12Os38/98 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Mai 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Philipp als weitere Richter in Gegenwart der Richter- amtsanwärterin Mag.Maschl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hasan M***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 12.Jänner 1998, GZ 20 n Vr 8721/97-66, ferner über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig gefaßten Beschluß gemäß § 494 a StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, der Dolmetscherin Ingeborg Neipp, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Reinitzer zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre erhöht.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Beschwerde des Angeklagten wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Hasan M***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Demnach hat er "im Februar 1997 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Jugendlichen Levent Ko***** und Sevket Kö***** mit Gewalt gegen einen unbekannten Schwarzafrikaner diesem fremde bewegliche Sachen, nämlich mehrere Kügelchen Heroin und Kokain, mit dem Vorsatz weggenommen, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem Hasan M***** dem genannten Schwarzafrikaner die Mundwinkel zusammendrückte, Levent Ko***** dessen Hände festhielt und Sevket Kö***** Aufpasserdienste leistete, sowie" (laut Niederschrift der Geschworenen und der auf § 330 Abs 2 StPO beruhenden Beschränkung der Hauptfragenbejahung ohne diesbezügliche Kenntnisnahme durch Hasan M*****) "den Schwarzafrikaner mit der Gaspistole bedrohte, worauf der unbekannte Schwarzafrikaner mehrere Kugeln mit Suchtgift in die Hände des Hasan M***** spuckte".
Die Geschworenen bejahten die Hauptfrage 1 nach dem Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB mit mehreren (im Gesetz nicht vorgesehenen, den Angeklagten aber nicht benachteiligenden) Streichungen und Ergänzungen und einer gemäß § 330 Abs 2 StPO zulässigen, die Verwendung der in Rede stehenden Gaspistole betreffenden Einschränkung, demnach lediglich im Grundtatbestand des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB im Stimmenverhältnis 5 : 3; die Eventualfrage nach einer Beitragstäterschaft zu dieser Tat (§ 12 dritter Fall StGB) blieb folgerichtig unbeantwortet.
Der dagegen vom Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 6 und 7 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu:
Rechtliche Beurteilung
Dem Beschwerdestandpunkt zuwider bedeutete es zunächst keine Verletzung (Z 6) der Vorschrift des § 314 Abs 1 StPO, daß das Fragenschema keine (weitere) "entsprechende" Eventualfrage (zur anklagekonformen Hauptfrage 1 nach schwerem Raub) in Richtung nicht näher substantiierter Hehlerei "nach § 164 StGB" aufwies. Die von der Beschwerde - zusammenfassend richtig - wiedergegebene, ein strafbares Verhalten zur Gänze leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers in der (hier allein relevanten - Mayerhofer StPO4 § 314 E 29 ff) Hauptverhandlung am 12.Jänner 1998, wonach er sich am Raub des Suchtgifts nicht beteiligt, ferner keine Kenntnis von der tatsächlichen Herkunft des von ihm übernommenen Heroins gehabt habe und der Meinung gewesen sei, daß das ihm von Levent Ko***** übergebene Heroin von einem Schwarzafrikaner gekauft worden sei (5, 6, 7, 8, 10/III), stellte nämlich kein für die vermißte Fragestellung hinreichendes Verfahrenssubstrat dar. Da auch einem sonstigen in der Hauptverhandlung hervorgekommenen Beweisergebnis Tatsachengrundlagen nicht zu entnehmen waren, die im Falle ihrer Richtigkeit die Mitwirkung des Angeklagten Hasan M***** (bloß) auf Hehlerei beschränkt hätten, der Inhalt einer Eventualfrage aber im Fall ihrer Bejahung die Basis für einen Schuldspruch wegen einer - anklagedifformen - gerichtlich strafbaren Handlung unabdingbar voraussetzt (Mayerhofer aaO § 314 EGr 1), blieb für die angestrebte Fragestellung kein Raum.
