14Os16/98 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Mai 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schimatschek als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian Josef J***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2, Abs 3 Z 3 SGG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Christian J***** und Franz H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 14. November 1998, GZ 29 Vr 1.033/96-149, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Christian J***** und Franz H***** sowie aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil in den Schuldspruchpunkten A/2/a,b, aber auch im Punkt B/2/b betreffend den Mitangeklagten Peter J*****, demgemäß auch in den Strafaussprüchen hinsichtlich der drei Angeklagten aufgehoben und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Christian J***** und Franz H***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz H***** gegen Punkt A/1 des Urteilssatzes bleibt einem öffentlichen Gerichtstag vorbehalten.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Christian J***** und Franz H***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 erster Fall, Abs 2 erster Fall, Abs 3 Z 3 SGG, teilweise (bei Christian J***** richtig: ausschließlich) in Form der Beteiligung nach § 12 dritter Fall StGB (A/1, 2/a,b), Christian J***** (auch) und Peter J***** (ausschließlich) des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (B/1 bzw B/2/a,b) schuldig erkannt.
Soweit im Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung haben
A) Christian J***** und Franz H***** gewerbsmäßig den bestehenden
Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen, das in § 12 Abs 1 SGG bezeichnete Quantum um zumindest das 25fache übersteigenden Menge erzeugt bzw zu dessen Erzeugung beigetragen, indem
1. Franz H***** von 1990 und Mitte Juni 1996 in Unterstockstall ca 600.000 Mohnpflanzen anbaute, aufzog, nach der Ernte die Mohnköpfe entmohnte und entstengelte, 600.000 morphinhältige Mohnköpfe, "mithin Suchtgift", erzeugte;
2. Franz H***** und Christian J***** in Linz bzw an anderen Orten durch Verkauf eines Teils der unter Punkt 1 bezeichneten morphinhältigen Mohnköpfe an Süchtige zur Gewinnung von Morphinbase ("O-Tee") durch diese beitrugen und zwar
a) Franz H***** (zusammengefaßt) von 1991 bis Juni 1996 durch (teils über Franz B***** abgewickelten) Verkauf von ca 332.000 Mohnköpfen,
b) Christian J***** von 1994 bis Juni 1996 durch Verkauf von ca 140.000 Mohnköpfen;
B/2/b) Peter J***** außer den Fällen der §§ 12 und 14a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider zur Erzeugung von Suchtgift durch andere beigetragen, indem er von März 1995 bis Juni 1996 ca 600 morphinhältige Mohnkapseln im Geschäft des Franz H***** an Süchtige zur Herstellung von morphinbasehältigem "O-Tee" verkaufte.
Während die Angeklagten Christian J***** und Peter J***** den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (B/2/a und b) nicht anfechten, bekämpfen der Erstgenannte und der Angeklagte Franz H***** den Schuldspruch wegen des Suchtgiftverbrechens (A/1, 2/a,b) mit Nichtigkeitsbeschwerden, und zwar Christian J***** aus dem Grund der Z 9 lit b (inhaltlich auch Z 9 lit a), Franz H***** aus den Gründen der Z 4, 5, 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO.
Rechtliche Beurteilung
Schon bei der nichtöffentlichen Beratung über die gegen die Schuldspruchfakten A/2/a,b erhobenen Rechtsrügen der beiden Beschwerdeführer zeigt sich, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung in diesen Punkten, aber auch hinsichtlich der dem Mitangeklagten Peter J***** laut B/2/b des Urteilssatzes angelasteten strafbaren Handlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat (§§ 285 e, 290 Abs 1 StPO).
Dem Urteil haften nämlich Feststellungsmängel zu den bezeichneten Schuldspruchfakten in der Bedeutung der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO an.
Alle drei Angeklagten haben nämlich behauptet, von der Legalität des Mohnkapselverkaufes überzeugt gewesen zu sein, hiefür auch Argumente angeführt (S 229, 287 f, 307/IV) und sich solcherart im Ergebnis dahin verantwortet, über die Qualität des aus den Mohnkapseln herzustellenden O-Tees als Suchtgift geirrt zu haben. Das Erstgericht hat über diesen, ein normatives Tatbestandsmerkmal (§ 5 Abs 1 StGB) betreffenden Irrtum keine eindeutigen Feststellungen getroffen. Es nahm zwar an, daß Franz H***** "um die Suchtgiftbeschaffenheit der Mohnkapsel wußte" (US 26), unterlag dabei aber selbst einem Irrtum:
In der Liste der in den Anhang I der ESK (Einzige Suchtgiftkonvention 1961, BGBl Nr 531/1978) aufgenommenen Suchtgifte ist nur "Mohnstroh-Konzentrat" aufgezählt und wird als "das bei Verarbeitung von Mohnstroh zwecks Konzentrierung der Alkaloide anfallende Material, wenn dieses im Handel erhältlich ist" definiert. Nach dem Anhang I der Suchtgiftverordnung (sowohl 1979 als auch 1997) ist "Mohnstrohkonzentrat das Produkt, das bei der Behandlung von Mohnstroh zum Zwecke der Konzentration seiner Alkaloide erhalten wurde". Mohnstroh, das selbst somit kein Suchtgift ist (Foregger/Litzka SGG2 Anm V zu § 2), sind hingegen alle Teile des Opiummohns nach dem Mähen mit Ausnahme des Samens (Art 1 Abs 1 lit r ESK). Demnach ist die Mohnkapsel als Teil des Mohnstrohs mangels Bearbeitung zum Zweck der Konzentrierung seiner Alkaloide kein Mohnstrohkonzentrat und unterfällt weder § 1 SGG noch § 2 SMG.
Im erneuerten Verfahren wird (durch Befragung der bekannten Mohnkapselkäufer und Einvernahme eines Sachverständigen) auch zu klären sein, in welchem - bei auf den Additionseffekt gerichtetem Vorsatz allenfalls verbrechensqualifizierenden (nunmehr § 28 Abs 2 oder Abs 4 Z 3 SMG) - Ausmaß die in den Mohnkapseln enthaltenen Morphinmengen gewonnen wurden, weil nur diese Mengen anlastbar sind (sofern der Konzentrationsgrad von Morphin im "O-Tee" 0,001 % übersteigt - Anhang I der Suchtgiftverordnung) und die hundertprozentige Ausbeute des Suchtgiftes durch Auskochen nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K***** (S 331/IV) nicht möglich ist.
In diesem Zusammenhang wird auf im Urteil widersprüchliche Annahmen zum Mohnkapselgewicht - von dem 0,3 % auf Morphin entfällt - hingewiesen. Aus der Konstatierung, wonach 15.500 Mohnkapseln 41 kg wiegen (US 30), errechnet sich ein Gewicht von 2,645 g, wogegen auf US 39 von "gut 4 g" die Rede ist.
Sohin war teils in Stattgebung der gegen A/2 gerichteten Nichtigkeitsbeschwerden, teils aus deren Anlaß schon bei einer nichtöffentlichen Beratung spruchgemäß zu verfahren (§§ 285 e, 290 Abs 1 StPO) und die Erörterung der diesbezüglichen weiteren - zum Teil in bloßer Kritik an der Rechtslage bestehenden - Beschwerdepunkte entbehrlich.
Über den gegen Punkt A/1 des Urteilssatzes gerichteten Teil der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz H***** wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden sein.
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten Christian J***** und Franz H***** auf diese Entscheidung zu verweisen.