15Os79/98 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Juni 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Schmucker, Dr.Zehetner und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kolarz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Nikolaus K***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen der Geldfälschung nach § 232 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Richard S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 21.Jänner 1998, GZ 4 Vr 2748/97-44, sowie über die Beschwerde des Angeklagten S***** gegen den gleichzeitig gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO verkündeten Beschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten S***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der erwachsene Angeklagte Richard S***** wurde (zugleich mit den beiden jugendlichen Angeklagten Nikolaus K***** und Gerhard K*****, bezüglich derer das Urteil wegen des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 1 StGB inzwischen in Rechtskraft erwachsen ist) des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 23.September 1997 in Graz nachgemachtes Geld, nämlich mindestens zehn Stück 1.000 S-Banknoten-Kopien, mit dem Einverständnis des an der Fälschung beteiligten Gerhard K***** mit dem Vorsatz übernommen hat, es als echt und unverfälscht in Verkehr zu bringen.
Zugleich widerrief das Erstgericht gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO (§ 53 Abs 1 StGB) eine dem Angeklagten S***** mit dem Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 31.August 1993 (rechtskräftig seit 5.Oktober 1993), GZ 1 U 299/93-15, für eine Probezeit von drei Jahren (welche in der Folge zunächst auf vier und schließlich auf fünf Jahre verlängert worden war) gewährte bedingte Nachsicht einer dreimonatigen Freiheitsstrafe.
Gegen den Schuldspruch richtet sich die vom Angeklagten S***** aus Z 4, 5, 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung, den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Als nichtig (Z 4) rügt er die unterbliebene Entscheidung des Gerichtshofs über die von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung 1. des Insp.Hans D***** zum Beweis dafür, "daß der Drittangeklagte [S*****] für die Polizei tätig war und im Rahmen dieser Tätigkeit Falsifikate übernommen hat und keineswegs die Absicht bestanden hat, einen Verstoß nach § 232 StGB zu begehen", sowie der Ingrid B***** zum Nachweis dafür, "daß der Angeklagte S***** mit der Polizei telefonisch Kontakte hatte und für die Polizei tätig war" (19/II).
Indes wurde der Beschwerdeführer durch die allerdings prozeßordnungswidrige Nichterledigung der in Rede stehenden Beweisanträge (vgl die zwingenden Vorschriften des § 238 Abs 1 und Abs 2 StPO) in seinen Verteidigungsrechten unzweifelhaft erkennbar (§ 281 Abs 3 StPO) nicht verkürzt, weil die unter Beweis gestellten objektiven Tatsachen (Absprache einer Tätigkeit für die Polizei; telefonische Kontakte mit der Polizei) im Urteil ohnehin aktengetreu festgestellt und im Rahmen der Beweiswürdigung kritisch erörtert wurden (US 6 ff). Aus welchen Gründen hingegen bei der gegebenen Beweislage aus der Vernehmung des Zeugen D***** auch für die (nachdrücklich bestrittene) subjektive Tatseite des Angeklagten sachdienliche Anhaltspunkte hätten gewonnen werden können, hat er in erster Instanz nicht dargelegt. Dies wäre aber im konkreten Fall angesichts der Tatsache, daß er die übernommenen Falsifikate entgegen der mit den Sicherheitsbehörden getroffenen Absprache zwei Tage lang bei sich behielt und davon vier Stück in Verkehr setzte, für die Relevanzprüfung unumgänglich notwendig gewesen. Die erst in der Verfahrensrüge - demnach prozessual verspätet - vorgebrachten Gründe, welche im wesentlichen bloß auf eigener, urteilsfremder Beweiswürdigung beruhen, können dieses Versäumnis nicht mehr sanieren.
Die Verfahrensrüge ist daher im Ergebnis unbegründet.
Die Ausführungen zur Mängelrüge (Z 5) zeigen trotz ihrer Weitwendigkeit keinen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes auf; ein solcher muß nämlich in jedem Fall eine entscheidende (also entweder für die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß übende) Tatsache betreffen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 26). Dies gilt auch für die vom Beschwerdeführer - der Sache nach - in mehrfacher Hinsicht behauptete "Unvoll- ständigkeit", die nur dann vorläge, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen wichtige und in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergangen, Widersprüche zwischen den Aussagen vernommener Personen nicht gewürdigt, oder die Gründe nicht angegeben hätte, aus denen es maßgebende Beweise nicht für stichhältig erachtete (vgl Foregger/Kodek StPO7 S 423).
