschwinden gebracht wurden, vertrauensunwürdig gemacht (§ 27 Z 1 dritter Fall AngG), weshalb sie berechtigt entlassen wurde, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Revisionsausführungen ist zu erwidern:

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Klägerin ausführt, der Entlassungsgrund sei vom Arbeitgeber konstruiert worden, weicht sie unzulässig von den Feststellungen ab und führt daher den Rechtsmittelgrund nicht gesetzmäßig aus. Dafür, daß der Geschäftsführer der beklagten Arbeitgeberin zunächst Geld in die Kassa gelegt und sodann wieder hinterrücks entnommen hätte, um sodann die Klägerin entlassen zu können, hat das Beweisverfahren keinen Anhaltspunkt ergeben.

Die Entlassung ist auch nicht verspätet erfolgt. Der Geschäftsführer der beklagten Partei hat am 29.4.1997 einen Geldbetrag von S 190,-- zur Überprüfung der Klägerin - bei deren Kassenführung es schon zuvor mehrfach zu von ihr verheimlichten Abweichungen zwischen Ist- und Sollstand gekommen war - in die Kasse gelegt. Erst am 6.5.1997 sprach der Geschäftsführer die Klägerin auf diesen Umstand an. Der Unverzüglichkeitsgrundsatz bezieht sich auf den Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber von einem Entlassungsgrund des Arbeitnehmers Kenntnis erhält, nicht hingegen auf die Zeitspanne, innerhalb der die Redlichkeit des Arbeitnehmers überprüft wird. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Bewährungsmöglichkeit im Umgang mit einem Kassenüberstand möglichst kurz zu gestalten, läge nicht im Interesse des Arbeitnehmers, müßte der Arbeitgeber schon nach kürzester Zeit mit Entlassung vorgehen.

Bei den Rechtsmittelausführungen, die Klägerin habe den Kunden Kleingeld nachgelassen, um bei diesen einen "kundenorientierten und menschlichen Eindruck" der Verhaltensweise der beklagten Partei zu erwecken, weicht die Klägerin erneut von den Feststellungen ab. Eine derartige Behauptung zur Rechtfertigung ihres Verhaltens hat die Klägerin bisher nicht vorgebracht, sodaß sie überdies gegen das Neuerungsverbot verstößt.

Die Mitteilung von einer notwendigen Operation der Klägerin verbunden mit einem voraussichtlich längeren Krankenstand hat die beklagte Partei nach den Feststellungen nicht zur Entlassung veranlaßt. Bei Vorliegen des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit hätte auch dieses von der Klägerin behauptete Motiv zur Entlassung - etwa im Sinne des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG (im Hinblick auf die Entgeltfortzahlung) - von ihr im Rahmen einer Anfechtung nach § 106 ArbVG nicht mit Erfolg geltend gemacht werden können.

Das Element der Beharrlichkeit ist nur bei Entlassungsgründen im Sinne des § 27 Z 4 AngG von Belang, nicht aber bei der Vertrauensunwürdigkeit gemäß § 27 Z 1 AngG.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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