JudikaturOGH

12Os22/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. März 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz B***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 9. Dezember 1997, GZ 27 Vr 2827/97-7, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Praxmarer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Gendarmeriebeamte Franz B***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Demnach hat er zwischen Februar und April 1997 in Lienz als Beamter mit dem Vorsatz, die Republik Österreich an ihrem Recht "auf Erstattung von Anzeigen gegen Strafverdächtige und Strafverfolgung von Strafverdächtigen" zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er auf einer zu erstattenden Strafanzeige gegen Reinhard K***** die Unterschrift des Postenkommandanten nachmachte, die Strafanzeige kopierte, das Original der Strafanzeige vernichtete, die Kopie der Strafanzeige in einem Ordner ablegte und im Protokollbuch des Gendarmeriepostens Lienz den Vermerk "20.2.1997 BG Lienz angezeigt" anbrachte, ohne die Strafanzeige zu erstatten.

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b, 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Mit der zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund aufgestellten Behauptung, das angefochtene Urteil leide an Feststellungsmängeln zu jenen (vermeintlich) wesentlichen Verfahrensergebnissen, die auf eine Tatbegehung durch bloße Überforderung der individuellen Leistungsfähigkeit hinge- wiesen hätten, scheitert schon daran, daß sie von einer urteilsfremden Beschränkung der inkriminierten Deliktsver- wirklichung auf eine bloße Unterlassung durch "Untätigbleiben" des als Gendarmeriebeamter zur Anzeigeerstattung verpflichteten Angeklagten ausgeht. Der im konkreten Fall urteilsgegenständliche Amtsmißbrauch umfaßt demgegenüber einen - nach Lage des Falles plangemäß in Teilakten verübten - Tatkomplex, der nach den erstrichterlichen Fest- stellungen aus von einheitlichem Tätervorsatz geleiteten Handlungs- und Unterlassungskomponenten besteht. Zu den hier aktuellen Details aktiver Deliktsverwirklichung, denen trotz des tätergewollten Bemäntelungseffektes durchaus eigenständiges Gewicht zukommt, genügt der Hinweis auf die Vernichtung der Originalanzeige, die Anfertigung einer durch die Nachahmung der Unterschrift des Postenkommandanten entsprechend adaptierten Anzeigekopie und die Falschbeurkundung der (in Wahrheit fingierten) Weiterleitung der Anzeige an das zuständige Strafgericht. Daß unabhängig davon - den entsprechenden Tätervorsatz vorausgesetzt - die Unterlassung der Strafanzeige für sich allein zur Tatbestandsverwirklichung nach § 302 Abs 1 StGB geeignet sein konnte, tritt bei der hier gegebenen Fallkonstellation als nicht maßgebend in den Hintergrund, weshalb auch dem Beschwerdeeinwand, die Unterlassung der Anzeigeerstattung sei einer entsprechenden Rechtsgutverletzung durch aktives Tun wegen der beschränkten individuellen Leistungsfähigkeit des Angeklagten nicht - wie für gerichtlich strafbaren Amtsmißbrauch durch Unterlassung gesetzlich gefordert - gleichwertig, vorweg die spezifische Basis einer Tatbe- schränkung auf bloßes Unterlassen mangelt.

Als rechtlich verfehlt erweist sich aber auch der weitere Beschwerdestandpunkt, wonach die im konkreten Fall auch nach der Tataufdeckung noch aufrechte Möglichkeit der Strafverfolgung der Annahme eines - vermeintlich für die Vollendung strafbaren Amtsmißbrauchs erforderlichen - Schadenseintrittes und eines darauf abstellenden Tätervor- satzes entgegenstünde. Nach dem unmißverständlichen Wort- laut des § 302 Abs 1 StGB stellt der tatsächliche Schadens- eintritt kein gesetzliches Kriterium vollendeter Tatbestandsverwirklichung dar. Dazu genügt es vielmehr, daß der Tätervorsatz die (an sich mögliche) Schädigung von konkreten Rechten anderer miteinschließt (Leukauf/Steininger StGB3 § 302 RN 42; Foregger/Kodek/Fabrizy StGB6 § 302 Anm IX; SSt 49/32 (verstärkter Senat); zuletzt 14 Os 135/92, 15 Os 1/95 und 12 Os 56/96). Vor dem Hintergrund dieser solcherart nach Judikatur und Schrifttum gleichermaßen gefestigten Rechtslage bleibt der Einwand fehlender Beeinträchtigung des staatlichen Strafanspruchs mangels eingetretener Verjährung ohne Bedeutung.

Die - wie dargelegt - im konkreten Fall nach dem Gesetzeswortlaut unproblematische Deliktsvollendung ist es aber auch, die der Reklamation strafaufhebenden Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB (Z 9 lit b) die begriffs- essentielle Grundlage entzieht.

Soweit auch in diesem Zusammenhang ein den Schadenseintritt einschließender Tätervorsatz bestritten wird, ermangelt es an der gebotenen Orientierung an den tatrichterlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 6 und 7 f).

Die Strafbemessungsrüge (Z 11) schließlich beschränkt sich auf die Geltendmachung der Voraussetzungen außerordentlicher Strafmilderung nach § 41 StGB und bringt damit lediglich einen Berufungsgrund zur Darstellung.

Die insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 302 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 43 a Abs 2 StGB zu 180 Tagessätzen a 400 S Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer - unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehenen (§ 43 Abs 1 StGB) - Freiheitsstrafe von vier Monaten. Dabei wertete es keinen Umstand als erschwerend, das Geständnis und die Unbescholtenheit des Angeklagten hingegen als mildernd.

Auch der dagegen erhobenen Berufung des Angeklagten, mit der er unter Hinweis auf die gravierenden disziplinarrechtlichen Tatkonsequenzen und die Freiwilligkeit des von ihm abgelegten Geständnisses eine Strafreduktion anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Unter Berücksichtigung der generell sensiblen Erwartungshaltung gegenüber pflichtgemäßer Berufsausübung durch Beamte, die speziell hinsichtlich Organen im Dienste der öffentlichen Sicherheit einer besonderen Akzentuierung unterliegt, erweist sich die in erster Instanz ausgesprochene, von wohlwollender Anwendung des gesetzlich eröffneten Instrumentariums gekennzeichnete Sanktionenkombination als sachgerecht und der angestrebten Herabsetzung nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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