Die mit Bezugnahme auf den Verdacht der Teilnahme des Beschwerdeführers an zwei Raubüberfällen behauptete Überschreitung der Anklage (Z 7) liegt schon deswegen nicht vor, weil lediglich eine (örtlich nicht näher konkretisierte) in Wien verübte strafbare Handlung Gegenstand der Anklage (ON 49) war, die dem auf den Wahrspruch der Geschworenen gestützten, im wesentlichen aktenkonformen, hinsichtlich Tatzeit und -ort, der Tathandlungen, der Mittäter des Angeklagten und der Person des Geschädigten als individuelles Geschehen voll abgegrenzten und damit eindeutig individualisierten Schuldspruch zugrundeliegt. Ob der spruchgegenständliche Raub - wie in der Anklagebegründung ausgeführt - in der Gumpendorferstraße - oder wie vom Beschwerdeführer auf spekulativer Basis behauptet - in der Niederhofstraße verübt wurde, kann daher auf sich beruhen, weil Anklage und Urteil denselben Sachverhalt erfassen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verhängte nach § 142 Abs 1 StGB über den Angeklagten achtzehn Monate Freiheitsstrafe. Dabei wertete es zwei einschlägige Vorstrafen als erschwerend, die Suchtgiftabhängigkeit des Angeklagten hingegen als mildernd.
Gemäß § 53 Abs 1 StGB (§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO) faßte das Erstgericht auch den Beschluß auf Widerruf der mit Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 12.September 1996, AZ BE 281/96, gewährten bedingten Entlassung aus der vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 2 c E Vr 13382/95 verhängten Freiheitsstrafe.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafreduktion mit der Begründung an, das Erstgericht habe sein "faktisches Eingeständnis eines unrechtmäßigen Verhaltens" zu Unrecht nicht als mildernd gewertet und seiner schwierigen und verzweifelten Situation (Krankheit, Arbeits- und Unterstandslosigkeit, Drogenabhängigkeit sowie "zwangsläufige" illegale Rückkehr nach Österreich nach seiner Abschiebung nach Bosnien) nicht Rechnung getragen.
Demgegenüber beantragt die Staatsanwaltschaft unter Hervorhebung des einschlägig getrübten Vorlebens des Angeklagten eine Erhöhung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe.
Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.
Wie zur Nichtigkeitsbeschwerde bereits ausgeführt, kann von einem Geständnis des Angeklagten (oder einem relevanten Beitrag zur Wahrheitsfindung) keine Rede sein; auch mit seinem darüber hinausgehenden Vorbringen vermag der Berufungswerber keine für eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe hinreichenden Grundlagen aufzeigen.
Der Angeklagte weist bereits zwei Vorverurteilungen wegen Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 107 Abs 1, 83 Abs 1 sowie §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1) StGB (jeweils in Verbindung mit Verurteilungen nach § 16 Abs 1 SGG) auf, die sich - der Beschwerde zuwider - unter dem Aspekt personenbezogenen Gewalteinsatzes gegen dasselbe Rechtsgut richten, wie die hier aktuelle Tat. Es bedarf daher keiner weiteren Erörterung, daß die Erreichung des Strafzwecks aus spezialpräventiver Sicht den Ausspruch von Sanktionen erforderlich macht, die dem Tatunrecht und dem schon in der Strafdrohung zum Ausdruck kommenden gesellschaftlichen Störwert entsprechend Rechnung tragen. Bei der vorliegenden Sachkonstellation, insbesondere der von exzessiver Aggressionsbereitschaft geprägten Täterpersönlichkeit, ist somit - im Sinn der Antragstellung der Staatsanwaltschaft - eine Korrektur des in erster Instanz gefundenen Strafausmaßes erforderlich; die Strafe war daher auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre zu erhöhen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Aus den angeführten Überlegungen folgt aber auch, daß der Widerruf der bedingten Entlassung aus der Freiheitsstrafe geboten ist, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, weshalb sich auch seine mit der Urteilsanfechtung verbundene Beschwerde als nicht berechtigt erweist.
Nur der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, daß sich die Beschwerdeargumentation, der Widerruf sei nicht erforderlich, weil der Beschwerdeführer nunmehr (haftbedingt) durch einen längeren Zeitraum drogenentwöhnt sein werde und damit seine psychische Anfälligkeit, der Drogenabhängigkeit neuerlich zu erliegen, nicht mehr gegeben sei, mit dem (seinerzeit erfolgreichen) Beschwerdevorbringen des Angeklagten gegen den eine bedingte Entlassung ablehnenden Beschluß des Vollzugsgerichtes deckt, dessen ungünstige aber realitätsbezogene Prognose - wie der vorliegende Fall zeigt - eingetroffen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.