Aus dieser Sicht versagt daher der Beschwerdeeinwand, mit dem Widersprüche zwischen der Urteilskonstatierung (US 6 oben iVm S 73/I), wonach K***** am 23.September 1997 "ca" zwanzig Stück der kopierten Banknoten an Richard S***** weitergegeben habe, und weiteren (im Urteil nicht näher erörterten) Aussagen des Angeklagten K***** über andere Stückzahlen hervorgekehrt werden. Im Hinblick darauf, daß Gegenstand der Verurteilung (US 2) - ohnehin zum Vorteil des Nichtigkeitswerbers nur - "mindestens" zehn Stück sind, in den Entscheidungsgründen (US 6 oben) von "ca" zwanzig Stück die Rede ist und der Angeklagte K***** in seinen Vernehmungen wiederholt und nachdrücklich darauf hingewiesen hat, nur eine beiläufige, aber keine genaue Anzahl ("sicherlich über zehn Stück") der an K***** übergebenen Falsifikate nennen zu können (vgl 73 f, 77 ff/I), war das Erstgericht im Sinne des Gebotes gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO, nur die entscheidungswesentlichen Tatsachen in gedrängter Form darzustellen, nicht verhalten, diese Teile der widersprüchlichen Verantwortung näher zu erörtern, zumal die Anzahl der gefälschten Banknoten vorliegend auch den anzuwendenden Strafsatz des § 232 Abs 2 StGB nicht berührt.
Keine Relevanz kommt fallbezogen dem gerügten Umstand zu, daß nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls betreffend die Aussage des Zeugen B***** (14 oben/II) S***** um die Mittagszeit des 23.September 1997 bei der Polizei angerufen hätte, während der Sachverhaltsdarstellung (109/I) und auch den Urteilsgründen (US 6 f) zu entnehmen ist, daß dieser Anruf (erst) am 25. des Monats erfolgte; im ersten Fall handelt es sich nach den insoweit unbedenklichen Verfahrensergebnissen ersichtlich bloß um einen jederzeit gemäß § 270 Abs 3 StPO berichtigungsfähigen Schreib- oder Hörfehler der Protokollführerin; einen Berichtigungsantrag hat der Angeklagte aber nicht gestellt.
Ebenso bedeutungslos ist die Frage, ob S***** am 25.September 1997 schon bei Übergabe der noch vorhandenen Falsifikate an Kriminalbeamte der Bundespolizeidirektion Graz eingestanden hat, mehrere "Blüten" bereits eingelöst zu haben, oder ob er diese Mitteilung erst bei seiner förmlichen Vernehmung gemacht hat (vgl hiezu 109 unten f/I, 15/II).
Aus welchen (tragfähigen) Gründen das Schöffengericht zur Feststellung gelangte, der Nichtigkeitswerber habe schon bei Übernahme der gefälschten 1.000 S-Banknoten den Vorsatz gehabt, diese in Verkehr zu setzen (vgl US 2, 8), wird in den Gründen zureichend, nachvollziehbar und überzeugend dargelegt (US 7 unten bis 8 Mitte).
Für die Beschwerdevermutung, es könnte durch die "Betrugsgruppe" eine verbotswidrige (vgl § 25 StPO) "Geldwechselaktion" geplant gewesen sein, bietet die Aktenlage keine Anhaltspunkte, weshalb das Gericht auch nicht verpflichtet war, "weitere Zeugen (wie Beamte der Betrugsgruppe)" oder den Zeugen D***** einzuvernehmen.
Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß dem angefochtenen Urteil kein formaler Begründungsfehler anhaftet; vielmehr laufen die Ausführungen zur Mängelrüge nach Inhalt und Zielrichtung lediglich auf eine - nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehene Schuldberufung - unzulässige Kritik an der zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgefallenen tatrichterlichen Lösung der Schuldfrage hinaus.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entbehrt zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung des angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrundes. Hiefür wäre nämlich sowohl ein striktes Festhalten am gesamten festgestellten subjektiven und objektiven Urteilssachverhalt ohne Bestreitung konstatierter Tatsachen erforderlich als auch die Erbringung des Nachweises auf dessen Basis, daß dem Erstgericht bei Anwendung des darauf angewendeten Gesetzes ein Rechtsfehler unterlaufen ist.
Diesen prozessualen Geboten zuwider stellt der Beschwerdeführer insgesamt sechsmal und mit Nachdruck den - wie dargelegt - mängelfrei festgestellten spezifischen Vorsatz in Abrede, indem er unter Berufung auf seine eigene (vom Schöffengericht aber insoweit als unglaubwürdige Schutzbehauptung abgelehnte) Verantwortung in Verbindung mit anderen Beweisergebnissen zum urteilsfremden Ergebnis kommt, er habe das Verbrechen "gemäß § 232 Abs 1 StGB [in Wahrheit wird ihm jenes nach § 232 Abs 2 StGB angelastet] weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht verwirklicht".
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die zudem erhobene Berufung und über die Beschwerde das Oberlandesgericht Graz zuständig ist (§ 285 i StPO).